„Nachhaltiges Handeln ist ein Schlüssel zur Lösung ökologischer Probleme und kann gleichzeitig die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens steigern”: Damit eröffnete EHI-Forschungsbereichsleiterin Marlene Lohmann die Veranstaltung in Hürth. Was die neuesten Bilanzierungsergebnisse für das Handelsmarketing bedeuten, wo die Herausforderungen in der Umsetzung liegen und welche Nachhaltigkeitsstrategien in der Praxis Vorteile für den Handel bringen können, darüber diskutierten rund 100 Marketing-Profis aus dem Handel.
Katja Sottmeier, Leitung Digital bei Hornbach, stellte in ihrer Keynote zum Auftakt die Frage: Wie wollen wir in 10 Jahren leben? … und umriss damit exakt das Dilemma, in dem wir stecken. Der Handel versorgt die Menschen mit Waren, sein Geschäftsmodell ist der Konsum. Dieser ist aber in die Schlagzeilen geraten, weil er einerseits unvermeidlich aber andererseits potentiell zur Klimakrise beiträgt. Zu den Antworten gehören praktische Maßnahmen wie bessere Infrastruktur oder Kreislaufwirtschaft, aber auch ein möglicher Wertewandel von materiellem Luxus hin zu immateriellen Werten.
Mehr Medienkompetenz
Agenda 18 ist eine Initiative zum verantwortungsbewussten Umgang mit Medien, die Holger Thalheimer, Chief People & Culture Officer bei Omnicom Media, vorstellte. „Dass der Klimawandel menschengemacht ist, ist seit über 50 Jahren bekannt“, erklärt er zuerst, allerdings haben sich die Rahmenbedingungen zwischenzeitlich geändert. So leben nur noch acht Prozent der Weltbevölkerung in einem demokratischen System, Fake News oder Trolls sind entstanden und nehmen inflationär zu. Auch die Monopolisierung der Nachrichtenhoheit oder der Einfluss der digitalen Medien auf die Gesundheit besonders von Kindern und Jugendlichen machen Sorgen. Daher seien Medienkompetenz und eine nachhaltige und bewusste Nutzung unumgänglich.
Für einen nachhaltigen Umgang mit Energien ist das Wissen über den tatsächlichen Verbrauch eine Voraussetzung. Die EHI-Studie „CO2-Bilanzierung von Marketingmaßnahmen“, die mit Unterstützung der Initiative „Angebotskommunikation im Handel“ durchgeführt wurde, setzt genau hier an. Marijke Schröter-Hadley und Alex Mannweiler von CSCP sind Methodikpartner der Studie und stellten die wichtigsten Ergebnisse vor. So sei die Werbebranche weltweit für vier bis sechs Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Sie machten auch deutlich, dass die Bilanzierung ein erster Schritt ist, der zeigt, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette Emissionen entstehen. Jetzt sind die Akteure gefordert, dieses Wissen entsprechend anzupassen.
Bevor Rewe den Ausstieg aus dem Papierprospekt im letzten Jahr beschlossen hat, hat der Lebensmittelhändler rund 25 Mio. Prospekte pro Woche drucken lassen, erklärte Bastian Tassew, Head of Sales & Retail Media Marketing bei Rewe. Dabei werden Papierprospekte im Normalfall nur recht kurz angeschaut. Durch den Wegfall des Papierprospektes hat Rewe 380 Mio. Kilowattstunden Energie, 73.000 Tonnen Papier, 400.000 Kubikmeter Holz und 70.000 Tonnen CO2 eingespart.
Die Gesamtbilanz fällt durchweg positiv aus, berichtete Tassew: „Unser Ziel ist der papierlose Markt.“ Schon jetzt hat Rewe Werbemittel am POS reduziert und digitale Stelen in 3000 Märkten installiert. In den nächsten zwei Jahren möchte Rewe weitere physische Maßnahmen durch digitale ersetzen und so den CO2-Ausstoß weiter reduzieren. Das Investment sei auf jeden Fall lohnenswert, denn digitale Plakate ermöglichen eine viel höhere Flexibilität – z.B. auch im Hinblick auf Wetter-Targeting – oder bei personalisierter Instore-Kommunikation.
Kundenbedürfnis Umweltfreundlichkeit
Katarzyna Dulko-Gaszyna, Sustainability-Managerin, erklärt Ikeas Priorisierung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit: Mach nachhaltige Produkte bezahlbar, schaffe Transparenz bei Materialien, produziere lokal und ohne Verpackung und verlängere die Lebensdauer von Produkten. Denn Nachhaltigkeit darf kein Luxus sein, sagte die Nachhaltigkeitsexpertin und appellierte für Kreislaufwirtschaft, eine höhere Recyclingquote oder Produkte, die aus Produktionsabfällen hergestellt wurden. Secondhand-Ware sei ein weiterer Hebel, Ikea hat bereits Buyback- und Resell-Services eingeführt. Bis 2050 möchte das Unternehmen klimaneutral sein.
Der Verantwortliche für Produktnachhaltigkeit und Kommunikation bei dm-Drogeriemarkt, Andreas Pollak, zitierte aus einer PWC-Untersuchung, dass 77 Prozent der Menschen in Deutschland die Auswirkungen des Klimawandels persönlich zu spüren meinen. Mehr Nachhaltigkeit im Handel spiegele demnach die Bedürfnisse der Kundschaft. Die Strategie von dm setzt auf Transparenz, in umfangreicher Kommunikation informiert das Unternehmen seine Kundschaft über Materialbeschaffung, -produktion oder Nachhaltigkeitsziele und möchte so das Bewusstsein für die Bedeutung von umweltfreundlichen Maßnahmen stärken.
In sechsminütigen Impulsvorträgen rundeten die Marketingexpert:innen das Programm ab. Andrej Plancak von Offerista, Käthe Fleischer von Scala und Roland Siebert von Slace bildeten einen gelungenen Abschluss mit den Themen Digitalisierung in der Angebotskommunikation, effizientes Instore-Marketing durch die Auswertung von Kassendaten oder Laufwegen und kostengünstige Kommunikation mit WhatsApp.