„Retail wird zum Allrounder, zum weltweit größten Versorger, der sich nicht nur im Lebensmittelbereich gut aus- kennt, sondern Welten vereint“, erklärt Salvatore Russo, Geschäftsführer des Gewerbeofenproduzenten Unox. Voraussetzung für die Belebung der Flächen, Erzeugen von Wohlfühlatmosphäre und Kaufanreiz ist ein Foodservice, der mit passender Gastrotechnik ausgestattet ist sowie ein auf Standort, Marktbetreiber und Kundschaft zugeschnittenes und modernes Konzept. Shop-in-Shop-Konzepte wie Eat Happy oder Dean & David erobern die Retail-Flächen. Foodcourts mit Marktplatz-Feeling bieten Spezialitäten und heiße Snacks.
Markt- hallen in City-Lage werden zu Treffpunkten, und wer es eilig hat, bedient sich im Supermarkt an der heißen Theke. Die veränderten Konsumvorlieben spiegeln sich im Angebots-Portfolio, welches sich durch die neue Generation des Foodservice-Equipments einfacher und schneller auf wechselnde Anforderungen von Kund:innen und Personalsituation abstimmen lässt. „Durch die Systemrelevanz hat die Handelsgastronomie einen riesigen Vorteil“, weiß Andreas Schäfer von Ideal AKE. Die Pandemie hat gezeigt, dass der LEH die Krise dazu nutzen konnte, neue Geschäftsmodelle im Foodservice erfolgreich einzubinden und Marktanteile zu gewinnen. Auch immer mehr Retailer in ländlichen Regionen erkennen hier Potenzial.
Digital First
„Ein großer Trend im Handel ist die voran- schreitende Automatisierung und Digitalisierung sowie das Thema Home Delivery“, betont Sabine Petermann von der Debag. Andrea Bailey-Keil von Welbilt ist sicher: „Kund:in- nen erwarten gleichbleibend hohe Qualität, die nur durch standardisierte Herstellungsprozesse erreicht werden kann. Innovative Assistenzsysteme, Künstliche Intelligenz und modernste Sensorik gehören da dazu.
Neue und fachfremde Mitarbeitende können mittels dieser Technologien schnell geschult werden und Ergebnissicherheit erzielen.“ „Den Handel interessieren komplette Lösungen, wenn es um die Implementierung gastronomischer Kompetenzen im Markt geht“, sagt Birk Töpfer von Rational. „Fachkräftemangel, steigende Energiekosten und sinkende Konsumbereitschaft seitens der Verbraucher:innen können durch die Wahl der richtigen Küchentechnik und eines klar definierten Speisenangebotes kompensiert werden.“
Nachhaltig durch Technik
In der Handelsgastronomie sind energiesparende Geräte gefragt. „Umweltfreundliche Kältemittel wie Propan und CO2 sind ein Beitrag, die negativen Auswirkungen auf den Klimawandel zu begrenzen. Intelligente Technik sowie eine bestmögliche Digitalisierung und Vernetzung sind Eckpfeiler für ein effizientes Energie- und Ressourcenmanagement. Dem Personalmangel in der Gastronomie kann dank innovativer Technik mit automatisierten Ausgabebereichen oder auch mit Unterstützung durch Robotik begegnet werden“, sagt Stefan Rakers von Hagola. Was die Realisierung neuer gastronomischer Konzepte im Retail betrifft, rät Ralph Debes von Beer Grill zu mehr Mut, altbekannte Pfade zu verlassen.
