I Fiori, so heißt der Blumenstand bei Engelhorn in Mannheim, der im Erdgeschoss des Damenmodehauses auf ca. 30 qm ein Schnittblumensortiment anbietet. Der kleine Blumenshop, zentral im Foyer des Erdgeschosses positioniert, ist eine „Institution“ seit über zehn Jahren. Idee und Kalkül des zuerst vermieteten, seit Jahren aber bereits in Eigenregie geführten Shops mit angestelltem Floristen liegen im Cross-Selling-Effekt und sind damit aktueller denn je. Das Blumensortiment korrespondiert durch Farben, Harmonien, Kontraste und Stil mit Fashion-Sortimenten und Saison. Ob Appetizer, Lockmittel, Show-Effekt, Extra-Umsatz oder alles zusammen – die Synergieeffekte liegen auf der Hand.
In Zeiten, in denen ganze Sortimentsbereiche ins Netz abwandern und manche Store-Fläche schlicht zu groß für ihr stationäres Warenangebot geworden ist, die Mieten bei allgemein sinkenden Kundenfrequenzen immer krasser zu Buche schlagen und die gute Lage oft zum alles entscheidenden Kriterium wird, der Standalone-Store aber an Attraktivität einbüßt, rückt „Retail-Sharing“ in den Blickpunkt.
In vielen Segmenten sortiert die „Sharing Economy“ Arbeitsweisen, Abläufe und Besitzverhältnisse neu. Auch im Retail lassen sich mit dem Prinzip neue Allianzen eingehen, um mit verringertem Aufwand erhöhte Effizienz zu erzielen, neue Standorte auszutesten oder den Kunden das Shopping abwechslungsreicher, unterhaltsamer oder auch ein wenig leichter zu machen. Eine Reihe aktueller Beispiele zeigt, wie differenziert Kollaborationen aufgestellt sein können:
Die Unkonventionellen: Vertrauen und Empathie

Beim sympathischen Einzelhändlerinnen-Duo hinter
Sight Store und Kitsch Bitch in Wien läuft viel über Vertrauen
Foto: Sight Store
„So wie Shared Offices mittlerweile zum Alltag gehören, kann unser ‚Shared Store‘ sicherlich auch Vorbildwirkung haben. In Wien sind wir aber die ersten damit“, sagt Vivien Sakura Brandl-Klingbacher. Sie und ihr Fashion-Store „Sight Store“ haben sich mit der Einzelhändlerin Lilly Egger und ihrem Store für Schmuck und Accessoires namens „Kitsch Bitch“ zusammengetan. Zuvor betrieben die beiden unabhängig voneinander einen Fashion- und einen Schmuckladen in direkter Nähe. „Wir kannten uns, hatten bereits Events wie Straßenfeste gemeinsam organisiert und verstanden uns gut“, so Brandl-Klingbacher. Als sich eine langwierige Baustelle vor den Stores ankündigte, begaben sich die beiden Frauen zusammen auf die Suche nach einer neuen Fläche, die sie in der Nähe auch fanden. „Seitdem teilen wir uns die Ladenfläche. Wir haben gemeinsam umgebaut, Kompromisse im Design gefunden oder uns auf Experimente eingelassen. Es gibt zwei separate Kassen, das ist aber auf den ersten Blick nicht erkennbar.“
Die beiden gleichberechtigten Partnerinnen betreiben nun zwei getrennte Shops unter einem Dach – Buchhaltung, Warenlager und Mitarbeiterinnen sind jeweils separat. Die Fläche, die Umkleide, das Lager, Miete, Stromkosten etc. werden geteilt. Die Grundzüge der Kooperation wurden vertraglich fixiert, vieles auf Vertrauensbasis ausgehandelt. „Wir sind ein reines Frauenteam, und da ist viel Spaß, Sympathie und Empathie zu spüren“, sagt Brandl-Klingbacher.
Die Stilisten: Spannung im Spagat

The Corner (s. o.)
Foto: The Corner/ChromaIstanbul
Macarons und hochpreisige Designer-Fashion – der Mix ist mutig. Der Modehändler The Corner in Berlin sucht das Erlebnis im Zusammentreffen der Extreme, und das äußert sich in der neuen Filiale in der Berliner Schlüterstraße besonders im Store-Design. In der reduzierten, kantigen Store-Architektur mit Backstein- und Betonwänden im abgewetzten Berlin-Look wird eine spitze Auswahl zeitgenössischer Designer-Labels sowie Bücher, Nischenkosmetik und Design-Objekte präsentiert. Mitten hinein in dieses eher raue Ambiente wurde ein Stück feinste Zuckerbäckerei hineingepflanzt, die süßlicher, verspielter und gegensätzlicher kaum sein könnte: Integriert wurde eine Niederlassung der Pariser Patisserie Ladurée, weltbekannt für ihre Macarons und ihre elegant-französischen Teesalons.
Die Inneneinrichtung der Salons zelebriert einen ornamental geschmückten Einrichtungsstil, teilweise mit barocker Üppigkeit. Nach wenigen Wochen schon zeigte sich, dass der im Franchise-System betriebene Confiserie-Shop in dieser Kombination als Kunden- und Frequenzbringer fungiert. Bei The Corner laufen nun Überlegungen, den Shop zu einem kleinen Café auszubauen. Das Unternehmen The Corner besitzt auch die alleinigen Vertriebsrechte von Ladurée für Deutschland.
Die Erprobten: Unternehmerstärke

