Zwischen Geldanlage und Trendartikel | stores+shops

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Das neue Ladenkonzept von Christ ist gekennzeichnet durch eine strukturierte Warenpräsentation, Klarheit und einen gewissen Minimalismus. (Foto: Christ)

Zwischen Geldanlage und Trendartikel

Der Schmuckfachhandel hat diverse Balanceakte zu vollführen. Zwischen Funktion und Emotion, privatem Raum und Kundenfrequenz, Marken-Egoismen und Multimarken-Auftritt suchen Storekonzepte das Gleichgewicht.

Erosion, Metamorphose, Paradigmenwechsel? Die Umwälzungen, denen das Thema Schmuck und Uhren und mit ihnen der Schmuckfachhandel in den letzten Jahren ausgesetzt sind, sind von beträchtlichem Ausmaß. Ketten, Ringe und Armbänder entwickeln sich von der Preziose, der Geldanlage oder dem wertbeständigen Lebensbegleiter hin zum wechselhaften Trendartikel. Die Uhr, ihrer Funktion des Zeitmessers durch allgegenwärtiges Online-Sein ihrer Träger beraubt, flüchtet sich in prestigeträchtige Marken- und Luxus-Segmente oder in die Lifestyle-Welten von Swatch und Fossil.

Pandora ist eines der Trendschmuck-Labels, die die eigene Filialisierung verfolgen, hier der Concept Store in Berlin (Foto: Pandora)

Pandora ist eines der Trendschmuck-Labels, die die eigene Filialisierung verfolgen, hier der Concept Store in Berlin (Foto: Pandora)

Trendschmuck-Marken wie Trollbeads, Pandora oder Thomas Sabo konfrontierten den traditionellen Juwelier in den letzten Jahren mit innovativen Produkt-Konzepten. Seitdem oszillieren die klassischen Juweliere, oft mit Uhrmacher- oder Goldschmiede-Hintergrund, zwischen Diamantring und Bettelarmband. Markenstores machen ihnen Konkurrenz, und niedrigpreisig positionierte Modeschmuck-Filialisten wie I am, Six oder Accessorize sägen auch am Wertesystem des Konzepts Schmuck. „Die Tendenz geht sehr stark zu Monobrand-Stores, wie es am Beispiel Omega für das Uhrensegment oder am Beispiel Tiffany im Schmucksegment gut zu erkennen ist“, konstatiert Udo Strack, der als Store-Architekt für Marken wie Montblanc arbeitete und gerade für Juwelier Becker in Hamburg, ein Traditionshaus, ein neues Storekonzept entwickelt hat. „Die Zielgruppe entscheidet auch in diesem Segment immer stärker markenfokussiert und hat sich im Vorfeld sehr genau über das gewünschte Produkt im Internet informiert. Preise und Produktvarianten sind bekannt, und es geht ‚nur noch‘ um den Abschluss und um die Lust an einem tollen Kauferlebnis.“

Offener und heller

Die Konsequenzen für die Storekonzepte sind substanziell und an manchen Stellen mit Kehrtwendungen verbunden. Diskretion im Schummerlicht hinter schweren Samtvorhängen – um das Klischee zu pflegen – weichen offenen, tendenziell helleren Laden-Atmosphären. Gut verschließbare Schubladenschränke zur versteckten Aufbewahrung von Kostbarkeiten weichen der offenen Präsentation, zur Diebstahl-Prävention meist in Vitrinen und Schaukästen hinter Glas. Aber auch Open-Sell-Präsentationen, die das Anfassen der Produkte möglich machen, nehmen in den neuen Storekonzepten an Bedeutung zu.

Der neue Cadenzza-Store in München ist in leichten, hellen Farben gehalten und präsentiert auf einem Highlight-Tisch Schmuck „zum Anfassen“. (Foto: Cadenzza)

Der neue Cadenzza-Store in München ist in leichten, hellen Farben gehalten und präsentiert auf einem Highlight-Tisch Schmuck „zum Anfassen“. (Foto: Cadenzza)

Die Einrichtungskonzepte sind flexibel und modular aufgebaut, um auf Trend, Design und Marke kurzfristig reagieren zu können, bestätigt man bei Cadenzza und bei Christ gleichermaßen. Im neuen Shopkonzept von Christ, das gerade ausgerollt wird, wurde der Abstand der Mittelraum-Vitrinen zu den Wandflächen auf 1,20 m vergrößert, um die Kunden zu animieren, dahinter zu treten und die Auslagen an den Rückwänden zu betrachten. Einrichtung, Materialwahl, Beleuchtung und Detailarbeit ordnen sich dem effektvollen Auftritt von Edelmetallen und -steinen, Perlen und Kristallen unter. Die Architektin Agnes Cakir, als Bereichsleiterin Architektur bei Douglas Immobilien verantwortlich für das Christ-Konzept, erläutert: „Uhren und Schmuck müssen strahlen. Daher ist im Retail-Design Einfachheit angesagt. Schlichte Materialien mit matten Oberflächen nehmen sich zurück und lassen die Produktoberflächen zu voller Wirkung kommen.“ Ein gut komponiertes Beleuchtungskonzept ist dabei das Herzstück. Die LED-Technik bietet sich zur Schmuckinszenierung an, unterstreicht Özge Demir, Architektin in der Planungsabteilung bei Lichtspiel in Hamburg. „Die Hauptaufgabe ist, die Brillanz der Produkte maximal herauszuarbeiten. Bei glatten, glänzenden Oberflächen eignet sich LED-Technik sehr, während sie zum Beispiel bei textilen Oberflächen nicht immer ideal ist.“

