Wie lassen sich Best Practices aus der Online-Welt für das Visual Merchandising des stationären Handels nutzen?
Das Einkaufserlebnis im stationären Handel muss genauso einfach sein wie im Online-Geschäft. Außerdem muss der Retail-Store seine Vorteile nutzen und für die Kunden Erlebnisse schaffen, die der Onlinehandel in dieser Form nicht bieten kann. Ein erster Schritt, die Best Practices des Onlineshops zu übertragen, ist beispielsweise die Navigation durch den Retail-Store analog zur Website. Im Store muss eine ebenso „kinderleichte“ Navigation geschaffen werden. Die Amazon Book Stores zeigen, wie es geht: Da wird im stationären Handel dieselbe Navigation mit denselben Verkaufsargumenten verwendet wie im Onlineshop.
Welche Bedeutung hat heute die Einbindung digitaler Elemente in das Visual Merchandising in Handelsgeschäften?
Zum einen geht es darum, aus dem Einkauf ein Erlebnis zu machen und zum anderen darum, dass dieses Einkaufserlebnis „friction free“, also reibungslos ist wie im Onlineshop. Im New Yorker H&M-Flagshipstore am Times Square gibt es den „H&M Runway“, wo sich Kunden in beliebigem Outfit auf dem Laufsteg präsentieren und posen können. Dieser Walk wird dann auf Bildschirmen im Store gezeigt, und ausgewählte Clips werden auf den gigantischen Screens an der Fassade gezeigt. Ein weiteres Erlebnis im stationären Handel kann ein „Selfie-Moment“ mit einer 360-Grad-Kamera sein, oder auch eine Station mit einer Kamera. Hier kann sich die Kundin auf einem Touchscreen durch die Lippenstiftfarben auf ihrem Gesicht klicken. Die digitale Lippenstiftstation ist nicht nur ein Erlebnis, sie erleichtert auch das Einkaufen, da frau sich mit einem Klick schminken und wieder abschminken kann.
Es ist die kreative Integration digitaler Technologien, die erfolgreiches Visual Merchandising ausmacht.
Matthias SpankeWie wird sich aus Ihrer Sicht dieser Trend weiterentwickeln?
Der stationäre Handel wird sich noch mehr auf das Markenerlebnis und die Markenbildung konzentrieren und dabei neue Technologien einsetzen. Das braucht Platz, und da kann es eine Lösung sein, dass nur eine Vorauswahl des Sortiments gezeigt wird und man sich digital vor Ort durch das gesamte Warenangebot klicken kann. Die digital ausgewählte Ware kann dann direkt bestellt und noch am selben Tag geliefert werden, wie es schon jetzt bei einigen Shops möglich ist. Samsung hat einen Store in New York, in dem Kunden keine Ware kaufen, sondern die Produkte ausschließlich testen und erleben können. Neben regelmäßigen Events werden wechselnde Virtual-Reality-Erlebnisse angeboten.
Diese digitalen Technologien sind für kleinere Unternehmen aus Kostengründen nicht immer ohne Weiteres umsetzbar. Wie lässt sich mit schmalen Budgets etwas Tolles gestalten?
Die Hardware der digitalen Technologien muss nicht zwingend von den Unternehmen kommen. Heutzutage verfügt nahezu jeder Kunde über ein Smartphone, das am Point of Sale zum Einsatz kommen kann. Grundsätzlich gilt: Die Technologien müssen nicht teuer sein. Es ist die kreative Integration dieser Technologien, die das erfolgreiche Visual Merchandising ausmacht.
Das Interview führte Winfried Lambertz.
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