Wer kennt sie nicht, die bunte Mode im markentypischen Patchwork-Stil, die für ein positives mediterranes Lebensgefühl stehen und Spaß machen soll. 35 Jahre ist es her, seit der gebürtige Schweizer Thomas Meyer in Barcelona mit upgecycelten Jacken aus abgetragenen Jeans das Modelabel Desigual gründete. Seitdem ist viel passiert. Den harten 80er-Jahren der Anfänge folgte für die Marke mit dem umgedrehten s im Logo eine Erfolgsgeschichte.
Mit dem ersten Desigual-Store auf Ibiza startete das Label in den 90er-Jahren seinen Siegeszug über die Iberische Halbinsel und wird zur Kultmarke. Legendär sind die Paint Parties, bei denen Freunde, Mitarbeiter und Fans mit Farbe, Pinsel und Rollen anrückten, um die Wände der Desigual-Läden vor der Eröffnung kreativ zu gestalten.
Mit Beginn des neuen Jahrtausends holte Thomas Meyer seinen Freund Manel Adell ins Boot, sie verbreiteten das Modelabel von Barcelona aus in die ganze Welt. Aus kaum einer Shoppingmeile war Desigual mehr wegzudenken, ob in Singapur, London, New York, Paris, Rom oder Berlin. Besonders in Deutschland wuchs die Modekette rasant, eröffnet gut 50 eigene Läden und unzählige Brand-Corner.
Auch trotz der Krise des Jahres 2008 verzeichnete Desigual Jahr für Jahr einen Umsatzzuwachs, der 2014 mit 963,5 Mio. Euro Umsatz den Höhepunkt erreichte. Doch mit dem Ende der Ära des Erfolgsduos Meyer und Adell kippte die Entwicklung. Es folgten chaotische Jahre mit zahlreichen Veränderungen in der Führungsspitze und kreativer Fehlbesetzung. Das Image war angeschlagen, die Marke verjüngte sich nicht, das Alter der Kundinnen, die mit ihr älter geworden waren, lag inzwischen ab 45 bzw. bei 50 plus.
Die jüngeren Jahrgänge fühlten sich offensichtlich nicht von der Marke angesprochen, Desigual hatte keinen Zugang zu einer neuen Generation gefunden. Die Folgen waren dramatische Umsatzeinbrüche. 2018 war mit 761 Mio. Euro Umatz – 200 Mio. weniger als noch vor 4 Jahren – der Tiefpunkt erreicht.
Turnaround-Plan
Meyer war klar, dass es eines umfassenden und schnellen Turnaround-Plans und einer Optimierung der Vertriebskanäle bedurfte, um die Marke und ihre Produkte für die Generation zwischen 30 und 40 Jahren attraktiv und relevant zu machen. Er besaß inzwischen wieder die alleinigen Anteile und übernahm wieder die kreative Führung.
Alberto Ojinaga wurde neuer Geschäftsführer an Meyers Seite und Guillem Gallego, der vorher 14 Jahre lang bei Nike Erfahrung mit jüngeren Zielgruppen gesammelt hatte, Chief Marketing Officer.
Im letzten Sommer war es dann soweit: Mit einem großen Event am Strand von Barcelona, direkt vor dem Desigual-Headquarter, wurde die neue Markenidentität und Strategie vorgestellt, mit der das ikonische Modelabel an frühere Erfolge anknüpfen und zu den kreativen Ideen seines Anfangs zurückfinden will. Das neue, provokant komplett spiegelverkehrt geschriebene Logo und der neue Slogan “yes to life” sollen es ausdrücken: Desigual is ready – für die Selfie-Generation.
Die Strategie setzt auf eine neue Markenkommunikation, ein weiterentwickeltes Produktprogramm, in dem auch ökologische und nachhaltige Materialen zur Verwendung kommen und mehr „Sophistication”. „Künstlerisch”, „ethnisch” und Patchwork bleiben dabei relevant, allerdings in Richtung auf mehr „Urban Culture” überarbeitet. Das Marketing umfasst digitale und analoge Kommunikationsformen.
Mehrstruktur
Der Relaunch macht auch vor den Stores nicht halt. Den Anfang machte im Sommer der erste Desigual-Store im Zentrum von Barcelona – da, wo alles anfing. Entscheidend war dabei wohl auch, aus nächster Nähe beobachten zu können, wie das neue Store-Konzept bei der alten und der neuen Kundschaft ankommt.
Tatsächlich erinnert nichts an die vorher eher dunklen, bewusst chaotisch wirkenden und mit Klamotten nahezu überladenen Läden. Großzügige, luftige Flächen mit einem gut geordneten Warenangebot und einem helleren Beleuchtungskonzept kennzeichnen das neue Design mit Showroom-Feeling.
Die Produkte – Fashion, Schuhe, Accessoires, Denim, Sport – werden quasi museal wie Exponate ausgestellt und mit Spotbeleuchtung in Szene gesetzt. Der Desigual-Look wird an Mannequins gut verständlich gezeigt. In extragroßen Umkleidekabinen mit natürlichem Licht und Wohlfühlatmosphäre soll die Kundin auch mal gerne mehr und länger anprobieren. Eine Workshop-Station im ersten Stock soll die Kundschaft zur Co-Kreation animieren, um dort die ausgewählten Stücke zu personalisieren. Eine von lokalen Künstlern entworfene auffällige Wand in Regenbogen-Farben und überdimensionale Punk-Köpfe im ersten Stock erhöhen den Spaß-Charakter der Fläche.