Immer mehr Händler eröffnen gastronomische Flächen. Was sind die Schlüssel zum Erfolg?
Punkt eins: das Business ernst nehmen und mit ausgeprägter Neugierde, Leidenschaft und viel Liebe zum Detail betreiben. Wir stellen immer wieder fest, dass Branchenfremde die Gastronomie unterschätzen. Die Botschaft, die der Spruch „Wer nichts wird, wird Wirt“ vermittelt, ist definitiv falsch – ein Irrglaube, der viel Lehrgeld kosten kann. Punkt zwei: ein uniques Konzept mit hohem Storytelling-Potenzial entwickeln, das überrascht, begeistert und zum Sortiment beziehungsweise der eigenen Zielgruppe passt. Man kann sich durchaus an Mainstream-Themen orientieren, die ein breites Publikum ansprechen. An der italienischen Küche beispielsweise, die weltweit noch immer die Nummer eins ist, oder an Backwaren, die in Deutschland eine tiefe Tradition haben. Die Umsetzung sollte dann jedoch anders und besonders sein. Punkt drei: sich im Speisenangebot nicht verzetteln, denn weniger ist mehr. Entscheidend sind Key-Produkte als wesentlicher Grund, warum man als Gast diese Lokalität besucht und wiederkommt. Speisenangebot, Service, Inszenierung und Ambiente – der Gesamtauftritt muss stimmen.
In welchen aktuellen Food-Trends sehen Sie eine hohe Relevanz für die Handelsgastronomie?
Snacking ist ein Trend, der wie zugeschnitten auf den Handel ist. Klassische Mahlzeiten verlieren an Bedeutung, gefragt ist die Kleinigkeit zwischendurch. Dem wiederum wird der „Streetfood- Transfer“ bestens gerecht. Bisher serviert aus Foodtrucks, an Marktständen oder auf Festivals, erobern die vielfältigen Streetfood-Snacks jetzt die Restaurants. Ein weiterer Trend ist der „Plantarismus“. Auch abseits der Veganer und Vegetarier wird die Ernährung für mehr Verbraucher immer pflanzen- und gesundheitsorientierter. Interessant sind Salad Bowls. Oder Smoothie Bowls zum Frühstück. Der Smoothie-Boom hält definitiv an und erneuert sich über blaue Varianten mit Spirulina-Alge oder über „Hot Smoothies“, die sich als vitaminreiche, nahrhafte Alternative zu heißer Schokolade, Kaffee oder Tee präsentieren. Zum Plantarismus passt auch die asiatische, insbesondere koreanische Küche, die sehr angesagt ist. Kimchi zum Beispiel, fermentiertes Gemüse, entwickelt sich zum Sauerkraut 2.0 – es lassen sich spannende Köstlichkeiten realisieren, wie zum Beispiel Kimchi aus Hibiskusblüten.
Und was ist in puncto Inszenierung en vogue?
Hier heißt das Stichwort „Back2Nature“, als Gegenpol zur Digitalisierung. Die Sehnsucht nach Natur spiegelt sich zunehmend in Gastronomiebetrieben wider. Von Pflanzenwänden bis hin zu Vertical-Farming-Vitrinen, die nicht nur schmückend sind, sondern deren gezüchtete Kräuter und Salate dann auch gleich ultrafrisch auf den Tisch kommen. Zunehmend wichtig ist überdies die Vermeidung von Plastikgeschirr, auch für den To-go-Bereich. Es gibt vielfältige nachhaltige Alternativen, darunter Trinkhalme aus Apfeltrester, Nudeln, Holz, Stroh, Glas oder Metall.
Sie sprachen die Digitalisierung an. Wie steht es darum?
Ein in seiner Bedeutung rasant steigender Aspekt. Das Spektrum reicht von der digitalen Steuerung und dem smarten Monitoring aller Prozesse wie Energie, Kühlkette etc. über die Kundendatenanalyse für maßgeschneiderte Angebote, die Kundenkommunikation über neue Kanäle und komfortable Reservierungen beziehungsweise Bestellungen bis hin dazu, dass die Speisen inzwischen unbedingt instagrammable sein sollten. Wenn Gäste ihr Erlebnis über das Social Web teilen, ist es das Beste, was einem Gastronom passieren kann.
Bietet Handelsgastronomie Ihres Erachtens weiteres Potenzial, oder wird der Bogen angesichts der zahlreichen Eröffnungen bereits überspannt?
Handelsgastronomie entwickelt sich gerade erst, sie hat viel Luft nach oben und birgt große Chancen. In diesem Segment kann einiges bewegt werden.
Wenn uns wieder ein Hitzesommer bevorsteht, was macht dann Appetit?
Speiseeis begeistert die Deutschen und geht immer. Es ist generell als Zusatzgeschäft lohnend, zumal es auch hier neue, exotische Zubereitungsmethoden und Zutaten gibt, die für Differenzierung im Wettbewerb sorgen – zum Beispiel Bing Su aus Asien.
Die Fachfrau
KARIN TISCHER führt Food & More mit Sitz in Kaarst bei Düsseldorf seit 23 Jahren, das sich ganzheitlich der Gastronomie widmet: als Forschungs- und Entwicklungsinstitut, Beratungsunternehmen und Marketingagentur. Entwickelt werden auf das deutsche bzw. das jeweilige europäische Geschmacksprofil abgestimmte Rezepturen und individuelle Konzepte, deren Spektrum von Ideen für Key-Produkte oder Aktionswochen bis hin zu Einrichtung und Geschirr reicht. „Wir sehen uns auch als Sparringspartner der Architekten und Ladenbauer“, so Karin Tischer.