„Die energetische Transformation ist kein ‚Nice-to-have‘“, heißt es in der Asset-Management-Studie 2023 aus dem Hause EY Real Estate. Die Dringlichkeit des Themas sei bei den Vermögensverwaltern angekommen. Ohnehin steht der Gebäudesektor vor dem Hintergrund, dass er in Deutschland für etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist, unter besonderer Beobachtung. Handlungsbedarf ergibt sich vor allem durch die Taxonomie-Verordnung der EU. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist auch der Immobiliensektor angehalten, ESG-Kriterien zu integrieren – hier spielen vor allem das „E“ (für Environmental) und somit Umweltaspekte eine Rolle. Welche Schlüsselrolle Asset Managern zukommt, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben und wieso es sich dennoch empfiehlt, das Thema besser heute als morgen anzupacken, verraten Christina Angermeier, Anna Schümann und Dirk Rathlev von EY Real Estate.
Wie hoch ist der Druck, der sich durch die EU-Vorgaben für die Branche ergibt?
Anna Schümann: Es ist nicht so, dass plötzlich sämtliche Marktakteure in die Ertüchtigung ihrer Immobilien investieren. Dafür sind die Bau- und Finanzierungskosten zuletzt zu sehr gestiegen. Zudem befinden sich die Mindeststandards für die Energieeffizienz von Bestandsgebäuden noch „im Fluss“. EU-Vorgaben müssen in die nationale Gesetzgebung gegossen werden. Klar ist: Durch die EU-Taxonomie ergibt sich der Druck, den energetischen Ist-Zustand einer Immobilie offenzulegen und ESG-konformes Handeln nachzuweisen. Allerdings: Realwirtschaftlich gesehen ist der Druck noch nicht allzu hoch. Auch, weil nur stellenweise regulatorische Konsequenzen zu erwarten sind.
Durch die EU-Taxonomie ergibt sich der Druck, den energetischen Ist-Zustand einer Immobilie offenzulegen.
Anna SchümannAngenommen, ich mache mir keine Gedanken, spüre ich das auf dem Transaktionsmarkt?
Anna Schümann: Natürlich gibt es eine Marktresonanz. Wenn Sie heute eine Immobilie veräußern möchten, schaut sich die Käuferseite die energetische Qualität sehr genau an. Ist die Performance eines Gebäudes nicht mit den 1,5-Grad-Zielen der EU kompatibel, finden sich im Zweifel weniger Käufer. Schaffen Sie es nicht, einen nachhaltigen Weg für Ihre Immobilie aufzuzeigen, gilt diese als ein „stranded asset“.
Was sich kaum ein Vermögensverwalter erlauben möchte …
Christina Angermeier: Wir stellen in Auswahlprozessen fest, dass die großen Kapitalsammelstellen genau hinschauen, wem sie ihr Portfolio anvertrauen. Gibt es ein Team, das sich in ESG-Fragen auskennt? Welche Referenzprojekte energetischer Transformation hat es umgesetzt? Weise ich als Asset Manager nicht nach, dass ich das Thema überblicke, kann es sein, dass ich bei einer Auswahl nicht zum Zuge komme.
Die Mehrheit der Manager ist an dem ESG-Thema dran und macht ihre Hausaufgaben.
Christina AngermeierIn Ihrer letztjährigen Studie stellten Sie fest, dass nur ein Drittel der Befragten plant, in den Ausbau von ESG-Teams zu investieren. Wie passt das zusammen?
Christina Angermeier: Viele Asset Manager haben mittlerweile mindestens ein bis zwei Personen an Bord, um intern über die strategische Kompetenz zu verfügen. Geht es um die Umsetzung von Maßnahmen oder auch die Datenerfassung, holen sich Investoren oft externe Unterstützung hinzu. Auch das zeigt Ihre Studie: Nur die Hälfte der Befragten kennt den CO2-Abdruck ihres Portfolios. Wieso tun sich Asset Manager schwer, die energetischen Kennzahlen zu ermitteln?
Dirk Rathlev: Wir sehen im Wesentlichen drei Herausforderungen. Zum einen die Frage: Wo liegen die Daten? Ein einfaches Beispiel: Der Strombezug ist Sache der Mieter. Sie müssen erstmal einen Zugriff auf diese und andere Daten erhalten. Der lässt sich über „grüne Klauseln“ in den Mietverträgen vereinbaren, muss in bestehenden Verhältnissen jedoch erstmal ausgelotet werden.
Für die Mehrheit ist das Thema ESG noch immer ein Dickicht.
Dirk RathlevHeißt: Habe ich mehrere Mieter, wird’s schnell kleinteilig?
Dirk Rathlev: Das kann in der Tat sehr aufwändig sein, vor allem, wenn Sie dies manuell bewerkstelligen wollen. Wir haben es in der Branche mitunter mit kleinen Unternehmen, Family Offices, zu tun, die kaum eine Software einsetzen. Und selbst in manch größerem Haus ist das PDF noch das einzig digitale Medium.
Und drittens?
Dirk Rathlev: Wenn sie in der Lage sind, Zahlen zu ermitteln – dann ist vielen Managern nicht klar, welche Daten sie wozu erheben sollen. Eine EY-Umfrage im Frühjahr ergab: Nur sieben Prozent der Asset Manager fühlen sich mit der jetzigen Regulatorik wohl. Für die Mehrheit ist das Thema ESG noch immer ein Dickicht. Kein Vorwurf: Allein das Hauptwerk zur EU-Taxonomie umfasst 1.200 Seiten.
Gibt es denn etwas, woran sich Asset Manager und Eigentümer orientieren können?
Anna Schümann: Es gibt das so genannte CRREM-Tool (Carbon Risk Real Estate Manager, Anm. d. Red.). Das ist regulatorisch nicht verpflichtend, aber gewissermaßen Standard in der Branche, um anhand des Pfades zu definieren, ob der Zustand eines Gebäudes mit den aktuellen Nachhaltigkeitszielen der EU vereinbar ist und ab wann es mehr Energie verbraucht, als es der Zielwert erlaubt. So weiß ich, wie dringend der Handlungsbedarf ist. In der konkreten Umsetzung kommt es darauf an, die individuellen Stellhebel eines Gebäudes zu kennen, weswegen viele letztlich Beratung suchen.
Wie bewerten Sie das Bemühen der Branche insgesamt?
Christina Angermeier: Die Mehrheit der Manager ist an dem ESG-Thema dran und macht seine Hausaufgaben. Ein großer Anteil allerdings beschäftigt sich jedoch weniger mit der Nachhaltigkeits-Performance ihres Portfolios. Wie gesagt: Noch mag das keine regulatorischen Folgen haben. Doch Auswirkungen machen sich bereits bemerkbar. Der Büromarkt spürt sie gerade besonders: Dort sind Gebäude, die energetisch schlecht performen, sehr schlecht vermietbar.