Von Fließfertigung und Losgröße eins | stores+shops

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Der Wormland Mens Fashion-Store in der Mall of Berlin während der Konstruktions-Phase (Foto: Blocher Blocher Partners)

Von Fließfertigung und Losgröße eins

„Flexibilität“ ist im Ladenbau das Zauberwort der Stunde. Es steht für die heute vom Ladenbauer geforderte Bereitschaft zur Optimierung im Hinblick auf Prozesse, Digitalisierung, Individualisierung, Transparenz und Nachhaltigkeit. Der Ladenbauer steht vor einem Funktionswandel zum universellen Dienstleister mit Beratungskompetenz.

Welcher Ladenbauer bekommt den Zuschlag? Natürlich der, der zuverlässig ist. Und der, „der bei gleicher Qualität den besten Preis aufruft“, glaubt der Ladenbauarchitekt Ansgar Hellmich. Und was ist bei einem Unentschieden in diesen Disziplinen das Zünglein an der Waage? Die größtmögliche Flexibilität. Das zeigte schon der EHI-Ladenmonitor 2014: Nach Lieferzuverlässigkeit und Preis wurde Flexibilität von den befragten Händlern als drittwichtigstes Kriterium zur Auswahl von Geschäftspartnern genannt. Doch was genau heißt eigentlich Flexibilität im Ladenbau?

Es geht nicht nur darum, die Produktion genauestens auf den Kunden abzustimmen, auch die Haltung jedes einzelnen Mitarbeiters muss ganz auf den Kunden ausgerichtet sein.

Heinz-Herbert Dustmann

Dula

Fragt man beispielsweise Heinz-Herbert Dustmann, Geschäftsführer der Dortmunder Dula-Werke, in welcher Beziehung heute vom Ladenbauer höchste Flexibilität gefordert ist, antwortet er: „In jeder Beziehung.“ Eine grundsätzlich „sehr individuelle Haltung“ zu haben und diese auch in die Planung und die Produktion zu transportieren, ist grundlegend für ihn. Flexibel sein heißt für Dustmann aber auch, Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung zu zeigen – als Unternehmen insgesamt, aber auch auf jeden einzelnen Mitarbeiter bezogen. Es geht ihm darum, noch individueller zu werden, noch schneller, technologisch, qualitativ, kapazitätsmäßig und systembezogen kontinuierlich voranzukommen, offen zu sein für neue Herausforderungen, denn „die kommen täglich“.

Eine dieser Herausforderungen besteht beispielsweise darin, dass auch Kunden, deren Planung auf eine größere Anzahl von Shop-Neueröffnungen in Folge abzielt, längst dazu übergehen, die entsprechende Möblierung nicht mehr en gros, sondern quasi en détail, sprich: eins nach dem anderen, in Auftrag zu geben. Sie möchten sich nicht mehr längerfristig binden, denn sie müssen schnell auf den sich verändernden Markt reagieren können.

In Zukunft werden sich nur die Ladenbauer am Markt behaupten können, die eine hochflexible Fertigung aufbauen und so dem Aspekt der Individualisierung Rechnung tragen.

Daniel Erhardt

Ligneus

Für Carsten Schemberg, Geschäftsführer des Ladenbauunternehmens Schemberg im nordrhein-westfälischen Mettingen, ist in diesem Zusammenhang das Thema „Industrie 4.0 in Verbindung mit Prozessoptimierung“ das Hauptthema. Schon vor vielen Jahren habe er erkannt: „Wir müssen uns mit der Losgröße eins beschäftigen.“ Auch Daniel Erhardt, Geschäftsführer des Inneneinrichtungs- und Ladenbauunternehmens Ligneus in Ottendorf-Okrilla hat vor drei Jahren die Fertigung nach Industrie 4.0 ausgerichtet. Seither müssen nicht mehr Partien von 10, 100 oder 1.000 Teilen in einem Rutsch gefertigt werden, Ligneus ist nun in der Lage, „Losgröße eins als Serienfertigung zu organisieren“, denn jedes Teil trägt – nach dem Vorbild der Autoindustrie – die Information, wie es bearbeitet werden will, über eine Bauteil-Identifikation und eine Server-Verbindung bzw. über einen Chip in sich. „Die Umstellung war eine signifikante Investition über mehrere Jahre und erfordert eine Menge IT-Know-how“, sagt Daniel Erhardt. Doch auf diese Weise kann er insbesondere im Mode-Bereich populäre „evolutionäre“ Ladenkonzepte, bei denen für jede neue Filiale die Veränderung Programm ist, in der Fertigung perfekt begleiten.

Die Flexibilität, die der Kunde fordert, kann man nur leisten, wenn man sämtliche Prozesse und die Informationsverarbeitung in der Fertigung digitalisiert hat.

