Um diese Frage zu beantworten, muss man sich mit den wichtigsten Trends in beiden Branchen beschäftigen: dem Handel und der Gastronomie – Bereiche, in denen Menschen einen sehr großen Teil ihrer freien Zeit verbringen, von der sie gefühlt immer weniger zur Verfügung haben, obschon die Wochenarbeitszeit im Mittel weiter sinkt. Mehr Technologie und vielfältige Optionen bedingen eine „Verdichtung“ des Alltags, die vom Grundgefühl des Einzelnen verstärkt wird, stets das Beste aus dem eigenen Leben machen zu wollen. Eigenoptimierung, gepaart mit Selbstdarstellung auf allen Kanälen bestimmen die Zehnerjahre.
In den letzten Monaten aber konnte man erleben, dass sich die Art und Weise der Selbstdarstellung verändert. Aus dem bisherigen Höher-schneller- weiter ist jetzt der Versuch geworden, das eigene Leben tatsächlich nach den eigenen Bedürfnissen auszurichten. Und das beinhaltet dann vielleicht ein Langsamer-weniger-bewusster. Das persönliche Optimum ist nicht mehr automatisch das erreichbare Maximum.
2060 leben zwei Drittel aller Menschen
in der Stadt.
Branchentrend 1: Healthstyle Shopping
Als erstes haben darauf die alten Treiber der Selbstoptimierungsidee reagiert. Die Hersteller von Tracking-Tools und gesundheitlichen Messgeräten haben bereits nachgerüstet und bieten nun Geräte an, mit denen der Einzelne auch messen kann, wie gut und wie lange er geschlafen hat oder wie achtsam er mit seinem Leben umgeht. Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit bereichern unsere Gesellschaft. Auch Handel und Gastronomie greifen diese Trends verstärkt auf.
Da wurde eine ganze Etage bei Saks Fifth Avenue in New York leergeräumt, um Platz für „Saks Wellery“ zu machen, ein ganzheitliches Sport- und Wellness-Angebot. Aus Japan kommt die Idee eines Schlaf-Cafés. Hier dürfen Frauen sich in der Mittagspause für den Power-Nap zusammenrollen. Ein Schminktisch und eine Café-Bar runden das Angebot „for women only“ ab. Und bei Harrods in London gibt es seit Kurzem eine „Wellness Clinic“. 14 Behandlungsräume für kosmetische und entspannende Behandlungen im streng getakteten Tagesablauf. Was hier noch fehlt, ist ein eigenes gastronomisches Angebot dazu.
Branchentrend 2: Community City
Urbanisierung ist ein Megatrend. Bis 2060 wird den Prognosen zufolge die Zahl der Stadtbewohner weltweit auf mehr als zwei Drittel anwachsen. Diese Menschen werden in der Stadt leben, arbeiten, einkaufen, essen, ihre Freizeit verbringen. Handel und Gastronomie können dazu beitragen, das Miteinander der Menschen in der Stadt so angenehm wie möglich zu machen, durch Mischkonzepte etwa wie das Amsterdamer Hotel Zoku, das seinen Frühstücksraum die meiste Zeit des Tages zum Co-Working-Space umfunktioniert und Wert darauf legt, dass sich die Gäste wie Nachbarn und nicht wie Gäste fühlen, so auch der Hinweis auf der Zimmerkarte.
Oder mithilfe eines Netzwerks wie Spacious. Das New Yorker Start-up vermittelt seine nomadisch arbeitenden Mitglieder an diverse Restaurants in der Stadt, die ihre Räume vor den eigentlichen Betriebszeiten als Working Space den Co-Workern zur Verfügung stellen – von denen dann nach Feierabend vielleicht einer seinen Tisch zum Abendessen reserviert.
Branchentrend 3: Green to be seen
Laut UN-Bericht lautet die zentrale Frage, die über das Gelingen von Globalisierung und Urbanisierung entscheidet: Werden wir es schaffen, die Natur in die Stadt zu integrieren? Antworten darauf gibt zum Beispiel der Vapiano-Gründer Mark Korzilius mit seinem Start-up Farmers Cut. Hier wird das sogenannte Vertical Farming betrieben. Es werden zum Beispiel Produkte an Restaurants geliefert, die es ihren Gästen so ermöglichen, den eigenen Salat frisch selbst zu ernten.
Ähnlich das Konzept, das bei Albert Heijn in den Niederlanden realisiert wurde. Hier gibt es in manchen Obst- und Gemüseabteilungen neuerdings einen Extra-Raum, in dem die Kunden Kräuter selbst ernten können, um sie dann tagesfrisch zu Hause zu verarbeiten.
Branchentrend 4: High-Tech – High-Touch
Die Voraussetzung für die gesamte Organisation dieser neuen Netzwerk-Ökonomie bildet selbstverständlich die Digitalisierung. Sie war Grundvoraussetzung für den Beginn dieses neuen Zeitalters, in dem sich die ganze Welt in einem smarten Telefon wiederfindet und praktisch alles in Echtzeit geschieht. In den nächsten Jahren werden wir erleben, dass die erfolgreichsten digital gestützten Konzepte auch im Bereich Handel und Gastronomie die sein werden, die vom Menschen her gedacht werden.
High-Tech und High-Touch im realen Erleben müssen zusammenkommen. Erfolgreiche Handelsgastronomie der Zukunft sollte die Bedürfnisse der Kunden sehr genau kennen und daraus neue Trend-Konzepte formen. Die Verbindung von High-Tech und High-Touch impliziert auch: Wenn Location-based-Services bedeuten, dass dem Kunden zum richtigen Zeitpunkt auf dezente Art und Weise etwas angeboten wird, was er sich tatsächlich gerade wünscht, wenn Social Bots die grundlegenden Fragen beantworten, aber für jedes komplexere Problem ein menschlicher Servicemitarbeiter da ist, wenn E-Commerce und stationärer Handel sich sinnvoll ergänzen und wenn Handel und Gastronomie dabei so zusammengehen, dass die Kombination stimmig ist – dann ergibt die vielbeschworene Multichannel-Handelslandschaft der Zukunft einen Sinn.
Und dann ist es auch zweitrangig, ob es sich dabei um einen Konsumtempel mit Top-Restaurant, eine kleine Boutique mit gemütlicher Kaffee-Bar oder um einen funktionalen Shop mit einem „Fast-Good-Lokal“ handelt. Die erfolgreichsten Konzepte im Bereich der Handelsgastronomie werden die sein, mit denen die Verantwortlichen die Trends und Werte aufgreifen, für die sie selbst stehen, und die zugleich zu ihrem Standort und zu den wirklichen Bedürfnissen ihrer Kunden passen.
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