Zu seinem Jubiläumsjahr 2019 ließ der Sportausrüster Globetrotter ein Virtual-Reality-Abenteuer programmieren, das die Kund:innen in die Outdoor-Welt entführen sollte. „Klettere entlang bröckelnder Steinwände über wacklige Holzstege. Krabble durch tiefe Felsspalten. Spüre eisige Winde, plötzliche Hitzewellen und spröde Seile direkt auf der Haut“, so lautete die Eigenwerbung. Menschen mit Höhenangst wurde empfohlen, nicht teilzunehmen. Zwei Jahre lang war die Installation auf Tour in Deutschland, gewann zahlreiche Awards und fand von Sommer 2021 bis Ende letzten Jahres eine temporäre Heimat in der Hamburger Europapassage.
Die Hyper-Experience von Globetrotter: Daten & Fakten
- Größe: 5 x 5 Meter
- Kapazität: Bis zu 4 Personen zur gleichen Zeit
- Technologie: Unreal 5 Engine
Frau Wübbe, würden Sie sagen, dass die stationäre Installation der Globetrotter VR Experience ein Erfolg war?
Ja, wir hatten insgesamt rund 40.000 Besucher:innen auf einer stationären Ladenfläche, die sich jeweils 15 Minuten lang mit der Marken- und Produktwelt beschäftigt haben. Sowohl konzeptionell als auch technisch war das sehr weit vorn, mit vielen haptischen Elementen: Kälte, Wind, Hitze. Das hat die Idee von Immersion weitergedacht.
Dennoch hat sich niemand gefunden, der die Installation übernommen hat.
Das stimmt. Wir hatten erwartet, dass da sofort mehr kommt. Aber vielleicht war Herbst 2022 auch der falsche Zeitpunkt. Dank vieler Learnings, vorhandener Hardware und einer nun bestehenden Produktions-Pipeline können wir das nächste Projekt noch kosteneffizienter umsetzen. Das Thema ist für uns auf jeden Fall weiter spannend.
Tun sich Händler vielleicht schwer damit, Platz zur Verfügung zu stellen? Stichwort Flächenproduktivität.
Das kann ein Punkt sein. Aber wir brauchen nicht unbedingt viel Fläche. Viele spannende Experiences lassen sich auch auf kleinem Raum, in Schaufenster-Displays oder auf dem Smartphone der Nutzer:innen umsetzen. Da kommt das Schlagwort „phygital“ ins Spiel: reale Produkte, die digital angereichert werden.
Ist das Globetrotter-Projekt ein Monolith oder ist die Idee reproduzierbar?
Solche Location Based Experiences sind übertragbar. Unterhaltungsanbieter wie Freizeitparks oder Sehenswürdigkeiten wie das Miniaturwunderland in Hamburg machen das erfolgreich vor. Die jeweilige Idee muss aber zur Marke passen. Immersive Konzepte können übrigens nicht nur Love Brands, sondern auch „normalen“ Marken dabei helfen, ihren USP zu erklären oder eine besondere Verbindung zu Kund:innen aufzubauen. Ich glaube sogar, dass wir zukünftig Mall-Betreiber sehen werden, die solche Installationen als Sonderflächen in den Einkaufszentren dauerhaft vorhalten.
Um die Bandbreite der Möglichkeiten zu verdeutlichen, fällt mir da noch das Projekt „Metahumans“ ein: Aktuell arbeiten wir an lebensgroßen, fotorealistischen Service- Avataren für den POS, die als interaktive Guides oder virtuelle Angestellte und Markenbotschafter beispielsweise Informationen über Produkte und ihre Herstellung oder die Unternehmensgeschichte teilen und Fragen dazu beantworten können. Sie wirken lebendig, da sie dreidimensional und in Echtzeit abgespielt werden und auf die Bewegungen und Sprache eingehen können. Es ist auch denkbar, sie als virtuelle „Alexa“ am POS einzusetzen.
Was sollte ein Händler beachten, der immersive Konzepte ausprobieren möchte?
Der Set-up-Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Allerdings hilft uns seit Kurzem auch generative AI dabei, die Produktion von 3-D-Assets zu beschleunigen und die Kosten zu senken. Für eine intensive Auseinandersetzung mit der Marke, die nachhaltige Stärkung der Kundenbindung und echten Business Impact ist es wichtig, keine Insellösungen zu erschaffen, sondern Produkte und Experiences sinnvoll innerhalb der Customer Journey zu verorten. Dazu sollte eine umfassende kommunikative Begleitung für Online- und Offline-Medien geplant werden.
Das Interview führte Frank Puscher.
Zur Person: Julia Wübbe
Julia Wübbe konzipierte für Beiersdorf und Lorenz Bahlsen digitale Projekte, bevor sie ab 2017 zur Hamburger Agentur Demodern ging. Bei Curious Company arbeitet sie seit deren Gründung 2021. Nach zwei Jahren als Executive Producerin wechselte Wübbe dort Anfang 2023 in die Geschäftsführung.