Experteninterview zu Green Leases: Oft ist weniger mehr | stores+shops
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Nachhaltigkeit wird zur Standortfrage: Handelsunternehmen erwarten zunehmend konkrete Umweltstandards in Mietverträgen.
Foto: Pasko Maksim/stock.adobe.com

Experteninterview zu Green Leases: Oft ist weniger mehr

Per Vertrag zur nachhaltigen Immobilie? Branchenverbände liefern wertvolle Hinweise, welche Aspekte Green Leases berücksichtigen sollten, um tragfähige Perspektiven einer ressourcenschonenden Gebäudenutzung zu entwickeln. Zu viele Standardklauseln verhindern jedoch, dass das Potenzial von grünen Mietverträgen voll ausgeschöpft wird, ist Zulfukar Tosun überzeugt.

Herr Tosun, einer Untersuchung von Jones Lang La Salle zufolge wollen 40 Prozent der befragten Vermieter Green-Lease-Klauseln in ihre Mietverträge integriert haben. Die Zahl stammt aus dem Herbst 2023. Wie deckt sich das mit Ihren Beobachtungen?

Diese Zahl dürfte auch heute noch zu hoch gegriffen sein. Wenn überhaupt, würde ich sagen, dass vielleicht jeder vierte Mietvertrag wirklich ‚grün‘ ist.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Anhand von Recherchen wissen wir: Es gibt den einen oder anderen Immobilieneigentümer beziehungsweise -verwalter, der sich nachhaltiger darstellt, als er tatsächlich ist. Und beim Blick in die Verträge zeigt sich: Bei vielen Ergänzungen handelt es sich letztlich um allgemeine Bemühungsklauseln.

Also weiche Klauseln, deren Einhaltung Ermessenssache ist?

So ist es. Als Mieter kann ich mich zwar verpflichten, Zählerstände zu messen. Doch wenn meine Verbräuche nicht sinken, bringt mir das letztlich nichts. ‚Ermessen‘ ist nicht das, was der ‚European Green Deal‘ möchte.

Das Ziel ist eine effiziente Wirtschaft ohne Netto-Treibhausgase bis zum Jahr 2050. Hört man sich in der Branche um, ist von vielen Unwägbarkeiten die Rede – von der allgemeinen Dynamik der Regulatorik etwa, aber auch von offenen Fragen bei der Erfassung des energetischen Ist-Zustandes und der Umsetzung konkreter Energiesparmaßnahmen. Ist so der Hang zu Bemühungsklauseln zu erklären?

Ich stimme dieser These insofern zu, als dass wir merken: Green Lease braucht Anleitung, wenn er einen nachhaltigen Impact erzielen soll. Natürlich kann ich als Vermieter Green Leases als Pflichtaufgabe sehen – nach dem Motto: Hauptsache, grüne Klauseln stehen erst einmal im Vertrag. Als Mieter habe ich dann Glück, wenn sich die Nachhaltigkeitsvereinbarungen über eine halbe Seite ziehen. Wenn ich Pech habe, erstrecken sie sich über zwölf Seiten, auf denen ganz viele Dinge stehen, die auf meinen Betrieb gar nicht zutreffen oder schwierig umzusetzen sind. Gleichzeitig sind auch unsere Juristen im Team der Auffassung, dass manche Regelung – etwa zur Mithaftung der Mieter bei der Aufrechterhaltung der Gebäudezertifizierung – rechtlich angreifbar sein könnte. Deshalb plädieren wir dafür, sich von möglichen zukünftigen Entscheidungen ein Stück weit freizumachenund das Thema Green Lease pragmatisch zu gestalten.

Wie steht es um den Nachholbedarf in Sachen Technik? Je mehr Mieter ich habe, umso kleinteiliger fällt die Ermittlung des Energieverbrauchs aus.

