In der aktuellen Befragung des EHI zur Handelsgastronomie stellt die Suche der Händler nach neuem Personal die größte Herausforderung dar. Entlastung von Mitarbeitenden und Straffung der Geschäftsprozesse können Händler hier durch den Einsatz von Robotik und KI erzielen und zugleich die Bedürfnisse und Erwartungen der Kund:innen besser erfüllen.
Backen nach Bedarf
Als „Bakisto“ auf der EuroShop seine Arbeit aufnimmt, werden die Handys gezückt: Der Marketingeffekt ist garantiert. „Bakisto“, eine gemeinsame Entwicklung von Wanzl, dem Backofenhersteller Wiesheu und dem Industrieroboterproduzent Fanuc, ist ein vollautomatischer Bake-off-Bereich für den Einsatz im
Lebensmitteleinzelhandel, der alle Arbeitsschritte von der Bestückung über das Backen bis zur Präsentation und Entnahme am Point of Sale integriert. Er soll die manuellen Eingriffe im Bake-off reduzieren und erfordert somit weniger Personaleinsatz, auch dank der intelligenten Bestandsmessung, die ein händisches Zählen und Abschreiben der Backwaren nach Ladenschluss nicht mehr notwendig macht.
Die KI-gesteuerte und bedarfsorientierte Backplanung soll die Out-of-Stock-Situationen und gleichzeitig die Lebensmittelverschwendung signifikant reduzieren. Das System wurde im Rahmen der EuroShop erstmals vorgestellt und ist auf der Fläche aktuell noch nicht im Einsatz.
Kochen und servieren
Goodbytz hat eine modulare Roboterküche entwickelt, die sich nach Herstellerangaben auch für den Einsatz im Lebensmitteleinzelhandel eignet. Die Idee dahinter: Der Roboter produziert zentral verschiedene Salate oder kalte Bowls, die dann an die umliegenden Märkte ausgeliefert werden. Das Unternehmen hat dafür seit Sommer 2022 eine eigene Ghost Kitchen in Betrieb, die bis zu 300 Essen am Tag produziert. In der Spitze sollen bis zu 3.000 Mahlzeiten am Tag mit Unterstützung einer Person möglich sein.
Der Einsatz des Roboters soll sich bereits ab 150 Speisen mit einem Durchschnittsbon von zehn bis elf Euro lohnen. Service-Roboter können eine Vielzahl von Routineaufgaben übernehmen und dabei dem Personal Laufwege und Traglast abnehmen. Dazu gehören das Servieren von Speisen und Getränken, das Abräumen des Geschirrs oder auch Promotion-Maßnahmen auf der Verkaufsfläche. Die Mitarbeitenden haben mehr Zeit für den Kundenservice und die Interaktion mit den Gästen. Damit sich die Roboter selbstständig und unfallfrei bewegen können, sollte der Boden möglichst keine Kanten, Rillen oder Leisten haben und Durchgangstüren am besten offenstehen bzw. automatisch öffnen.
Eine Investition lohnt sich, wenn die Wege auf der Fläche weit sind, viel Frequenz herrscht und der Einsatz eine sinnvolle Entlastung des Personals ermöglicht. Keenon Robotics hat inzwischen weltweit 30.000 Roboter in über 60 Länder verkauft. Die Produkte von Pudu Robotics (u. a. „BellaBot“ und „KettyBot“) werden von verschiedenen Partnern wie Giobotics oder Almex in Deutschland vertrieben. Die United Robotics Group hat auf der Internorga „Plato“ vorgestellt: einen Service-Cobot – ein mit Menschen gemeinsam arbeitender Roboter –, der in Europa entwickelt wurde und produziert wird.
Intelligent planen
Selbstlernende Software-Lösungen, wie beispielsweise von Sell & Pick, sind in der Lage, mit sehr hohen Wahrscheinlichkeiten die Umsätze bzw. Abverkaufsmengen für einzelne Produkte oder Bereiche anhand historischer und tagesaktueller Daten für vorgegebene Zeiträume zu prognostizieren. Dafür kommen z. B. Daten aus den Kassen- und Warenwirtschaftssystemen sowie Informationen über Feiertage, Wetterprognosen, Ferien oder Events zum Einsatz. Bestellmengen können dank der Vorhersagen optimiert und Warenverluste bzw. Lebensmittelverschwendung reduziert werden.
Einige Software-Lösungen gehen einen Schritt weiter und erstellen vollautomatisch bedarfsorientierte Dienstpläne, so auch die von Nesto. Sie prognostiziert Umsätze für die folgenden vier Wochen präzise auf Stundenbasis, errechnet den Arbeitsaufwand nach einzelnen Stationen und verteilt die Mitarbeitenden entsprechend ihren Wünschen binnen 20-45 Sekunden auf die einzelnen Schichten.
Automaten 2.0
Neue Generationen von Verkaufsautomaten, die auch für Convenience-Produkte zum Mitnehmen geeignet sind, optimieren Self-Service sowie Unattended-Angebote und bieten der Kundschaft mehr Flexibilität und Bequemlichkeit beim Einkauf.
Ein Beispiel ist der „Smoothr CoolR“: Ein KI-basiertes Kamerasystem ersetzt hier die klassische Auswahl- und Ausgabetechnik und eine moderne One-Tap-Payment-Lösung macht den Bezahlvorgang zum Hintergrundprozess. Kund:innen autorisieren den Kauf vorab durch einmaliges Vorhalten einer Karte oder Mobile Wallet, öffnen das Gerät und entnehmen ihr Wunschprodukt.
Diskret verbaute Kameras tracken die Waren, die entnommen oder zurückgestellt werden, und mit Schließen der Tür sind Kauf und Bezahlung automatisch abgeschlossen.
EHI-Session
KI und Robotik in der Handelsgastronomie: 15. Juni 2023, 10 Uhr, online
Neue Anwendungen und Produkte – organisiert durch Robotik, Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Automatisierung – sind auf dem Vormarsch, bieten Lösungen für die Herausforderungen von Handel und Gastronomie und damit auch für Kund:innen und Gäste. Die digitale Session präsentiert innovative Anwendungen, wie sie funktionieren und wie hoch Nutzen und Investment sind.
Kontakt zwecks Teilnahme: Paulina Ullrich, ullrich@ehi.org, T. +49 221 57993-692