In den letzten Wochen haben Verbraucher, die mit E-Commerce bislang kaum Berührung hatten, die Möglichkeit des Online-Shoppings nahezu erzwungenermaßen kennengelernt. Ein Teil dieser Neukunden wird diese Option zukünftig weiterhin für sich nutzen. Die Bequemlichkeiten des Internethandels wie u. a. das zügige Surfen durch eine große Produktanzahl und eine Bezahlung per Knopfdruck wird der Kunde nun verstärkt auch vom stationären Handel erwarten.
Dies zeigt bereits die Kaufhauskette Nordstrom Local in den USA mithilfe seiner Service-Hubs, die sich in direkter Umgebung der Kunden befinden. Hier können Kunden Online-Bestellungen abholen oder zurückgegeben und weitere Dienstleistungen nutzen. Wer dafür keine Zeit hat, nutzt das „Curbside Pick-up“: Mit einer App signalisiert der Kunde, dass er mit dem Auto gerade auf den Parkplatz des Service-Hubs fährt, woraufhin die Bestellung direkt zum Auto gebracht wird.
Neue Technologien
Von AI über VR und AR bis hin zu RFID: Das Potenzial wird vom stationären handel noch nicht vollends ausgeschöpft. Bei Amazon Books z. B. basiert die Auswahl und Sortierung des Inventars auf Kundendaten des großen Online-Bruders. So führt der Store nur die Artikel, die der Kunde auf Basis von Artificial Intelligence auch wirklich haben will. Alle angebotenen Bücher wurden auf Amazon.com mit mindestens 4 Sternen bewertet. In speziellen Bereichen werden Buchtitel wie im Online-Shop nach dem Prinzip „Wenn Ihnen dieses Buch gefällt, …“ angeboten.
Alle Maßnahmen müssen auf die veränderten Kundenbedürfnisse ausgerichtet werden.
Matthias SpankeStores als Community Hubs
Stores sind Orte, an denen man sich trifft. Nach der Isolation wird es ein großes Bedürfnis geben, dies auf „sichere“ Art zu erleben. So bietet die US-Bank Capital One sogenanntes Community Banking. Die Filialen des Unternehmens fungieren als Orte des Geldgeschäftes, aber auch als Café mit WLAN zum Arbeiten am eigenen Laptop. In bestimmten Bereichen beraten Financial Coaches zu Fragen des Finanzgeschäftes.
Verantwortungsvolles Handeln
In Bezug auf Nachhaltigkeit ist auf Seiten der Einzelhändler ein Umdenken gefragt. Verbraucher werden infolge der Corona-Pandemie noch unnachgiebiger absolute Transparenz bei Umweltfragen fordern. Eileen Fisher, Modedesignerin und Gründerin des gleichnamigen Unternehmens, setzt auf das Konzept „Renew“: Getragene Ware aus ihrer Kollektion kann in ihren Stores gegen einen Einkaufsgutschein zurückgegeben werden. Nachdem die Kleidungsstücke umweltfreundlich gereinigt wurden, kommen sie als „Renew Collection“ wieder in die Läden.
Neue Strategien entwickeln
Um den veränderten Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, sollten Retailer folgende Fragen für ihr Geschäft beantworten können:
· Welchen Grund wird der Kunde in dieser Zeit der Öffnung haben, um in meinen Store zu kommen?
· Mit welchen Gefühlen betritt er den Store nach der Wiedereröffnung?
· Was gefiel den Kunden bislang an meinem Store?
· Was gefiel den Kunden schon vor der Pandemie nicht?
Die Schwachstellen des Kundenerlebnisses sind für jeden Retailer zugleich seine größte Chance – nach der Corona-Krise mehr denn je.
Wie der stationäre Handel vom Online-Geschäft beeinflusst wird, zeigt der Retail- und Visual Merchandising-Experte Matthias Spanke an über 50 Best-Practice-Beispielen aus der ganzen Welt und Branchen wie Mode, Food, Banken, Autos und Möbel in seinem Buch „Retail isn’t dead”.