Schuhgeschäfte sind weder Kunsttempel noch Museen. Ihr Hauptzweck ist der Verkauf von Schuhen, von Taschen und Lederaccessoires sowie kleinerer Bekleidungsanteile. Oberstes Planungsziel bei der Einrichtung von Schuhgeschäften muss deren geschäftlicher Erfolg sein, sagt Rudi Sauermann – und zwar nicht kurzfristig und punktuell, sondern möglichst so lange, wie die Einrichtung bestand hat. Dies funktioniert nicht ohne einen gewissen Wohlfühl-Faktor: „Wir brauchen Funktionalität, Handlungsanreiz, interessante Optik, passendes Licht, Eyecatcher, Führungslinien für das Auge – und das alles zusammen und zu jeder Zeit. Das gilt für jeden Auftrag und jedes Ladenlokal, so unterschiedlich es auch zugeschnitten und gelegen sein möge. Das geht nicht ohne Kompromisse, aber auch nicht ohne Prinzipien.“
Im Einzelfall bedeutet dies, dass ein Konzept zum Beispiel für Prange auf der Düsseldorfer Königsallee sich in fast allen Details von dem unterscheidet, was zum Beispiel für den Filialisten Hammerschmidt in Westfalen und im Sauerland oder für Landgraf im Großraum Bonn/Siegburg richtig ist. Für alle gleich gültig ist nur: „Es geht um den Schuh. Der muss im Mittelpunkt des Interesses stehen, darf nicht von Einrichtungs- oder Materialtrends überlagert werden oder in den Hintergrund geraten. Einrichtung und Anmutung sollen stimulieren, aber die Ware soll wirken.“ Der Unterschied zeigt sich im Detail. So verlangt die Ausrichtung auf ein Luxus-Umfeld – neben vielem anderen – nach der Darstellung des optischen Genusses und der Detailbetrachtung; das Mainstream-Angebot fragt nach Orientierungshilfe und die preisorientierte Darstellung eben nach der direkten Verbindung von Produkt und Preis. Jedes Geschäft, sagt Sauermann, ist gestaltbar. Die „Schuhbox“ in Bonn beispielsweise sei nicht einmal fünf Meter breit, gehe aber 50 Meter in die Tiefe. Die Schaffung von Sektionen unterbricht die Tiefenwirkung und gibt dem Auge Halt.
Teppichboden ist Pflicht
Anders als Bekleidung lässt das Schuh-Segment kaum die Präsentation von kompletten, nachvollziehbaren Stilwelten zu. Das Spiel ergibt sich aus der Kombination von Vielfalt und Vereinzelung, Integration und Individualisierung. Dabei helfen die Einrichtung, der Boden, das Licht und verstärkt auch Großfotos in Lichtkästen. Angebotsgrenzen werden durch wechselnden Bodenbelag markiert. Teppichboden ist traditionell Pflicht, solange es um den Schutz der Schuhsohlen geht. Die „Testlauffläche“ für den Kunden ist deshalb fast immer mit Teppich belegt. Ansonsten aber steht die Harmonie mit der weiteren Einrichtung im Fokus, aber auch geplante Disharmonien oder Stilbrüche gehören zum Planungswerkzeug. Stein, Holz, Kunststoff, Teppich – alles ist möglich.
Bei Prange hat Sauermann die Tiefe des Raums unterbrochen, indem er mehrere Meter breite Bahnen aus Büffelleder in changierendem Grau über Wand und Decke ziehen ließ. Dadurch verliert der Raum seine ansonsten zu befürchtende Unübersichtlichkeit. Die gleiche Gestaltung mit Leder begleitet den Kunden, wenn er sich in die erste Etage begibt und dort den Herren-, Sportschuh- und Kinderbereich betritt.
Zurückhaltung schafft Vorteile
Schuhe bieten Farbe – und zwar von Saison zu Saison andere. Deshalb ist für die Einrichtung eher Zurückhaltung angesagt. Regale mit versteckten Aufhängungen scheinen zu schweben, ist die Aufhängung aber zu sehen, unterstreicht dies ihren funktionalen Charakter. Regalelemente in Kastenform unterbrechen die laufenden Regalmeter und ermöglichen einzelnen Produkten eine Alleinstellung. Auch der Mittelraum wird inzwischen für die Warenpräsentation auf Tischen oder Racks genutzt. Bei Prange entschied man sich für schmale, aber mehr als neun Meter lange Tische, die an schlanke Schiffe erinnern. Ihre Präsentationsflächen sind zum Rand hin hochglänzend weiß, zur Mitte in Schwarzstahl gewachst.
Nicht nur der Schuhkäufer will sitzen, auch seine Begleitung braucht eine Sitzmöglichkeit und will mitgebrachte Einkäufe oder Mantel und Jacke abgelegen können. Bei Prange hat Sauermann statt vieler Einzelsitze große Polstersitzflächen – und damit zugleich einen Eyecatcher – geschaffen. Der Sitzbezug aus „Trevira CS“ ist strapazierfähig und flammhemmend. Eine Wandnische wurde in gleicher Optik ausgepolstert und kann ebenfalls zum Sitzen genutzt werden. Einige konventionelle Sessel mit Rücken- und Armlehne warten auf die Kundinnen und Kunden, die ihren Rücken entlasten wollen – in preisorientierten Geschäften spielen solche Überlegungen kaum eine Rolle.
Jedes Geschäft ist gestaltbar. Das geht nicht ohne Kompromisse, aber auch nicht ohne Prinzipien.
Rudi SauermannBeim Licht hingegen gilt es, eine Balance zwischen Wirkung und Kosten zu finden. Tageslicht wirkt immer anziehend, weiß Rudi Sauermann. Daneben setzt er auf die Kombination von CDM-T (Gasentladungstechnik) und LED-Elementen. Alles, was später in den Räumen passieren soll, muss durch die Gestaltung nicht nur ermöglicht, sondern erleichtert werden. Die Gestaltung eines Ladenraumes ist quasi eine Vorab-Optimierung. Dafür muss der Architekt das Konzept des späteren Betreibers verstehen, übernehmen und zu seiner eigenen Leitlinie machen. Sauermann: „Das begrenzt nicht unsere Kreativität. Es unterstützt aber die Zielgenauigkeit.“
Fotos: Lukas Palik Fotografie (1), Schuhbox by Landgraf (2), Graenert&Gundlach (1)
Rudi Sauermann Stets offen
Rudi Sauermann (49), Dipl. Ing. (FH) Innenarchitektur, gründete 2008 „sauermann architectural services“ und hat von seinem Büro in der Düsseldorfer Blumenstraße aus stets die Entwicklung in den Toplagen von Düsseldorf im Blick. Zum Schuh kam er, „weil wir für alles offen sind“. Neue Ideen findet er bei Erkundungsreisen in Metropolen wie Paris, London, New York, Singapur, Hongkong, Tokio usw. in Geschäften mit erkennbarer Individualität.