„Kik wächst und will die Läden schicker machen“ – so titelte kürzlich ein Branchenmagazin. Im weiteren Textverlauf heißt es: „Der zunehmende Wettbewerb im Niedrigpreis-Segment zwingt Kik zu Investitionen in den Ladenbau.“ Das Beispiel zeigt: Selbst im Discount-Sektor ist heute (individuelles) Ambiente gefragt, kein Storemobiliar komplett von der Stange.
Vertikale oder horizontale Systemschiene, oder beides in Kombination? Punkt- oder Buchsensystem? Ohne Rückwand oder mit? Achsbündig oder achsübergreifend? Wie stark ist die Technik zu sehen? Noch zum Jahrtausendwechsel stand das Thema Systeme im Mittelpunkt des Ladenbau-Bereichs der Messe EuroShop. Systemanbieter stellten sich dem Wettbewerb. Heute haben sich viele Ladenbauunternehmer von diesem Geschäftsfeld verabschiedet. Out ist es deshalb aber nicht. Es gibt weiterhin erfolgreiche reine Spezialisten, es gibt Ladenbauer, die deren Systeme gemäß Architektenplänen in ihre Umsetzungen übernehmen, und es gibt „Hybride“ – Unternehmen, die sowohl individuellen Ladenbau als auch Standardmobiliar anbieten. Sie fertigen Systeme für den breiten Markt und/oder entwickeln kundenindividuell – für den Roll-out in Filialen beziehungsweise als Shop-in-Shop-Konzepte für die Markenindustrie.
Wanzl Ladenbau beispielsweise kreierte kürzlich das neue Shop-Konzept der Outdoor-Marke Vaude. „Schon aufgrund des ökologischen Anspruchs hätten wir kein Standardsystem abliefern können“, berichtet Jörg Linssen, Leitung Marketing. „Schnell nachwachsende heimische Esche aus nachhaltiger Forstwirtschaft bildet die Basis, Schrauben und Verbinder weisen einen möglichst geringen ökologischen Footprint auf, sämtliche Materialien sind zertifiziert und auch unser Verhalten wurde in Audits überprüft. Dennoch handelt es sich um ein modulares System, nur, dass das Copyright beim Kunden liegt.“ Der Trend zur Individualität im Ladenbau geht weiter. Dabei müssen Individualität und System wie bei Vaude kein Widerspruch sein.
„Wir nutzen die von uns entwickelten Systeme als Basis für Funktionalität und Flexibilität“, erklärt Heinz-Herbert Dustmann, Geschäftsführer von Dula in Dortmund. „Die Gesamtgestaltung wird dabei maßgeschneidert. Planung und Umsetzung erfolgen individuell gemäß den Kundenanforderungen, ihrer Corporate Identity und ihres Corporate Designs. Systeme und individuelle Gestaltung gehen bei uns eine Symbiose ein, dem primären Anspruch folgend, eine optimale Kombination von Funktionalität und Design, modularer technischer Basis und unbegrenztem kreativen Spielraum zu finden“, so Dustmann.
Mitunter wird heute im Ladenbau auf eine flexible Einrichtung verzichtet, erfolgt Storytelling über feste Einbauten. „Die Schwierigkeit ist dann natürlich, dass das Weiterschreiben der ‚Sortimentsgeschichten‘ eingeschränkt ist, wenn sich der Rahmen nur noch sehr aufwändig umgestalten lässt“, macht Andreas Küssner, Geschäftsleitung Vertrieb bei Visplay International deutlich. Der Systemspezialist verzeichnet „seit der Finanzkrise ein permanentes Wachstum. Unserer Meinung nach wird auch in Zukunft das Rückgrat einer lebendigen Wareninszenierung eine Systembasis darstellen. Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl an Oberflächen auf unsere Systeme aufgebracht.”
