Es gebe keinen Grund, nicht auf Mixed-Use zu setzen, sagt Benjamin Schrödl, Partner bei PwC. Als Bereichsleiter M&A Real Estate und Mitautor der Machbarkeitsstudie „Die Zukunft deutscher Innenstädte“ weiß er: Der Wille, ehemalige Ein-Mieter-Objekte in eine Mischnutzung zu überführen, ist häufig vorhanden. Doch der Weg zur Umsetzung ist mitunter lang, da verschiedene Faktoren die Entwicklung bremsen können. Er ist jedoch überzeugt, dass Eigentümer einer möglichen Abwärtsspirale trotzen können.
Wird über die Rettung von Innenstädten sinniert, werden Mixed-Use-Konzepte als „Zukunftsmodelle“ gepriesen …
Statt von einem ‚Zukunftsmodell‘ möchte ich lieber von einer Rückbesinnung auf resilientere Nutzungsformen sprechen. Mixed-Use ist keine neue Erfindung der Immobilienwirtschaft, sondern die Urform des menschlichen Zusammenlebens in städtischen Agglomerationen. Handel, Wohnen, Verwaltung, Gewerbe, medizinische Versorgung – das alles hat sich in diesen Räumen wiedergefunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man hierzulande angefangen, bezogen auf Immobilien Single-Use einzuführen. Dafür gab es Gründe. Heute müssen wir uns aus der Mononutzung befreien.
Zuletzt ist das Investment-Volumen, auch im Bereich Mixed- Use, deutlich eingebrochen. Ist dies allein auf ein defensives Transaktionsgeschehen in Krisenzeiten zurückzuführen?
Wir leben in einer Zeitenwende. Kapitalseitig hat der Zinsanstieg den Markt massiv getroffen. Allerdings spielen weitere Faktoren eine Rolle: Mischnutzungen etwa sind mit Umbaukosten und planerischem Aufwand verbunden. Der Erfolg hingegen ist nicht an jedem Standort garantiert. Wenn Sie etwa der Erste sind, der Wohnungen in einer bislang vom Handel geprägten Innenstadt baut, dann wissen Sie nicht, ob Sie viele Menschen finden, die bereit sind, in dem neuen Quartier zu wohnen. Vor allem wenn Schulen, Kitas und andere Einrichtungen des alltäglichen Lebens noch fehlen.
Zudem fürchtet mancher Eigentümer Friktionen, wenn er durch unterschiedliche Nutzungen verschiedene Interessen bedenken muss. Bin ich bereit zu investieren, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Mieter einer Wohnung im Obergeschoss plötzlich gegen die morgendliche Anlieferung im Erdgeschoss klagt? Einer der größten Hemmschuhe für Mixed-Use-Ansätze aus meiner Sicht ist, dass die Kapitaltöpfe der Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, Banken etc. in der Regel zweckgebunden sind. Aktuell gibt es häufig nur sortenreine Investitionsvehikel, das heißt: einen Wohnfonds, einen Bürofonds, einen Fonds für Einzelhandel und so weiter. Doch bevor sich Investoren entschließen, einen Fonds für Mixed- Use bzw. Mischquartiere ins Leben zu rufen, wollen sie natürlich wissen: Funktioniert das Konzept konkret vor Ort? Das braucht Zeit und mutige Pioniere.
Warum lohnt es sich, trotzdem über Mixed-Use nachzudenken?
Weil es keinen Grund gibt, nicht darauf zu setzen. Eine mehrere Tausend qm große Fläche in der Innenstadt, in die Tiefe gebaut und mehrgeschossig, ist heutzutage meist unvermietbar. Wenn ich meine Immobilie so belasse, wie sie ist, habe ich keine Chance, überhaupt noch Miete in einer relevanten Größenordnung zu erwirtschaften.
Welche Nutzungen sollte ich als Eigentümer in Betracht ziehen?
Das kommt natürlich auf den Standort an, es gibt keine Patentrezepte. Damit Innenstädte profitieren, führt aus meiner Sicht kein Weg am Wohnen vorbei. Dieses bringt eine 24/7-Nutzung mit sich. Publikumsverkehr bringen außerdem Ärztehäuser – vor allem vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft – und öffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel Gerichte oder Arbeitsämter.
Galeria Karstadt Kaufhof hat im Frühjahr die Schließung von über 40 Filialen bekannt gegeben. Kommt damit zwangsläufig Zug in das Thema?
Viele Warenhauskonzepte haben nicht mehr wirtschaftlich funktioniert, zumal die Überlebensfähigkeit von großen stationären Mischwarenangeboten insbesondere durch den Boom des Onlinehandels überholt wurde. Aber: Die Lagen vieler Warenhäuser waren und sind herausragend. Dadurch haben sie eine Zukunft, die nun entwickelt werden muss. Doch auch hier braucht es Zeit. Allein das Bebauungsplanverfahren summiert sich schnell auf fünf oder gar zehn Jahre. Hier kann und sollte die Politik ansetzen. An Standorten, wo die Entwicklung zu lange dauert oder Ideen und Kapital fehlen, kann es zu einer fatalen Abwärtsspirale kommen.
Wie können Eigentümer diesem Negativszenario begegnen?
Salopp gesagt: Das Wichtigste ist, dass das Licht in meiner Immobilie an bleibt. Als Eigentümer sollte ich das Thema sofort angehen. Nicht abwarten, sondern den Markt sondieren, gegebenenfalls Interimsnutzungen forcieren.
Welche Nutzungen für den Übergang bieten sich an?
Logistiker suchen derzeit händeringend nach Flächen für die letzte Meile. Warenhäuser und deren Parkhäuser sind für die Lagerung gut geeignet: Es gibt hohe Decken und ausreichend Traglast, Lkw-Andienung etc. Als Eigentümer muss ich dann nicht groß umbauen. Doch meine Immobilie ist erst mal bewirtschaftet und ich kann mir über weitere Lösungen Gedanken machen.
Was raten Sie Eigentümern außerdem?
Früh den Kontakt zu den umliegenden Gewerbetreibenden, Anwohner:innen, aber auch der Stadt zu suchen: Welche Ideen kursieren? Welche Möglichkeiten gibt es im Bauplanungsrecht? Wenn ich mich mit Akteuren vor Ort austausche, nehme ich persönlich eine lebendige Handlungsbereitschaft wahr, denn alle wollen, dass sich die Situation wieder bessert. Diesen Antrieb sollte man nutzen.
Das Gespräch führte Patrick Torma.