Licht ist wichtig

Udo Strack meint dazu: „Die Aufgabe im Juwelierhandel ist, einen optimierten Mix aus warmen und kalten Lichtfarben zu finden. Die Vorlage der Produkte am Beratungstisch muss mit Kaltlicht unterstützt werden. Nur so ist die Wahrnehmung der Farben realistisch, und nur so werden die Steine zum Funkeln gebracht.“ Für eine freundliche Atmosphäre im Raum werden eher warme Lichtfarben gewählt.

Die größte Herausforderung für Juweliere und Schmuckläden mit Multibrand-Sortiment besteht allerdings im Spagat, verschiedenen Lieferanten und Marken unterschiedlicher Levels im Rahmen eines starken eigenen Brandings Raum zu geben, auf der Fläche zu strukturieren und zugleich die eigene Dachmarkenstrategie als Klammer sichtbar zu machen. Udo Strack erläutert: „Die Planung eines klassischen Juweliers beginnt nicht mit Stoffmustern und Lichtkonzept, sondern in Form von sensiblen Verhandlungen mit den Uhren- und Schmuckmarken. Es gilt zu fixieren, welche Marke an welcher Position welche Fläche bekommt. Hier spielen die Größe und Attraktivität der jeweiligen Zone mit den gegebenen Blickbezügen und den Nachbar-Marken eine entscheidende Rolle.“ In dem Bemühen, die Ansprüche und Anforderungen der einzelnen Marken zufriedenzustellen, komme ihm seine Tätigkeit oft eher politisch als kreativ vor. Mit Augenzwinkern zieht er den Vergleich: „Das erinnert stellenweise an die Ausrichtung einer großen Hochzeit. Wer sitzt neben wem, welche Gäste sollte man lieber auf Abstand halten, und wer bekommt den besten Platz.“

Fotos (3): Cadenzza (1), Christ (1) und Pandora (1)

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

Ursula Vierkötter wechselte vor rund zwei Jahren vom KaDeWe ins Schmuckfach. Sie ist Geschäftsführerin von Christ Juweliere & Uhrmacher seit 1863 mit rund 220 Filialen.

Vor einem knappen Jahr eröffnete das erste Christ-Geschäft mit dem modernisierten Storekonzept, inzwischen sind 13 Filialen umgebaut. Wie beschreiben Sie den heutigen Stellenwert von Schmuck?

Wir können die Tendenzen aus dem Fashion-Markt kommend ablesen. Es geht vor allem darum, die eigene Persönlichkeit zu unterstreichen, und das möglichst mit großer Vielfalt. Dazu gehört der Mix. Ein 40-Euro-Armbändchen in einer schrillen Modefarbe ist heute ohne weiteres zur Rolex-Uhr tragbar. Schmuck ist dabei, seine Bedeutung zu verändern. Früher legte man die Perlenkette oder das Collier anlassbezogen an. Heute ist das Schmuckstück Bestandteil eines Outfits und Zutat, um einen Look aufzumischen, abzuschwächen oder abzurunden, Stichwort: Schwarzer Pulli mit Statement-Kette. Die Kunst des Juweliers ist, die neuen vermischten Wertigkeiten von Schmuck zu akzeptieren und umzusetzen.

Wer sind die Mitbewerber des klassischen Juweliers?

Neben den Warenhäusern und den vielen lokalen Händlern sind natürlich die Monomarken-Konzepte zu nennen, die ihre Filialisierung vorantreiben. Auch Marken aus dem Fashion-Markt entdecken immer mehr das Feld des Schmucks. Getrieben von fehlenden Wachstumsimpulsen aus der eigenen Branche versuchen sie, das Feld des Modeschmucks zu erobern.

Wie begegnet der Schmuckfachhandel der Veränderung?

In den letzten fünf Jahren ist der Schmuckmarkt aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und ist nun dabei, ansprechende Retailkonzepte zu adaptieren. Unsere Aufgabe als Schmuckhändler ist es, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, sie zu inspirieren und zum Kauf zu animieren. Hier spielt der POS die wichtigste Rolle. Das hat Folgen fürs Storedesign: Inspiration, sinnliches Einkaufserlebnis und Barrierenabbau sind nur einige Punkte.

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