Ben Balon ist im Geschäftsbereich von Roland Gottlewski tätig und koordiniert dort den Bau von Sonderprojekten im Einzelhandel, wie die Pilotprojekte in Braunschweig- Lamme und Nauen.
Roland Gottlewski ist bei der Edeka Minden-Hannover als Geschäftsführer für den Bereich Gebäude-/ Baumanagement und Technik zuständig.
Das Interview führte Katharina Sieweke.
Vor etwa vier Monaten erfolgte der erste Spatenstich in Braunschweig-Lamme. Der Markt setzt auf eine nachhaltige Bauweise durch das sogenannte Triqbriq-Holzbausystem. Zuletzt stand die Prüffreigabe dafür aus. An welchem Punkt befindet sich das Projekt aktuell?
Balon: Am 08. August fand die Baustellenfeier zum Baustart statt. Ende Oktober ist das Richtfest geplant. Die Eröffnung soll weiterhin im Q1 2025 stattfinden. Mit heutigem Stand sind etwa ein Drittel der Triqbriq-Wände gemauert. Welche konkreten Zielsetzungen verfolgt Edeka Minden- Hannover in puncto „nachhaltiges Bauen“ für Bestands- und Neubauten?
Gottlewski: Nachhaltigkeit spiegelt sich bei uns im Bau, aber auch im Betrieb der Immobilie wider. Unsere in Regie geführten Märkte betreiben wir alle mit Ökostrom, unsere Lkw- Flotten werden zu einem Großteil mit Bio-LNG betankt. Beim Bauen gibt es gesetzliche Vorgaben, aber um denen voraus zu sein, „forschen“ wir seit 2012 als Regionalgesellschaft – zunächst für unseren Passivhausmarkt, der 2014 in Hannover-Roderbruch entstand. Nun haben wir in Nauen dessen Nachfolger eröffnet – einen Zukunftsmarkt, in dem wir eine Vielzahl der derzeit möglichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen in Bezug auf Baustoffe, Betrieb und Energieeffizienz umgesetzt haben, auch bezogen auf den CO2 -Ausstoß während der Errichtung des Gebäudes. Eines unserer Ziele ist es außerdem, zukünftig beim Betrieb der Gebäude komplett auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Bei Neubauten gelingt uns das schon seit einiger Zeit.
Als ‚besonders‘ bezeichnen Sie in Braunschweig die Bauweise, Märkte in Holzbauweise gibt es aber bereits: Was unterscheidet die Konstruktion dort von anderen Märkten dieser Art?
Balon: Ein Vorteil der Holzbauweise ist üblicherweise der hohe Vorfertigungsgrad: Wände, Decken und Dachelemente werden fertig zur Baustelle geliefert und dann zügig montiert. Bei unserem Projekt in Lamme wird eine Massivbauweise fast 1:1 durch Holzbausteine kompensiert. Trotz der fehlenden Vorfertigung soll die Bauweise aber genauso schnell vorangehen wie sonstige Holzbauweisen. Die Montage der Holzbausteine und der kraftschlüssige Verbund mit Buchendübeln gehen einfach viel schneller als das Bauen mit Steinen, Mörtel und Beton. Vorteil dieser Variante im Vergleich zu anderen Holzbauweisen ist außerdem ihre Flexibilität: Auch auf der Baustelle sind noch Änderungen möglich. So lassen sich zum Beispiel nachträglich bei Bedarf Öffnungen in die Wände schneiden.
Anderen Holzbauweisen geht eine intensive Planungsphase voraus, die wenig Veränderung am geplanten Gebäude zulässt. Wo kommt außerdem Holz zum Einsatz?
Balon: In Braunschweig und in Nauen wird die komplette Dachkonstruktion in Holz errichtet. Trapezbleche werden durch alternative Holzbaukonstruktionen kompensiert. Damit werden die Objekte in Braunschweig und Nauen oberhalb der Bodenplatte komplett in Holz errichtet. Das beeinflusst die Haustechnik: Installationen, die sonst versteckt unterputz ausgeführt werden, müssen jetzt sichtbar aufputz ausgeführt werden. Damit das akzeptabel aussieht, muss man sich frühzeitig mit der Trassenführung der Haustechnik und den Durchbrüchen in der Holzkonstruktion auseinandersetzen.