Die „GreenVac“-Technik ermöglicht durch Erzeugung eines Vakuums eine längere Frische am POSDer Blick auf internationale Märkte zeige, wie dynamisch Handelsgastronomie sein könne: „Es gibt bereits fertig einsetzbare Konzepte, die in anderen Ländern erfolgreich laufen.“ Gastrokonzepte sollten für Retail-Mitarbeitende realisierbar sein und auf kleinstem Raum Umsatz bringen. Birk Töpfer: „Der Trend geht hin zu intelligenter Küchentechnik, die kosten- günstige Herstellung hoher Speisenqualität auch ohne Fachkenntnisse ermöglicht. Dank digitaler Vernetzung der Kochsysteme sind die Prozesse zentral gesteuert an aktuelle Trends anpassbar.“
Aus einer Hand
„Der Gast entscheidet sich, wenn er das Produkt sieht“, sagt Andreas Schäfer, AKE. Sein Haus erarbeitet Lösungen von der Lagerung bis zum POS. Auf der EuroShop zeigt das Unternehmen den Prozess der „Rollieren- den Frische“ und gibt Inspiration fürs Business. „Es geht um neue Produktionsprozesse. Um Finishing-Geräte. Es geht darum, wirtschaftlich zu arbeiten, was Faktoren wie Personal und Energie betrifft, aber auch darum, die Zielgruppe besser anzusprechen.“
Stellschrauben seien Öffnungszeiten, Angebot, Wareneinsatz, Lagerkapazität, kleinere Gastroflächen und Counter, die individuell geöffnet werden können. „Zukunftsweisende Steuerungstechnik und die Möglichkeit, die kältetechnischen Funktionen online zu überwachen, sind entscheidende Kriterien“, betont Stefan Rakers. Der Fokus liegt auf Energieeffizienz und leichter Reinigung. Individuelle Kühlmöbel und Frischetheken für den Bedienbereich werden in Kooperation mit dem Handel verwirklicht, wobei auch Shop-in-Shop-Konzepte eine große Rolle spielen.
SB-Flaschenausgaben für die Vorkassenzone, kleine Shop-Konzepte und SB-Speisenausgabestrecken schaffen Zusatzgeschäft. Weinklimaschränke sowie Show-Gärschränke für Teig sind Möglichkeiten, im Markt Kaufanreize zu bieten. „Der Handel braucht multifunktionale Geräte, die Kochen, Braten, Frittieren, Grillen, und Backen in einem Gerät. Cook & Chill – d. h. Standards zentral produzieren und de- zentral verkaufen, etwa durch eigene Convenience-Linien für die Kalttheke – hat Potenzial. Im Trend liegen kleine Portionen, die einhändig mit einer Gabel essbar sind – etwa in einer Bowl“, weiß Birk Töpfer.
Sparsam und hygienisch
Die Reduzierung des Energieverbrauchs ist in der energieintensiven Backbranche „das“ Thema. Dazu Ralf Stark vom Backanlagenbauer MIWE : „Mit verfeinerter Temperaturregelung und überarbeitetem Beschwadungs-System tragen unsere Geräte zum Energiesparen bei. Kürzere Backzeiten, Verringerung der Temperatur, bessere Isolierungen und LED-Beleuchtung helfen ebenso.“ Der Strukturwandel im Backhandwerk sei spürbar: „Betriebe müssen einen Weg finden, die Nachfrage mit so wenig Personal und so Verbrauch wie möglich zu decken“, erklärt Salvatore Russo von Unox. Gefragt sind zweckmäßige Geräte für den Frontbereich, die schnell, effizient und optisch klar gestaltet sind.
Professionelle Allrounder-Backöfen funktionieren auch dann, wenn kein Fachpersonal zur Verfügung steht. Russo sagt: „KI überwacht jeden Backprozess aktiv und kontinuierlich und führt einzelne Parameter automatisch durch oder korrigiert diese gegebenenfalls. Cloudbasierte Technologien wie Data Driven Cooking (DDC) erlauben es, die Geräte von überall und zu jeder Zeit zu steuern.“ Julia Rümmele-Hauser vom Industriebackofenhersteller Wiesheu sieht Kombigeräte mit weniger als einem qm Raumbedarf und nur 230 V mit automatischer Programmanwahl als besonders geeignet.
Öfen der „Bakertop“-Reihe von Unox werden nur einmal am Tag zur betriebsbereiten Temperatur aufgeheizt um im Standby ohne Verlust des Wärmestroms auf den nächsten Einsatz zu wartenMit Steuerung ohne Sprache punkten diese bei Schwierigkeiten in der Mitarbeiterbeschaffung. Wenn es um gewerbliches Geschirrspülen geht, stehen die seit 1. Januar gesetzlich verankerte Mehrwegangebotspflicht und die damit verbundenen Herausforderungen in Logistik und Hygiene im Fokus. „Wiederverwenden ist ein internationales Thema“, sagt David Reinhart von Hobart. Der Gewerbespülmaschinenhersteller hat Spül- und Trocknungslösungen plus Zubehör entwickelt, mit dem Behältnisse aus Kunststoff anwenderfreundlich gereinigt werden können.
