Food Retail-Experte
Bill Cumming ist Experte für Retail- und Markendesign und Teilhaber von Twelve Studio in London. Cumming hat mit seinem Team an verschiedenen internationalen Supermarkt- und Gastronomie-Projekten gearbeitet, insbesondere für Sainsbury’s (Großbritannien), Woolworths (Australien) und Albert Heijn (Niederlande).
Was hat sich an der Art, wie Supermarktbetreiber ihre Läden präsentieren, in den letzten fünf Jahren am stärksten verändert?
Im Grunde genommen ist es ziemlich schwer, etwas zu finden, was sich in den letzten fünf Jahren nicht verändert hat. Es haben zahlreiche Umwälzungen stattgefunden, von Größe hin zu Convenience, von Preis hin zu Qualität, vom Kochen zu Hause zur Handelsgastronomie und von Abschottung zu Partnerschaften. Obwohl Supermärkte so etwas wie die Öltanker unter den Geschäften sind, haben sie sich schnell angepasst und neue Initiativen getestet. Wir haben erlebt, wie das Layout der Geschäfte angepasst wurde, als Markthalle, Supermarkt mit Kaufhaussortiment oder im Discounter-Look, mit stärkerer Ausrichtung auf anlassbezogene Einkäufe. Dieser Wandel wurde zum großen Teil von den Discountern und Internet-Händlern getrieben. Und während die Supermärkte mit neuen Vertriebskanälen experimentieren, wagen die Discounter mehr Qualität, und die Onlinehändler nutzen Möglichkeiten im stationären Handel.

Die Sainsbury’s-Filiale im Selly Oak Shopping Park in der Nähe von Birmingham ist ein neues, experimentelles Format der Supermarktkette, das über das Angebot der Standardfilialen hinausgeht.
Foto: Selly Oak Shopping Park
Wie haben sich aus der Design-Perspektive Sortimente und Warenpräsentation geändert?
Zweifellos ist der Wandel darauf zurückzuführen, dass die Supermärkte sich vor den neuen externen Akteuren schützen wollten. Ich sehe es jedoch lieber so, dass der eigentliche Impulsgeber die Notwendigkeit war, die Kunden besser zu verstehen und ihnen ein besseres Erlebnis zu bieten. Intelligenten Unternehmen geht es darum, sorgfältig gestaltete, umfassend integrierte Einkaufserlebnisse mit vielfältigem Angebot zu schaffen. Mittlerweile gehören auch Supermärkte zu den sich besonders schnell verändernden, flexiblen, risikobereiten Unternehmen – auf der Grundlage: Erkenntnis – Erprobung – Optimierung – Einführung. Wir werden mit Projekten beauftragt, die immer gewagter sind, mit einer zunehmenden Anzahl an Partnern und Kooperationen.
Einführung von Nonfood-Sortimenten, Handelsgastronomie… Was kommt als Nächstes?
Obwohl das Nonfood-Angebot in einigen Unternehmen als große Herausforderung betrachtet wird, lässt sich wohl kaum etwas gegen ein breites, ausgewogenes und integriertes Sortiment sagen, das den Kunden über verschiedene Kanäle angeboten wird. Ich glaube eigentlich nicht, dass irgendeine Kategorie grundsätzlich nicht funktionieren kann, solange die Kunden einen Grund haben, sich darauf einzulassen. Ich selbst habe bereits in Supermärkten hochwertige technische Geräte gekauft, schmackhafte und gesunde Mahlzeiten zu mir genommen und sogar ganz passablen Rotwein getrunken. Darin liegt das Problem, und es ist gleichzeitig die Lösung. Der Mindeststandard wird in allen Kategorien ständig angehoben. Die Herausforderung besteht darin, sich immer weiterzuentwickeln. Früher haben sich die Supermärkte vor allem mit sich selbst beschäftigt, bestenfalls gab es Vergleiche untereinander. Jetzt haben die besten Unternehmen den Blick nach außen gerichtet, sie sehen sich um. Sie haben die Größe und verfügen über die Mittel, um neu zu definieren, wie wir einkaufen, was wir kaufen und wo wir es kaufen. Von Markenpartnerschaften über neue Formate bis hin zu Plattformen gehen die Einzelhandelsunternehmen immer von der Frage aus: „Was wollen unsere Kunden in der nahen, mittleren und ferneren Zukunft?“

Auf rd. 4.700 qm präsentiert sich das neue Konzept von Hollands ältester Lebensmittelkette Deka Markt im „World of Food“ in Beverwijk.
Foto: Deka-Markt
Wo erwarten Sie künftig weitere Innovationen?
Da wir mit verschiedenen Supermarktbetreibern zusammenarbeiten, sind wir in der glücklichen Lage, globale Trends unmittelbar mitzuerleben. Es gibt definitiv eine Entwicklung in die Richtung, dass Design-Elemente von Bio-Märkten die Antwort sind. Dies ist eine mögliche Richtung. Allerdings: Auch in dieser Richtung wollen unsere Kunden aus dem Lebensmittelhandel nicht, dass ihre Geschäfte kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Mir persönlich wären verschiedene interessante und conveniente Formaten lieber als noch mehr Holz im Vintage-Look. Allgemein gilt: Es Raum für Werthaftigkeit, Qualität und Service in einer komfortablen, kundenfreundlichen Umgebung. Vielleicht hat sich letztlich die Definition von Supermarkt gar nicht so stark verändert.
Das Interview führte Mark Faithfull.