Ein Geschäftsessen im High-End-Supermarkt, eine Pause während des Shoppings in Einkaufszentren, für die Unterwegsverpflegung Coffee-to-go mit belegten Brötchen von der Tankstelle oder die Mittagspause in gemütlichen Restaurants im Möbelhandel – es gibt viele Anlässe und Bedürfnisse, die der Handel mit seinem gastronomischen Angebot bedienen kann, und aufgrund des Zusammenwachsens von Gastronomie und Handel lassen sich mittlerweile in fast allen Branchen Retail-Gastro-Hybride finden.
Die EHI-Initiative Handelsgastronomie
Das EHI hat 2017 die „Initiative Handelsgastronomie“ ins Leben gerufen, um dem deutschsprachigen Handel umfassende Informationen und Netzwerk-Plattformen zum Thema Handelsgastronomie bereitzustellen. Das Angebot umfasst Studien, Whitepaper, den EHI Handelsgastronomie Kongress sowie den EHI Arbeitskreis Handelsgastronomie.
Die Angebote sind größtenteils gut und durchdacht, doch es fehlen spezielle Erkenntnisse zum Konsumentenverhalten im Zusammenspiel von Handel und Gastronomie. Das EHI hat daher zusammen mit der GfK im Rahmen einer qualitativen Forschung Konsumenten zu ihren Verpflegungsanlässen, zu Trends und Wünschen, Qualitätsansprüchen, Bedürfnissen, Erwartungen und Emotionen sowie zu ihrer Wahl des Anbieters befragt. Im Juni 2019 erscheint die komplette Untersuchung mit weiteren quantitativen Ergebnissen, die der Branche erstmals Handlungsgrundlagen und Erkenntnisgewinne rund um das Thema Handelsgastronomie bietet.
Die Rolle der Handelsgastronomie
Die Rolle der Handelsgastronomie besteht für den Konsumenten in erster Linie darin, ihm für seine Bequemlichkeit und Zeitersparnis eine Möglichkeit zum Verzehr anzubieten, die er praktisch mit anderen Erledigungen verbinden kann. Sie ermöglicht ihm dabei, auf unverbindliche Weise spontane Entscheidungen zu treffen und flexibel zu bleiben. Gastronomische Situationen im Handel stellen aus Verbrauchersicht eine Erweiterung des Konsumangebots dar und sind eher der „Genuss im Kleinen“. Dennoch passt die Handelsgastronomie mit einer großen Auswahl und der sofortigen Verfügbarkeit ideal zu den Bedürfnissen der Kunden und zum Zeitgeist, weswegen sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist.
Anlässe und Bedürfnisse
Die Anlässe aus Konsumentensicht lassen sich grob nach dem Verzehrort, nach ihrer emotionalen Bedeutung und nach funktionalen Aspekten ordnen. Handelsgastronomie kommt am ehesten dann ins Spiel, wenn es um kürzere Unterbrechungen im Alltag geht wie etwa eine Shopping-Pause oder die Mittagspause. Zu unterscheiden ist dabei, ob das Essen mitgenommen oder vor Ort verzehrt wird. Ob Gesellschaft vorhanden ist oder nicht, spielt eine ebenso große Rolle: Wird vor Ort allein gegessen, so ist das meist wenig emotional. Mehr genießt man das Essen in Gesellschaft.
Außerdem stehen bei der Nutzung handelsgastronomischer Angebote häufig Zeitmangel und Bequemlichkeit, also funktionale Aspekte, im Vordergrund. Geht es aber um den Genuss einer schönen Atmosphäre oder eines besonderen Essens, dann liegt die klassische Gastronomie klar im Fokus der Konsumenten.
Essensbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen
Das Essen muss in erster Linie gut schmecken und satt machen – auch werden durch Angebotsvielfalt positive Emotionen geschaffen und Inspiration geliefert. Mit steigendem Alter nimmt zusätzlich der Gesundheitsaspekt zu. Zahlreiche weitere Faktoren bedingen, wie häufig ein Verbraucher außer Haus konsumiert, an oberster Stelle stehen Zeit, Wetter und finanzielle Aspekte.