Vorbild Automobilindustrie
Auch Frank Schäufele, Sales Director Systems von Kraiss, sieht Systeme nicht als Einschränkung von Individualität und verweist auf die Plattformstrategie in der Automobilindustrie. „Nehmen wir den VW-Konzern als Beispiel für Kostensenkung bei der Herstellung von Grundkomponenten, welche dann bei den einzelnen Marken in verschiedener Verpackung zum Einsatz kommen. So sehen wir das auch bei Ladenbausystemen: Sie dienen als Grundlage für eine wandelbare Wand- und Mittelraumgestaltung.“
„Besonders in der Fashion-Branche, in der das Warensortiment häufig wechselt, ist höchste Flexibilität gefragt“, sagt Dula-Chef Dustmann. „Da die meisten Ladenbausysteme auch von Laien schnell veränderbar sind, eignen sich diese ganz besonders für die Anforderungen des Modehandels. Dabei muss die Optik keineswegs unter der Flexibilität leiden. Gerade für hochwertige und moderne Lösungen sind Ladenbausysteme hervorragend geeignet.“
Mit dem Kraiss-Systems „shift“ zum Beispiel kann schnell auf Trends reagiert werden. „Durch den Einsatz von Rückwandstoffen, die sich mittels moderner Fototechnik brillant bedrucken lassen, sind Highlightwände und Aktionsflächen schnell veränderbar: Aus einer authentischen Holzoptik wird eine Steinwand oder Berglandschaft“, erläutert Frank Schäufele. Er sieht „shift“ zudem ganz im Trend wachsender Multichannel-Anforderungen. „Es vereint Niedervolt, Hochvolt und Datenleitung. Monitore, digitale Displays und LEDs sind frei in der Schiene positionierbar. Zudem lassen sich alle gängigen Warenwirtschaftssysteme mittels Power-Lan auf eine ,shift‘-Wand spielen.“
Auch bei Visplay verzeichnet man besondere Erfolge mit Systemen, die eine Elektrifizierung beinhalten. „Kommunikation am POS wird immer wichtiger, moderne elektronische Gadgets übernehmen diese“, so Andreas Küssner.
Die Firma Dula integriert überdies noch die Technologie RFID in ihre Systeme. Welche Anforderungen müssen zeitgemäße Systeme darüber hinaus erfüllen? „Die Verwendung neuer Materialien sowie die Beachtung von Energieeffizienz und ökologischen Vorgaben gehören zu den Trends“, so Heinz-Herbert Dustmann. Andreas Küssner von Visplay sagt Ähnliches: „Unser System ,Choices‘, das zu 60 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, setzt auf der grünen Welle auf.“ Küssner weiter: „Systeme sollten ergänzbar und ausbaubar für zukünftige und noch nicht genau zu spezifizierende Anforderungen sein. Sie sollten eine Vielzahl an Merchandising-Varianten zulassen und nicht nach wenigen Monaten schon um Jahre gealtert aussehen. Auch die einfache, schnelle und wirtschaftliche Montage direkt auf bauseitige Wände oder Gipskarton sehen wir als grundlegende Tendenz. Wir glauben, dass kosmetische Anpassungen in Zukunft immer wichtiger werden. Manchmal reicht es, die vorhandene Wand zu dekorieren und eine Funktion von vorne aufzuschrauben. Wir haben hierzu vier neue, frontmontierte Lösungen mit jeweils formal dazu passenden Warenträgern entwickelt.“
Fotos: Dula (2), Kraiss (1), Visplay (1), Wanzl (1)
Bedruckt und beleuchtet
Karl Muttenthaler, Hauptverantwortlicher für Produktentwicklung im Bereich Fashion und Style bei Umdasch Shopfitting, über individuelle Store-Auftritte mit Systemen.
Ist das Kataloggeschäft für Ladeneinrichter, insbesondere im Fashion-Bereich, Vergangenheit?
Jein. Für ein Grundregal oder ein Beschlags-Thema verwendet man nach wie vor Systeme aus dem Standard-Katalog.
Und die werden dann kundenindividuell weiterentwickelt?
In den meisten Fällen erfolgt die Realisierung mittels zusätzlicher Oberflächen oder Designelemente, wobei sich unser Spektrum von einfachen Uni-Dekoren bis hin zu bespielbaren LED-Paneelen erstreckt. Der Trend zu Authentizität und Individualität ist spürbar, gleichzeitig benötigt man auch heute ein attraktives Ladenbausystem für die Funktionalität, sei es horizontal, vertikal, ein Punkt- oder Rastersystem.
Wo sehen Sie Innovationen?
Wir entdecken den Werkstoff Glas für Rückwände. Die Kombination aus Transparenz, Hygiene, leichter Reinigung und möglicher Designvielfalt, zum Beispiel mittels Digitaldruck oder Aufprojektion, macht ihn interessant. Auch das Bedrucken von Stoffen und die Bespannung in Alurahmen sind innovativ und eröffnen vielfältige Möglichkeiten. Darüber hinaus sehen wir die Kombination von Drucktechnologien und Hinterleuchtung per LED-Technik als eine spannende Sache, es werden nur geringe Einbautiefen benötigt.