Der klassische Synergieeffekt von
Kleidung und Schuhen: die 35. Filiale von
Schöffel-Lowa wurde vor wenigen Wochen
in Schenna in Südtirol eröffnet
Foto: Schöffel-Lowa
„Eine Entscheidung wird nicht verabschiedet, wenn einer der Partner noch nicht ganz davon überzeugt ist. Dann wird solange gefeilt und überdacht, bis sie einstimmig beschlossen werden kann“, nennt Ralf Seufert eine Erfolgsformel der Schöffel-Lowa-Koop. Der Einzelhandelsprofi kam 2011 als Geschäftsführer zur Schöffel-Lowa Sportartikel GmbH, um die Retail-Partnerschaft der beiden Outdoor-Marken Schöffel und Lowa weiter zu professionalisieren. Bereits 2003 startete sie mit einem ersten gemeinsamen Store in Frankfurt. Heute gehört die Retail-Kombi der beiden Marken mit ihren inzwischen 35 Stores zwischen Sylt und dem Alpenraum fest zur Einzelhandelslandschaft und gilt bei vielen Konsumenten als etabliert.
Die Outdoor-Branche ist von Natur aus stark vernetzt, in diesem Sinne fanden die beiden mittelständischen Markenunternehmen Schöffel mit Ski- und Outdoor-Kleidung und Lowa mit Berg- und Wanderschuhen die sinnvolle Produktergänzung beim jeweils anderen. Mit einem Joint Venture wurde eine solide Basis für diese Langzeit-Partnerschaft geschaffen. Das Rezept der dauerhaft guten Zusammenarbeit beruht auch auf einem wertschätzenden Miteinander, so Seufert: „Es ist keineswegs alltäglich, dass so eine Kombination dauerhaft funktioniert. Mit Peter Schöffel und Werner Riethmann trafen zwei starke Unternehmerpersönlichkeiten aufeinander, die immer den gemeinsamen Erfolg im Blick haben.“
Die Strategen: Synergie durch Verkleinerung

Das Gartencenter von Dehner hat
am Standort Fürth Fläche an den Sportartikler
Decathlon vermietet
Foto: Peter Herzig
Nach knapp einem Jahr Umbau und Komplettrenovierung eröffnete die modernisierte Gartencenter-Filiale von Dehner in Fürth am bewährten Standort. Das neue Center mit seiner Fläche von etwas über 5.000 qm entspricht dem durchschnittlichen Flächenbedarf der Dehner-Filialen, der sich bei um die 5.000 qm plus/minus 500 qm eingependelt hat. Das war einmal anders. Die alte Anlage in Fürth zum Beispiel erstreckte sich über mehr als 8.000 qm. „Faktoren wie langfristige Umsatzeinschätzungen und die digitale Verlängerung der Regale nehmen Einfluss auf den Umfang des stationären Sortiments und somit auf die Größe der Verkaufsfläche“, so heißt es bei Dehner.
Nachdem das Unternehmen beizeiten seine Digital-Strategie aufgestellt und ausgebaut hat, gilt es heute als ein führender Cross-Channel-Händler der grünen Branche. Das bleibt nicht ohne Wirkung auf die Fläche. So wurde gezielt in der Freizeitbranche nach einem geeigneten Partner für die Restfläche gesucht, „weil wir hier die größten Schnittmengen zu Dehner sehen“. Fündig wurde man beim Sportartikler Decathlon, der im Nürnberger Raum nach einem Standort suchte. Decathlon bezog als Untermieter eine Fläche von knapp 3.500 qm. Die beiden Läden haben getrennte Eingänge, teilen sich aber den Parkplatz. „Synergie-Effekte sehen wir hier durchaus. Durch die Partnerschaft mit Decathlon bieten wir ein Einkaufsvergnügen für alle Garten- und Sportfans und erhöhen damit die Attraktivität der Filiale“, so die Aussage von Dehner.
Weitere Informationen: redaktion@ehi.org