2017 hat der heute 35-jährige Robert Duchstein die Geschäftsleitung von seinen Eltern übernommen. Schon als Kind hat er am Stammsitz in der Löhrstraße 97 in der „Lesehöhle“ der Kinderbuchabteilung gespielt. So heißt ein kleiner Raum unter dem Podest, auf dem sich die Reisebuch-Abteilung befindet und in den nur Kinder hineinkrabbeln können.
„Unser Selbstverständnis ist, ein literarischer Vollversorger zu sein“, stellt Duchstein den Leitsatz vor, der die Tradition des Hauses klar definiert. Mit dieser Philosophie ließen sich 80 Prozent Stammkund:innen an den Laden binden.
Doch der Unternehmer möchte mehr. Im Februar 2019 eröffnete er den „Salon“, eine Cafébar, die Treffpunkt, Veranstaltungsraum für Lesungen, aber auch für Musik-Events ist – einmal im Monat legen hier DJs auf. Kurz nach der Eröffnung musste das Café pandemiebedingt zunächst wieder schließen. Dennoch wurde weiter investiert: in Veranstaltungstechnik für 13.000 Euro, mit der das, was in Zukunft vor Ort geplant ist, auch ins Netz verlängert werden soll.
Robert Duchstein hat die Zeit zudem genutzt, um sich den Traum von einem ganz anderen, neuartigen Concept Store zu erfüllen. Der hat mit Buchhandel kaum etwas zu tun und findet sich in bester Zentrumslage. „Bazaar of Wunderbar“ steht auf dem schmalen Fenster neben der Eingangstür, die in einen lang nach hinten gestreckten Laden mit 77 qm Verkaufsfläche führt.
Die Idee des Entdeckens
„Ich wollte beim Ladenbau neue Impulse setzen, raus aus meiner Komfortzone, wollte mir ganz frischen Input holen und bewusst hier an der Liebfrauenkirche ein innovatives und ungewöhnliches Ladenbaukonzept umsetzen“, sagt Duchstein über das Vorhaben, das ihn drei Jahre bis zur Umsetzung umgetrieben hat.
„Das Gestaltungskonzept für den Laden basiert auf der Idee des Entdeckens“, erläutern Calina und Per Hohberg, Geschäftsführer der Zweiheit Innenarchitekten den Auftrag, den sie angenommen haben. Herausgekommen ist eine Kombination aus Geschenke- und Souvenirladen. Die Begeisterung für die Gestaltung des Ladens war so groß, dass Duchstein teilweise selbst Hand angelegt hat. So hat er den Boden aus italienischem Marmorkies und Kunstharz selbst mit verlegt, weil sich kein Handwerker dafür fand.
Plausible Sinnabschnitte
Die Einrichtung des Ladens ist in plausible Sinnabschnitte eingeteilt, sodass das Auge nicht irrlichtert, sondern gern Abschnitt für Abschnitt auf Wanderschaft geht. Im Eingang links leuchtet auf einer grünen Wand, die sich als Instagram-Zone eignet, der Schriftzug „You are wunderbar“. Das ist das Motto des Ladens und auch die geschützte Hausmarke. Mit ihr sind hochwertige Hoodies und T-Shirts für Groß und Klein, aber auch Taschen und Tassen bedruckt.
Im weiteren Verlauf finden sich Regale vor einer Ziegelwand. Rechts wird das Auge von einem Regalsystem angezogen, das in metallisch glänzender Versalien- Schrift auf weißem Grund „Bazaar“ kommuniziert. Darin lagern verschiedene Abfüllungen des Hausweins, bunte Taschen und anderes mehr. Ein flexibles Steckregalsystem aus Holz präsentiert Produkte unterschiedlicher Art und Größe wie Geschirr, pfiffige Einkaufstaschen und mehr.
Buchhandlung Reuffel
Gegründet von Anita Reuffel, hat Eberhard Duchstein die Buchhandlung Reuffel 1974, drei Jahre nach seinem Eintritt, übernommen. Gemeinsam mit seiner Frau Ruth A. Duchstein erweiterte er das Unternehmen um vier weitere Filialen und startete 1996 einen der ersten Onlineshops für Bücher. Seit September 2017 ist Sohn Robert Duchstein Geschäftsführer. Er hat inzwischen zudem einen Spieleladen übernommen und einen Concept Store eröffnet. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Kooperation mit Tourismusagentur
In der Mitte führt ein langer grüner Tisch mit verschiedenen Produkten die Kundin bzw. den Kunden nach hinten in den Store. Links neben dem Kassentresen gibt es eine Info- und Fernsehwand mit Event-Angeboten und Ticketverkauf. Diese bespielt die Tourismusagentur Visit Koblenz, mit der Duchstein eine Kooperation eingegangen ist. Sie soll den Touristen die Stadt vor allem von der cooleren Seite zeigen. Im rückwärtigen Raum hängen an verzinkten Gitterwänden gerahmte Poster und die Textilwaren der Hausmarke, im Durchgang steht eine kleine Umkleide zum Anprobieren zur Verfügung.
Duchstein will vor allem junge, lokale Produkte im Laden haben. So führt er seit kurzem Liköre und Korn zweier junger Destillateure aus dem Westerwald, die das Obst von der Mosel holen. „Natürlich haben die jungen Start-ups alle eine eigene Webseite und verkaufen ihre Produkte online.
Aber viele wünschen sich eben auch, in der Stadt und vor Ort präsent zu sein. Und das können wir ihnen bieten“, sagt der Einzelhändler. Duchstein definiert damit das Verhältnis neu. Aus seiner Sicht ist Omnichannel nicht die Verlängerung des Ladens ins Internet, sondern das stationäre Geschäft die Verlängerung des Onlineshops in die haptische Welt. Online und Offline spielen bei ihm Pingpong.