Argos ist nach eigenen Angaben Großbritanniens größter Online-Versandhändler mit einem Sortiment von rd. 33.000 Produkten aller Branchen und Sparten. Der Multichannel-Händler betreibt nun auch mobile Verkaufskanäle, verkauft über Telefon sowie einen TV-Kanal und betreibt ein stationäres Filialnetz von 740 Stores. Das Unternehmen eröffnet nun Filialen ohne Ware, wo Kunden stationär online shoppen können.
Man muss sich das Ganze als ein Experiment vorstellen: Eine Einzelhandelsmarke, die nahezu alles verkauft und sich jetzt daran macht, mittelgroße Filialen zu eröffnen, in denen keine Ware präsentiert wird. Und das soll sinnvoll sein? Durchaus, zumindest, für das britische Handelsunternehmen Argos, das einst als Kataloggeschäft begann. Früher kamen die Kunden in den Laden, um abgegriffene Argos-Kataloge mit Eselsohren durchzublättern und die Nummern der gewünschten Artikel zu notieren. Dann begab man sich an die Kasse, bezahlte, und einige Minuten später wurden die Artikel aus dem Lager gebracht.
An diesem Grundprinzip hat sich in der Argos-Filiale in der Londoner Old Street nichts geändert. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Papierkataloge verschwunden sind. Ihre Stelle nehmen nun Touchscreens, das heißt speziell angepasste iPads ein. Zusammen mit der Londoner Design-Agentur Dalziel + Pow hat Argos dieses Filialkonzept entwickelt. Was dabei herausgekommen ist, kann man durchaus als revolutionär bezeichnen.
Nichts außer iPads
Wer vor dem Geschäft mit seiner langen Front steht und durch die Schaufenster ins Ladeninnere blickt, sieht zahlreiche bunte Bildschirme, und ansonsten gar nichts. Außen wurde das Argos-Logo, ein weißer Schriftzug auf rotem Grund mit Hintergrundbeleuchtung, beibehalten. Darunter zieht Argos den Blick der Passanten mit einem weiteren weißen Schriftzug: „Hello Old Street“ auf seine Filiale und folgt damit dem aktuellen Trend zum Einsatz grafischer Elemente im Außenbereich.
Abgesehen davon macht Argos in seiner neuen Filiale alles anders. Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich meinen, dass man sich gar nicht in einem Geschäft befindet. Im gesamten Verkaufsraum stehen Tische mit kleinen weißen Touchscreens, und an den Außenwänden hängen große Displays mit einfachen weißen Icons und gedruckten Grafiken. Jeder Quadratzentimeter ist mit Informationen gepflastert – damit ist die Argos-Filiale alles andere als ein typisches Geschäft.
Jeder Besucher fragt sich: Wie funktioniert dieser Laden? Die Antwort auf diese Frage findet sich auf einer Reihe von Begrüßungsbildschirmen, die sich direkt hinter dem Eingangsbereich befinden. Diese informieren den Besucher nicht nur über die aktuellen Außentemperaturen, sondern zeigen auch die Konterfeis der Mitarbeiter mit dem Schriftzug „I’m here to help“. Außerdem wird der Besucher dazu eingeladen, sich auf der Argos-Website umzusehen, wo er „ein doppelt so großes Artikelsortiment“ findet.
Für den Fall, dass diese Informationen nicht reichen sollten, hat Argos einige Mitarbeiter im Eingangsbereich postiert, die wenig technikaffinen Besuchern erklären, wie sie in diesem Geschäft einkaufen können. Und das ist nicht schwer: Man begibt sich zu einem freien iPad, wählt den gewünschten Artikel aus und bestellt ihn. Die Kundenbildschirme lassen sich intuitiv zu bedienen, sodass der Bestellvorgang auch ohne Informatikstudium zu bewerkstelligen ist. Danach bieten die Bildschirme an den Tresen der hinteren Außenwand dem Kunden mehrere Möglichkeiten – von „Pay & Collect“ über „FastTrack“ für Kunden, die vor dem Besuch der Filiale bereits online bezahlt haben, bis hin zu „Service“ – all diese Optionen sind weitgehend selbsterklärend.
Mitarbeiter erklären
Der gesamte Innenraum wirkt großzügig und klar strukturiert mit seinen weißen Bodenfliesen, der schwarzen Decke sowie den Service-Tresen in ausgeblichener Holz-Optik – Elemente, die sich zu einer relativ ruhigen, zeitgemäßen Verkaufsraumumgebung verbinden. Die Bildschirme entlang der Rückwand sind farbkodiert: So steht zum Beispiel Blau für „Pay & Collect“ und Rot für „Fast Track“. Am dem „Fast Track“-Countern kann online bestellte und bezahlte Ware stationär abgeholt und gegebenenfalls zurückgegeben werden.
Entscheidend bei dieser Filialgestaltung ist, dass die Funktion des Geschäfts einfach zu verstehen ist, selbst wenn man noch nie einen Tablet-PC in der Hand gehalten hat. Doch dem Alter der Kunden nach zu urteilen, werden hier nur wenige Probleme haben, sodass die Mitarbeiter am Eingang nicht unbedingt notwendig sind. Das Konzept stellt einen weiteren Schritt zur Digitalisierung des Einkaufserlebnisses dar. Wenn sich die Kunden erst einmal daran gewöhnt haben, ist der Bestellvorgang für viele wahrscheinlich einfacher und angenehmer als mit dem klassischen Papierkatalog. Es ist davon ausgehen, dass das neue Konzept von Argos als Blaupause für weitere Projekte dienen wird.
Weitere Informationen: www.argos.co.uk
Fotos: Argos