In vielen Fällen werden Verbrauchsdaten immer noch manuell durch den Facility Manager erhoben. Allerdings hat der Gesetzgeber hier bereits eine wichtige Verordnung erlassen, die das Thema vereinfachen wird: Der Roll-out der Smart Meter trägt die technischen Voraussetzungen in die Fläche.

Was sollte die Zielsetzung eines grünen Mietvertrages sein?

Zielsetzung sollte ein beidseitiger Nutzen sein. Ein partnerschaftlich verhandelter Green Lease-Vertrag bietet dem Mieter eine Perspektive, wie er über die Mietdauer hinweg Betriebs- und Nebenkosten einsparen kann. Ein klassisches Beispiel: Ich vereinbare mit meinem Mieter, dass er mir seine Verbrauchsdaten zugänglich macht, damit ich als Eigentümer mittels Gebäudeautomation den Energieverbrauch optimieren kann. Umgekehrt profitiere ich als Eigentümer von den Nachhaltigkeitsverpflichtungen meiner Mieter in den Mietverträgen, weil dies zu einer besseren Bewertung meines Gebäudes führt. Das wiederum erleichtert Verkäufe beziehungsweise Refinanzierungen, weil die Banken angehalten sind, auf einen hohen Anteil an grünen Krediten in ihren Portfolios zu achten.

Weiche Bemühungsklauseln wirken hier vermutlich wenig überzeugend?

Wir machen die Erfahrung, dass die Banken bei ihrer Bewertung inzwischen genau hinschauen, wie verbindlich die Klauseln sind.

Wie lässt sich diese Verbindlichkeit herstellen?

Indem Vermieter und Mieter gemeinsam individuelle und messbare Klauseln erarbeiten. Wir als Berater schauen uns beispielsweise an, ob Möglichkeiten einer Kreislaufwirtschaft existieren. Welche Art von Abfall fällt an? Wie lässt sich vermeiden, dass dieser Abfall nicht einfach in der Tonne landet, sondern recycelt wird? Friseure etwa können geschnittene Haare an Organisationen spenden, die diese zu Ölfiltern für den Meeresschutz weiterverarbeiten. So spart ein Salon jährlich bis zu 800 Euro an Abfallgebühren ein.

Das klingt wirklich praktikabel.

Ob Sie als Bäckerei nicht verkauftes Brot der Zentrale zurückführen oder an die Tafel spenden, macht im Aufwand kaum einen Unterschied. Für die Bewertung aber sehr wohl – diese Maßnahmen lassen sich sehr konkret reporten. Nachhaltigkeitsverpflichtungen sollten so praktisch wie möglich gestaltet werden. Dann ist weniger oft mehr.“

Was passiert, wenn es doch zu entscheidenden Änderungen in der Regulatorik kommt?

Wir empfehlen, in Nachträgen zu Green Leases oder in neuen Mietverträgen einen regelmäßigen Nachhaltigkeitsdialog zu vereinbaren – im Sinne einer Öffnungsklausel. Doch auch wenn keine Vertragsverlängerungen anstehen, raten wir Vermietern, proaktiv das Gespräch zu suchen. Umgekehrt verfolgen große Filialisten und zunehmend auch regionale Ketten eigene Nachhaltigkeitsziele, sodass der Austausch über dieses Thema immer selbstverständlicher wird.

Zur Person

Zulfukar Tosun ist geschäftsführender Gesellschafter bei Torvik Gruen. Das Beratungsunternehmen unterstützt Klienten bei der Implementierung und Vereinbarung von grünen Mietverträgen. Hierzu gehören auf der Mieterseite „vorrangig Filialisten“. Auf der Seite der Vermieter vertritt Torvik Gruen ein Spektrum, das sowohl „kleine Erbengemeinschaften“ als auch „institutionelle Kunden mit Portfolios in Milliardenhöhe“ umfasst. 2024 veröffentlichte der Berater das Buch „Nachhaltigkeitsklauseln für Mietverträge. Green-Lease-Verträge schnell und effektiv umsetzen“, erschienen im Springer-Verlag.

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