Carsten Schemberg

Schemberg

Auch für Carsten Schemberg ist die Notwendigkeit der Digitalisierung aller Prozesse und der Informationsverarbeitung in der Fertigung zwingend, um die Flexibilität, Individualität und Schnelligkeit zu gewährleisten, die der Kunde vom ihm fordert – aber auch, um Liefertermine zuverlässig terminieren zu können. „Ich muss quasi auf Knopfdruck wissen, welche Bestände ich habe“, sagt Carsten Schemberg. Das ERP-System gibt Auskunft darüber, ob und wie viele der für einen Auftrag erforderlichen Bauteile zum jeweiligen Zeitpunkt am Lager sind. Dadurch kann er dem Kunden auf Anhieb einen festen Liefertermin nennen. Aber auch im weiteren Be- und Verarbeitungsverlauf müssen „sämtliche internen Prozesse IT-technisch so abgebildet sein, dass jeder am Planungs- und Produktionsprozess Beteiligte jederzeit Auskunft über den aktuellen Status erhält“, so Schemberg.

Mehr Schnelligkeit kann eine Fertigung nach Industrie 4.0 allein allerdings nicht so einfach garantieren. Denn der Trend zur Individualisierung schließt auch den Wunsch nach Besonderheit mit ein. Wenn für einen Auftrag zum Beispiel Schichtstoffplatten eines bestimmten italienischen Herstellers erforderlich sind, ist – gerade in den Sommermonaten – eine Lieferzeit von 6 Wochen nicht ungewöhnlich. Auch Zulieferteile aus der metallverarbeitenden Industrie lassen oft auf sich warten und verlängern die Lieferzeiten erheblich. Daher gehört auch der Aufbau eines hochflexiblen Lieferantennetzwerkes zur Aufgabenstellung der Ladenbauer. Ist dies gewährleistet, bedeutet Industrie 4.0 jedoch definitiv schnellere Umsetzbarkeit. „Mit den Maßnahmen, die wir in diesem Zusammenhang ergriffen haben, können wir die Projektlaufzeiten um ein Drittel reduzieren“, sagt Dr. Christian Hilz, Geschäftsführer von Trend-Store in Gredingen.

Der Ladenbauer muss seine Rolle neu definieren: Er wächst immer mehr in eine Dienstleisterfunktion hinein.

Dr. Christian Hilz

Trend-Store

Eine dieser Maßnahmen ist ein neues Selbstverständnis als Ladenbauer: „Der Ladenbauer muss eine stärkere Beratungsfunktion wahrnehmen“, sagt Hilz. Er müsse im Stadium der Planung zu einem viel früheren Zeitpunkt zu Wort kommen – zum allseitigen Nutzen; denn der Ladenbauer könne unmittelbar auf technische Einschränkungen, aber auch auf neue, bisher nicht bedachte Umsetzungsoptionen hinweisen. Dadurch beschleunigt sich der ganze Prozess, zudem „gewinnen Kunde und Architekt so größere Sicherheit“ – im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten, Umsetzungsfristen, aber auch Kosten. Denn während der Architekt nur ungefähre Kostenschätzungen abliefern kann, könne der Ladenbauer eine differenzierte Berechnung anstellen und so für Kostensicherheit sorgen – für Hilz ein erheblicher Mehrwert. Einen weiteren Wettbewerbsvorteil könne der Ladenbauer zudem durch eine zertifizierte Expertise im Bereich Nachhaltigkeit erzielen, für die er sich bei der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) in Stuttgart qualifizieren kann.

Ganz wichtig ist, dass man hält, was man verspricht. Terminüberschreitungen sind ganz kritisch, unangekündigt einen Termin nicht zu halten, wäre ein Desaster.

Jürgen Frechen

Hoffmann Ladenbau

Für Hoffmann Ladenbau im münsterländischen Rosendahl bedeutet Flexiblität, sich vollkommen auf die spezifischen Anforderungen seiner Klienten aus dem Luxus-Segment einzustellen. Die französische Luxusmarke Hermès gehört ebenso dazu wie die hochwertige Kosmetik-Marke La Prairie oder das Schmuck-Unternehmen Van Cleef & Arpels. „Den Ladenbau, den wir für solche Kunden realisieren, kann man schon als Champions’ League bezeichnen“, sagt Geschäftsführer Jürgen Frechen. Daher fährt Hoffmann eine „Produktion auf höchstem technischem Stand“, die mit Subunternehmern nicht zu leisten ist. Er braucht die eigene Produktion auf 10.000 qm, er braucht hochspezialisierte Fachleute für die Verarbeitung von zum Beispiel filigranem Edelstahl, besonderen Gläsern oder teuren Hölzern. Höchste Handwerkskunst sei hier gefragt, gepaart mit dem Neuesten an Technik und Produktionsverfahren. Doch Flexibilität bedeutet für Hoffmann auch, dem Kunden alles abzunehmen. Ob die Lieferung nach Dubai oder Dublin geht, nach Mailand oder München – die gesamte Organisation inklusive Fracht, Logistik und Zoll gehört mit zum Servicepaket. Hoffmann ist vom Ladenbauer zum umfassenden Dienstleister geworden – und wächst dabei kontinuierlich, 130 Mitarbeiter sind heute in Rosendahl beschäftigt, vor 5 Jahren waren es noch 80.

