Ein Zertifikat dient als unabhängiger Nachweis nachhaltigen Bauens. Bei einer Zertifizierung wird die Planung und Umsetzung des Stores unter Nachhaltigkeitsaspekten optimiert und von einem unabhängigen Prüfer mit einem
Punktesystem validiert. Dabei bewerten die Qualitätsnachweise Gebäude nicht nach Einzelkriterien, sondern nach deren Gesamtperformance in Ökologie, Ökonomie und Sozialverträglichkeit. Je nach erreichter Punktzahl erhält der Ladenbau einen Bronze- bis Kristall-Status, der dann auch für Vermarktungszwecke genutzt werden kann.
Nachhaltige Bauweisen finden bisher vornehmlich in den Shops für natur- und gesundheitsverbundene oder besonders wertige Produkte wie Schmuck Anwendung. Konsument:innen verbinden mit diesen Produkten Natürlichkeit und Beständigkeit, wozu auch nachhaltiges Bauen passt. Der Flagship-Store des österreichischen Sportartikel-Filialisten Bründl in Kaprun, entworfen von Blocher Partners und umgesetzt von Umdasch, ist bspw. nach ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) zertifiziert.
Platzsparend zerlegt
Bei dem österreichischen Ladenbauunternehmen Umdasch hat man das Thema Umweltverträglichkeit ganz oben auf der Agenda und lässt sich von Eco Vadis, dem weltweit größten Nachhaltigkeitsbewerter, ranken. Auf seinem Messestand in Düsseldorf stellte Umdasch das Thema Sustainability ins Zentrum. Präsentiert wurde eine neu angelegte firmeneigene Materialdatenbank. Hier finden sich Stoffe wie Kunststein aus Fischschuppen und Oberflächenplatten aus Kaffeemehl.
Bei der Auswahl innovativer Materialien aus den Bereichen Up- und Recycling ist allerdings auch deren Ökobilanz und Herkunft zu beachten. Altholz zum Beispiel, das viele Kilometer durch Europa transportiert wird, ist unter Umständen weniger nachhaltig als eine beschichtete Spanplatte. Für die Neugestaltung der Einhorn J-Apotheke in Hagen wurden Holzwerkstoffe von Egger verwendet, für deren Produktion die Rohstoffe aus den umliegenden Wäldern stammen, und so durch Regionalität Punkte gesammelt.
Nicht neu, aber durch die Konstruktion als modulares Stecksystem und die damit einhergehende Möglichkeit zum Flatpack-Transport zeitgemäß ist die von Umdasch vorgestellte Erweiterung des Regalsystems „Basixx“. Das gewählte Transportmittel sowie das Volumen der Ware und der Verpackung haben einen erheblichen Einfluss auf die CO2-Bilanz.
Fußabdruck berechnen
Die Brand & Retail-Marketingagentur Liganova hat das Design des eigenen Messestandes bereits im Planungsprozess hinsichtlich nachhaltiger Materialien und im Hinblick auf den Transport von Stuttgart nach Düsseldorf optimiert. Der Werkstoff – recycelte Baumwolle – entspricht ca. 1.125 T-Shirts, alle Bauteile sind wiederverwendbar.
Der Großteil des Kohlenstoffausstoßes des Standes geht auf den Transport zurück und das, obwohl die Verpackungsgrößen durch das Design bereits so optimiert waren, dass kein 7,5-Tonner, sondern ein emissionsärmerer Sprinter eingesetzt werden konnte. Ermittelt wurde der CO2-Abdruck projektbegleitend mit dem Green Gen Calculator, den Liganova auf der EuroShop vorstellte. In die webbasierte Software können sämtliche projektbezogenen Daten eingetragen werden, bspw. welches Gewicht das verbaute MDF hat. Daraufhin wird die entsprechende Emission auf Basis einer Datenbank berechnet.
Diese ist mit Emissionsdaten aus Sammlungen wie Gabi, Ecoinvent, Ökobaudat, Umweltproduktdeklarationen (EPDs) und mit von Liganova selbst berechneten Werten bestückt. Anhand der grafischen Auswertung kann man ablesen, an welcher Stelle im Projekt die die höchste Belastung entsteht und kann so gezielt Maßnahmen zur CO2-Einsparung ergreifen.
Laut Liganova gibt es bisher keine vergleichbaren Tools, die in diesem Umfang und Grad an Automatisierung funktionieren. Die Software ist noch bis Herbst dieses Jahres in der Entwicklung, die Firma selbst berechnet allerdings seit rund einem Jahr den Fußabdruck ihrer Projekte. Die Idee zu dem Produkt resultierte aus Kundenanfragen.
Ein Indikator-Instrument für den CO2-Fußabdruck, das bereits seit 2011 auf dem Markt ist, ist „POPAI’s Sustaintool“. Vor drei Jahren wurde das digitale Messinstrument von POPAI UK überarbeitet und wird von 70 Unternehmenskunden regelmäßig genutzt.
Der Indikator wird bisher speziell auf Aufsteller und Point-of-Purchase-Displays angewandt und ist für Hersteller und Händler etwa aus dem Beauty- Segment besonders geeignet. Die Bewertung der eingegebenen Daten erfolgt über die schweizerische Datenbank Ecoinvent. Die englische Drogeriemarktkette Boots und L’Oreal verpflichten ihre Lieferanten bereits, mit Sustain zu arbeiten. Eine Lizenz kostet umgerechnet rund 1750 Euro.
Langfristig denken
Messinstrumente und Zertifizierungen sind eine Hilfestellung und noch keinesfalls fehlerlos in der Anwendung, denn die Ergebnisse sind immer nur so valide wie die zugrunde gelegten Daten.
Da für die Umwelt der ideale CO2-Ausstoß 0,0 mg bildet, wäre es zwar laut Dr. Petra Böttinger-Barth, Director Central Services Marketing & Sustainability, HR & Legal Affairs bei Umdasch, im Sinne der Nachhaltigkeit eigentlich das Beste, gar nicht zu bauen.
Jedoch kann dieses hochkomplexe Thema mit Vertrauen und Zusammenwirken sowie gemeinsamem Bemühen angegangen werden. Die Zeichen für den Ladenbau stehen daher auf Renovierung, Ausweitung der Nutzungsdauer und Veränderung des Looks etwa durch niedrigschwelligere Maßnahmen im Merchandising.