Dabei spielt vor allem die vollständige Trocknung der Produkte eine Rolle, damit sich bei der Lagerung keine Keime ausbreiten. Ein Single Cup Washer, mit dem Kund:innen ihre Becher vor dem Befüllen im Markt selbst hygienisch spülen können, soll in Kürze zur Marktreife gebracht werden.
Plug & Play
Urs Bischof von Ubert Gastrotechnik stellt im Ganzen den Trend zu Modularität und Flexibilität fest. „Das Bühnenbild, die hochwertige Präsentation, muss veränderbar sein. Marken-Shops sind Dauerbrenner, doch gerade die Eigen-Convenience-Bühne bietet Potenzial. Hier kann ich mit modularer Technik saisonal arbeiten und überraschen. Zur EuroShop bringt Ubert Geräte für die Rotisserie mit, aber auch Verkaufs- und Präsentationstheken für kalte und warme Speisen.
Vitrine für warme und kalte Speisen in einem Centra-Supermarkt (Musgrave Group) in Irland. Dank rahmenloser Konstruktion der Frontseite ist diese filigran und Produkte kommen gut zur GeltungFürs Frontcooking hat die Firma eine Linie, die auf einer Verkaufstheke flexibel und ergonomisch eingesetzt werden kann. Auch Salvis Gastroküchen und Beer Grill zeigen modulare Koch- und Präsentationseinheiten für abwechslungsreiche Snack-Angebote und bieten Komplettlösungen. „Mit der Speisenausgabe- vitrine ,Vulcano‘ hat der Retailer die Möglichkeit, sein An- gebot rund um die Uhr den wechselnden Konsumbedürfnissen seiner Kundschaft anzupassen“, erklärt Ralph Debes von Beer Grill. Angesagt ist gesundes Snacking.
„Es gilt, die Haltbarkeit zu verlängern“, sagt Thomas Sandor von Salvis. „Mit Vakuumiertechniken wie ,GreenVac‘ lassen sich Logistikkosten sparen, da der Markt nur einmal die Woche mit zu 80 Prozent vorgegarten Frischekomponenten von einer Zentralküche beliefert werden muss anstatt alle drei Tage.“ Doch was ist nun das „richtige“ Gastro-Konzept? Urs Bischof: „Es gibt nicht schwarz oder weiß. Ein erfolgreicher Händler wird beides haben: die Entwicklung mit Shop-in-Shop-Konzepten, denn man muss Marken als Frequenztreiber in den Markt holen. Und eigene Convenience-Produkte, um sein Profil zu schärfen.“
Andreas Schäfer betont: „In Zukunft wird der Retailer immer mehr Convenience im eigenen Markt herstellen. Der kleine Händler braucht keine Küche, sondern eine Finishing-Station, wo er Obst, Salate und Gemüse in Form bringt und Hot-Snack-Produkte macht. Im Sinne von No-Waste können hier Produkte aus dem Markt verwertet werden.
Foodtrends erobern die Handelsgastronomie
Der Handel punktet bei seiner Kundschaft mit Trendspeisen und reagiert damit schnell auf die sich ändernden Konsumgewohnheiten. Mehr als ein Drittel der Umsätze in der Handelsgastronomie gehen mittlerweile auf Sushi und Co. zurück. Auch Mehrwegverpackungen sind im Kommen. Das sind weitere Ergebnisse der aktuellen EHI-Studie „Handelsgastronomie in Deutschland 2022“.
Interview: Der Handel braucht authentische Gastro-Konzepte
Worin bestehen aus Händlersicht erfolgreiche Konzepte für gastronomische Angebote im Lebensmitteleinzelhandel, welche Technik ist sinnvoll und welche Rolle spielen externe Dienstleister? Ein Gespräch mit Frank Ebrecht, Geschäftsführer von Edeka Niemerszein in Hamburg.