André Kock: „Unternehmen brauchen KI-Regeln“ | stores+shops

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Rechtsanwalt André Kock erklärt, was Personalverantwortliche mit künstlicher Intelligenz machen dürfen, und was nicht.
Foto: NicoElNino/stock.adobe.com

André Kock: „Unternehmen brauchen KI-Regeln“

Bewerbungsvideos per KI auswerten, den Arbeitsvertrag per Smartphone-App übersetzen oder KI-Analysen für Zielvereinbarungen und Gehaltsgespräche nutzen – all das ist heute schon möglich. Aber ist es auch erlaubt? André Kock ist Rechtsanwalt bei KPMG Law in Hamburg und berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Arbeitsrechts. Im Interview erklärt er, wo rechtliche Risiken beim KI-Einsatz lauern und warum Unternehmen die neuen Möglichkeiten dennoch nicht ignorieren dürfen.

Herr Kock, fragt man Unternehmen, was sie vom KI-Einsatz abhält, nennen viele rechtliche Bedenken. Raten Sie als Rechtsanwalt Ihren Mandaten zum Abwarten?

Nein, die Technologie entwickelt sich unglaublich schnell und wird die Arbeitswelt für immer verändern. Unternehmen müssen sich mit KI auseinandersetzen, um nicht den Anschluss zu verlieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Sonst ist es später ein weiter Sprung zum Aufholen.

Im HR-Bereich geht es um Menschen. Wie lässt sich Künstliche Intelligenz hier nutzen?

KI kann Personalabteilungen in vielen Bereichen unterstützen: Nicht nur bei der Besetzung offener Stellen, sondern auch im Umgang mit den Mitarbeitenden, bspw. um Weiterbildungsbedarfe zu erkennen oder interne Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Spannende Themen sind aus meiner Sicht auch geschlechtsneutrale Vergütungsmodelle oder faire und effiziente Zielvereinbarungen.

Wie kann KI zu mehr Fairness verhelfen?

Gesetzliche oder interne Vorgaben schreiben zunehmend vor, dass Ziele und Incentives Mitarbeitende nicht systematisch benachteiligen dürfen. Sie sollten angemessen und erreichbar sein und natürlich zur Geschäftsstrategie passen. Dies ist ein komplexer Matching-Prozess, der in Unternehmen oft unglaublich viele Ressourcen bindet. Ein großer Vorteil von KI ist hier die Objektivierung. KI trifft keine Gefälligkeitsentscheidungen, sondern analysiert Daten.

Genau das bereitet aber vielen Unternehmen Sorgen. Zu Recht?

Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist selbstverständlich ein wichtiges Thema, das sich allerdings regeln lässt. Grundsätzlich müssen Unternehmen KI-Anwendungen so gestalten, dass sie nicht gegen bestehende Gesetze wie die Datenschutzgrundverordnung DSGVO oder Antidiskriminierungs- und Mitbestimmungsgesetze verstoßen. Kurz gefasst: Alles, was die Personalabteilung beachten muss, gilt auch beim KI-Einsatz und muss rechtlich geprüft werden. Auch der Betriebsrat sollte frühzeitig eingebunden werden.

Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür, was nicht erlaubt wäre?

Ja. Theoretisch könnten KI-Tools zum Beispiel heute schon den vollständigen Bewerbungsprozess übernehmen: Angefangen von der Stellenbeschreibung, über das Auswahlverfahren und den Vertragsentwurf bis hin zur Zusendung des Vertragsangebots. In der Praxis muss jedoch die endgültige Einstellungsentscheidung bislang noch ein Mensch treffen. Das ergibt sich aus Artikel 22 DSGVO, wonach Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung in der Regel nicht ausschließlich auf Basis einer automatisierten Verarbeitung, also quasi durch eine Maschine, getroffen werden dürfen. Mögliche Ausnahmen sind im Einzelfall zu prüfen.

Wer haftet, wenn die KI unfaire Personalentscheidungen trifft, ungefragt Leistungskennzahlen auswertet oder leichtfertig mit sensiblen Daten umgeht?

Genau wie jedes andere Computerprogramm sind auch KI-Tools nur Unterstützungsmittel. Für Rechtsverstöße haftet das Unternehmen, egal ob es Büro-Software oder einen KI-Bot genutzt hat. Wir empfehlen deshalb, unbedingt klare Regeln für die Mitarbeitenden aufzustellen. Insbesondere beim Umgang mit freien KI-Tools, wie Bild- und Text-Generatoren oder Übersetzungstools, muss festgelegt sein, wie und wofür diese Programme im beruflichen Kontext genutzt werden dürfen und was im Zweifelsfall zur Abmahnung oder Kündigung führen kann. Ein vollständiges Verbot halte ich nicht für sinnvoll.

Das Interview führte stores+shops-Autorin Kirstin von Elm.

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