Herr Junker, der Lebensmittelhandel ist bisher äußerst gut durch die Corona-Krise gekommen, verzeichnete gar Zugewinne. Spiegelt sich das jetzt im Investitionsverhalten bei Storedesign und Ladenbau wider?
Das Investitionsverhalten der Lebensmittelhändler zeichnete sich aus meiner Sicht schon vor Corona durch Optimismus und Zukunftsorientierung aus. Maßnahmen, sich zur Marke zu machen, nehmen aktuell tatsächlich weiter zu. Dazu kommt die Umsetzung neuer Trends. Beispiele sind die Integration gastronomischer Angebote und die Veränderung der Sortimente hin zu mehr Convenience- und regionalen Produkten sowie unverpackter Ware. All dem gilt es, gestalterisch Rechnung zu tragen. Allerdings bringen aktuell Preiserhöhungen in verschiedenen Gewerken und längere Lieferzeiten das ein oder andere Vorhaben ins Stocken.
Lebensmittel-Discounter nähern sich im Look-and-Feel immer mehr den Alleinstellungsmerkmalen von Supermärkten an, sei es bei den Frischwarenabteilungen oder Backshops. Wie können Supermärkte sich darüber hinaus profilieren?
Die Supermärkte spielen die Themen Bedientheke und Frische auf hohem Niveau. Dazu kommt der Faktor Mensch. Damit meine ich den serviceorientierten Umgang der Mitarbeitenden mit der Kundschaft. Kundenbindungskonzepte reichen von Bier-Tastings bis zu Wein- oder Genussreisen. Potenzial liegt auch im Sichtbarmachen von strategischen Allianzen, zum Beispiel mit regionalen Partnern. Das können Einladungen zu Hofbesichtigungen sein oder auch Bildschirme in den Märkten, die Einblicke in den Hühnerstall oder die Käseproduktion geben.
Wird all das auch der Herausforderung gerecht, sich stationär gegenüber Lieferdiensten und Online-Handel zu behaupten?
Hierauf gibt es ein klares Ja meinerseits. Wobei diesbezüglich zudem darüber nachgedacht werden sollte, ob nicht bisweilen eine Reduzierung der großen Vielfalt innerhalb einzelner Sortimente ratsam wäre. Es könnte sinnvoll sein, sich beispielsweise bei den online starken Trockensortimenten oder den verpackten Wurst- und Käse-Produkten etwas stärker zu fokussieren – zugunsten individuellerer Angebote. Die Warenwirtschaftssysteme werden Auskunft geben, was hier der richtige Weg ist.
Einen Markt zur Marke zu machen – was bedeutet das konkret?
Ein Markt ist eine Marke, wenn er unverwechselbar ist: im Sortiment, im Ambiente und in der emotionalen Kernaussage. Jeder Händler sollte sich die Frage stellen: Was würde meinen Kundinnen und Kunden fehlen, sollte ich morgen nicht mehr da sein? Bei der großen Anzahl absolut vergleichbarer Produkte fällt die Antwort oft nicht leicht. Vielleicht sind es Produkte von kleinen Manufakturen, die ein Händler nicht über die Zentrale ordert, sondern direkt kauft? Oder selbst hergestellte Produkte mit eigenem Label? Das Raumerlebnis kann besonders sein oder die Story, die damit erzählt wird. Vielleicht macht man insgesamt vieles anders als andere Händler. Mein Kunde Edeka Külbs hat zum Beispiel ein Partyservice-Angebot in seine Flächen integriert. An einem Tresen findet Beratung dazu statt – Dekoration inklusive.
Welche wesentlichen Gestaltungs-, speziell auch Materialtrends erkennen Sie aktuell bei Supermärkten?
Die Bandbreite ist groß und jeweils dem Publikum, Profil und Standort geschuldet. Es reicht von der Hofladen-Stimmung bis hin zu hypermoderner Urbanität mit Beton und schwarzer Decke. Apropos: Die langweiligen Rasterdecken verschwinden, und die Decken öffnen sich. Es wird viel Holz eingesetzt, außerdem authentische Steinund Ziegel-Imitate. Echtmoos ist gefragt. Auf den Böden sehen wir größere Fliesenformate.
Obst und Gemüse im Eingangsbereich, dann Convenience- und Frühstücksartikel, schließlich der Kühlgürtel an der Kopfseite des Markts: Bewegt sich etwas in der Warenfolge und Dramaturgie?
Meiner Erfahrung nach sind viele Varianten denkbar. Entscheidend ist, dass die Highlights im Kunden-Loop so verteilt werden, dass der Store flächendeckend gut „durchblutet“ ist und der Rundgang Spaß macht, weil es immer wieder neue Waren-Inszenierungen zu entdecken gibt. Natürlich sind Verbindungen wie Käse-Bedienung und Wein sinnvoll. Zudem gilt es, klar zwischen Ziel- und Impulskauf zu unterscheiden. Plakativ gesprochen: Für die H-Milch ist ein unattraktiver Standort weniger problematisch als bei Süßwaren, die in stark frequentierten Lagen positioniert werden sollten.
Zu welchen markanten Veränderungen führt das Thema Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit wird das Thema der Zukunft sein. Die Herkunft der Materialien und ihre Umweltbilanz über den gesamten Lebenszyklus hinweg werden bei der Auswahl der Einrichtung immer wichtiger.
Die Digitalisierung ist ein weiteres sehr aktuelles Thema … Hier wird das stressfreie kontaktlose Zahlen mit dem Smartphone oder das Smart Shoppen neben dem Self-Scanning hohe Zuwachsraten bekommen. Und doch gilt es zu bedenken, dass die Kasse auch einen Moment des Sozialkontakts bietet, dessen Wichtigkeit nicht zu unterschätzen ist.
Das Interview führte Stefanie Hütz.
Ganzheitliche Ladenkonzeption
Dipl. Ing. Innenarchitekt Michael W. Junker ist seit mehr als 30 Jahren in der Branche tätig. Mit der Einzelhandelsberatung Juconcept ist er auf ganzheitliche Ladenkonzepte spezialisiert. Die strategische Beratung mit Analyse der Produktpalette gehört ebenso zum Leistungsangebot wie die Gestaltung und Planung inklusive 3D-Animationen und die Begleitung der Umsetzung (Bauleitung).