Für Alleinlebende spielt Außer-Haus-Konsum auch als „soziales Lagerfeuer“ eine wichtige Rolle. Während bei der jüngeren und mittleren Altersgruppe vor allem praktische Aspekte zu häufigerem Verzehr außer Haus führen, wandelt sich dessen Bedeutung in der älteren Altersgruppe hin zu bewussterem Genießen statt schnellem Hungerstillen unter Zeitdruck. Trendgerichte wie etwa Burger, Bowls, Smoothies und DIY-Food sind bekannt und beliebt. Tatsächlich auf den Teller oder auf die Hand kommen vor allem kalte und warme belegte Brötchen oder Sandwiches, Salate, Kuchen und Gebäck sowie Asiatisches. Viele Konsumenten fordern und wünschen sich mehr gesunde Angebote, vegetarische und vegane Alternativen sowie Nachhaltigkeit und umweltfreundlichere Verpackungen.
Aspekte und Kennzeichnungen, die regionale Herkunft und/oder Handwerkstradition hervorheben, werden vom Konsumenten sehr positiv beurteilt und schaffen eine emotionalere Bindung. Generell triggert ein regionaler Charakter das Bild von der Unterstützung örtlicher Bauern und einer nachhaltigeren Umweltbilanz. Die Customer Journey zu neuen gastronomischen Erfahrungen läuft vor allem über persönliche Empfehlungen und spontane Eindrücke vor Ort.
Auch Internet und Social Media inspirieren die Konsumenten und bieten schnelle und einfache Informationen. Manche Konsumenten beäugen dies jedoch auch kritisch oder lehnen das Teilen von Essensbildern auf sozialen Plattformen ab, da sie dies zu sehr als Teil ihrer Privatsphäre erachten.
Die perfekte Verzehrsituation
Konsumenten mögen Atmosphären, die einladend sind, ohne zu gehoben oder exklusiv anzumuten. Bevorzugt werden natürlich eingerichtete, ruhige Umgebungen mit angenehmem Licht und abgetrennt vom Verkauf mit angemessenem Platzangebot. Besonders für Mitnahmeangebote sollten jedoch die Wege nicht zu lang sein. Sitzplätze im Freien oder mit Ausblick werden als besonders ansprechend erlebt.
Bei auf der Einkaufsfläche verteilten Sitzplätzen kann die Atmosphäre durch andere Einkäufer, Unruhe und die Vermischung von Gerüchen gestört werden. Positiv wirkt eine freundliche Gesellschaft, gepaart mit dem Gefühl, willkommen zu sein und sich entspannen zu können. Schon fast als Basiszutaten zu verstehen sind frische, wohlschmeckende und gesunde Speisen, deren Zubereitung man quasi miterlebt, sowie einladende Gerüche und eine ansprechende Präsentation. Dabei ist eine gewisse Wahlfreiheit essenziell, um möglichst verschiedene Geschmäcker und Bedürfnisse abzudecken.
Die Zubereitung vor Ort und die Möglichkeit, diese zu beobachten, sprechen Gäste besonders an. Frontcooking-Einheiten vermitteln ein hohes Maß an Frische und Qualität. Allerdings ist Zeit ein zentraler Faktor in der Handelsgastronomie, die Zubereitung darf nur wenige Minuten in Anspruch nehmen. Während der mittäglichen Rushhour sollten längere Wartezeiten möglicherweise im Kassenbereich minimiert werden.
Die wichtigsten Ergebnisse der kompletten Untersuchung werden auf dem EHI Handelsgastronomie Kongress 2019 am 04. und 05. Juni 2019 in Düsseldorf vorgestellt.
Weitere Informationen: Moritz Kolb/kolb@ehi.org