Gottlewski: Wichtig ist uns der Kreislaufgrundsatz. Eine Triqbriq-Konstruktion lässt sich theoretisch jederzeit wieder auf- und abbauen. Dieses Bauverfahren wurde bisher nur bei einem Familienhaus in Frankfurt angewendet. Wir sind also die Ersten, die einen Gewerbebau nach diesem Baukastenprinzip errichten. Es ist wie Lego für Erwachsene, mit diesen Bausteinen zu arbeiten. Mindestens der Rohbau ist komplett rückbaufähig, das ist in dieser Form ein Novum.
Wo ist die Wirtschaftlichkeit für solche Investitionen gegeben?
Gottlewski: Aus dem Passivhausmarkt in Hannover konnten wir einige Standards ableiten, die wir bereits an anderen Standorten realisieren. Die Investitionen fallen natürlich deutlich höher als bei einem Standardmarkt aus. Die neue Bauweise in Braunschweig – wie auch in Nauen – ist schlichtweg noch zu teuer, um sie zu multiplizieren, aber wir sammeln wichtige Erkenntnisse, die in kommende Bauprojekte einfließen werden.
Abgesehen von den finanziellen Mitteln: Welche Voraussetzungen muss ein Standort für dieses Bauverfahren bieten?
Gottlewski: Sowohl in Braunschweig als auch Nauen handelt es sich um eingeschossige Gebäude, das ist relativ einfach umsetzbar. In hochverdichteten Innenstadtbereichen kommen andere Fragestellungen auf. Dort fordern die Behörden in der Regel eine mehrstöckige Bebauung, dann folgen unter anderem Brandschutzanforderungen und dabei wird es gerade in Bezug auf eine Holzbauweise komplexer.
Welche Regularien gilt es bei der Umsetzung zu beachten und welche Herausforderungen, aber auch Learnings haben sich in Braunschweig bereits ergeben?
Balon: Innovationsprojekte bedürfen eines hohen Planungsaufwands. Zunächst gilt es, alle Projektpartner von einer Idee zu überzeugen. Für den Baustoffhersteller Triqbriq war es außerdem das erste Projekt dieser Größenordnung, was er realisiert, aber auch Themen wie die bereits erwähnten Brandschutzforderungen sind herausfordernd. Die Holzbauweise ist in Deutschland leider noch nicht so etabliert wie in anderen Ländern. Insbesondere Behörden sind sich im Genehmigungsprozess oft noch unsicher. Bei einer Holzbauweise ist darauf zu achten, dass während des Transports und der Realisierung keine Feuchtigkeit in das konstruktive System gerät, damit das Holz trocken bleibt. Da müssen die ausführenden Unternehmen an einigen Stellen umdenken.
Apropos Materialien: Wie viele nicht-recycelbare Materialien kommen in Braunschweig-Lamme noch zum Einsatz und wo können Sie CO2 einsparen?
Gottlewski: Für das Bauprojekt in Nauen haben wir eine Ökobilanz erstellen lassen, in Braunschweig-Lamme sind wir noch nicht so weit, weil wir diesen Markt ursprünglich als Standardmarkt geplant und uns kurzfristig für die innovative Bauweise entschieden haben. Die bei der Gebäudeerrichtung erzielten CO2-Einsparungen von 50 Prozent ergeben sich hauptsächlich durch die Verwendung von Holz als Baustoff. Wenn der Holzbaustoff dann auch noch einfach wiederverwendbar ist, umso besser und günstiger für die CO2-Bilanz.
Im Betrieb verbessern beispielsweise die Photovoltaikanlagen, der hohe Dämmstandard und die Abwärmenutzung aus der Kälteanlage die Energieeffizienz unserer Gebäude. In Nauen testen wir außerdem das erste Mal die Regenwassernutzung für Zapfstellen ohne Hygieneanforderungen wie die Toilettenspülungen, den Wasseranschluss für die Boden-Reinigungsmaschine und Außenzapfstellen. Dort verbauen wir auch erstmals im Neubau einen Batteriespeicher. Allerdings benötigen wir weiterhin Elektrokabel mit einer Kunststoffummantelung. Kupfer verursacht CO2 in der Herstellung, dafür gibt es noch keine geeigneten Alternativen. Das Gleiche trifft auf erdberührte Bauteile zu. Hier kann man aktuell nur mit Beton arbeiten.
Alternative Gründungsmaßnahmen sind in der Erforschung, haben aber noch keine Anwendungsreife für Gewerbe- und Industriebauten. Das betrifft auch Abdichtungen gegen Wasser und Feuchtigkeit. Hier müssen kunststoffbasierte Baustoffe verwendet werden.