Jeder im Unternehmen muss immer bestrebt sein, seinen Prozess noch zu verbessern und überflüssige Schritte zu vermeiden.

Annabell Tenbrink

Tenbrink Ladeneinrichtungen

Für Annabell Tenbrink, Geschäftsführerin von Tenbrink Ladeneinrichtungen im westfälischen Stadtlohn, deren Kundenportfolio vorrangig aus Filialisten besteht, bedeutet Flexiblität: „Jeder Laden wird bei uns nur noch just-in-time produziert“. Die Fertigung wurde auf eine sogenannte Fließfertigung umgestellt, bei der die einzelnen Arbeitsschritte in der Produktion separiert werden. „Ein Möbel fließt durch unsere Produktion, im immer gleichen Rhythmus“, vom Zuschnitt über die Komponentenfertigung und den Zusammenbau bis hin zum Lkw. Die Lagerhaltung an Rohmaterialien wurde erhöht. „Dadurch haben wir eine sehr große Transparenz und sind immer pünktlich“, verspricht die Tenbrink-Chefin.

Fragt man schließlich einen in Filial- und Shopsystemen versierten Handelsrepräsentanten wie den eingangs zitierten Ladenbauarchitekten Ansgar Hellmich, was ihm spontan zum Stichwort „Flexibilität im Ladenbau“ einfällt, antwortet er: „Es ist wünschenswert, dass die Monteure nicht nur den Lkw leerräumen, sondern auch das richtige Werkzeug mit sich führen, um vor Ort noch gewisse Anpassungen vornehmen zu können.“ Flexibilität im Sinne von Improvisieren also, um unorthodox, unmittelbar und unkompliziert Probleme zu lösen – genau das ist ja auch die Kernkompetenz eines jeden guten Händlers.

Foto: Blocher Blocher Partners

Agilität ist alles

Markus Krämer, Head of Architecture bei Orsay, Modeanbieter mit gut 600 Filialen, über die Notwendigkeit erhöhter Anpassungsfähigkeit an die Erfordernisse des Marktes und den Wunsch nach mehr Offenheit in der Zusammenarbeit.

Was wünschen Sie sich von Ladenbauern?

Für uns geht es um das Erkennen der Kundenbedürfnisse am Puls der Zeit – dies erfordert ein hohes Maß an Agilität. Die Voraussetzungen für Agilität sind Innovation und Reaktionszeit. Eine Innovation funktioniert nur mit Agilität – die jedoch kann ich bei vielen Ladenbauern nicht erkennen. Ich glaube, dass zukünftig nur die Ladenbauer erfolgreich sein werden, die viel flexibler mit diesen Anforderungen umgehen können und dort auch Agilität zeigen.

Dabei spielt auch Schnelligkeit eine Rolle – was genau heißt schnell für Sie?

Schnell bedeutet für mich zunächst, dass der Ladenbauer vor Ort zur Verfügung steht. Sich persönlich zu treffen und die jeweilige Problematik in einem Mock-up-Store zu besprechen, ist für mich die absolute Voraussetzung. Im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit wäre es wünschenswert, einen Prototypen in einer bis maximal zwei Wochen zu bekommen. Viele Ladenbauer können dies jedoch nicht leisten, denn so ein Prototypenbau ist etwas sehr Aufwändiges. Uns jedoch behindert die Wartezeit auf einen Prototypen massiv in unserer Agilität.

Worauf kommt es bei der Auswahl des Ladenbauers an?

Ein ganz wichtiger Punkt ist Vertrauen. Man muss das Vertrauen haben können, dass die Dinge mit einem bestimmten Qualitätsanspruch umgesetzt werden. Ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, findet man bei neuen Kontakten oft erst heraus, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Daher bedarf es da schon einer gewissen Offenheit, und ich sage jedem Ladenbauer, der zu mir kommt: „Ich möchte nicht wissen, was Sie können, ich möchte wissen, was Sie nicht können.“ Nur wenn ich das weiß, kann ich ihn dort einsetzen, wo er mit seinen Qualitäten am effektivsten für mich arbeiten kann.

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