Lehrjahre sind keine Herrenjahre, sagt man. Dieter Hieber, Inhaber von Hieber’s Frische Center mit zwölf Edeka-Filialen, erinnert sich gut, aber nicht immer gerne an seine Ausbildungszeit zum Einzelhandelskaufmann – wie er sich in einem neonbeleuchteten Keller umzog und seine Sachen in einem mausgrauen Spind verstaute. Das hat er in seinen Märkten anders gemacht. „Wir haben alle Pausenräume modernisiert und mit Wlan-Anschluss ausgestattet“, erläutert Hieber. „Die Mitarbeiter konnten die Flächen mit vorgegebenem Budget nach eigenen Wünschen einrichten.“ Beim Bau der Filiale in Bad Krozingen, die sich im Eigentum des Unternehmens befindet, erhielt das Design- und Planungsbüro Redsquare aus Eschwege den Gestaltungsauftrag. Tapete, Kronleuchter und Schminkspiegel machen die Damenumkleide zum Wohlfühlort, witzige Sprüche auf dunklen Wänden prägen das Garderoben-Ambiente für die Herren.
Die Mitarbeiter konnten die Räume mit vorgegebenem Budget selbst einrichten.
Dieter Hieber
Früher hieß es, man solle sein Unternehmen mit den Augen der Kunden betrachten, inzwischen kommt ein weiterer wichtiger Blickwinkel hinzu: die Sicht der Mitarbeiter. Qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden wird vor dem Hintergrund des demographischen Wandels zur Aufgabe. „Vorausschauende Unternehmer machen sich Gedanken um ihre Personal- und Sozialräume, zumal das Internet auch im Bereich der Arbeitsbedingungen hohe Transparenz schafft“, sagt Karl Schwitzke, Geschäftsführer des Düsseldorfer Designbüros Schwitzke & Partner. Schwitzke: „Wir gestalten bei unseren Storekonzepten die Nebenflächen heute meist mit.“
Was die Mitarbeiter einem Unternehmen wert sind, zeigt sich auch in den „Hinterzimmern“. „Oftmals werden die einfachsten Dinge nicht beachtet“, berichtet Carsten Schemberg, Geschäftsführer von Schemberg Einrichtungen aus Mettingen. Daniel Erhardt, Geschäftsführer des Ladenbau-Unternehmens Ligneus aus Ottendorf, hat auch diese Erfahrung gemacht: „In älteren Bestandsfilialen finden sich quer durch die Handelslandschaft nach wie vor viele stiefmütterlich behandelte Aufenthaltsräume, die teils mit einem schäbigen Möbel-Sammelsurium ausgestattet sind.“
Rückzug und Kommunikation
Pausen sollen der Regeneration dienen, und das gelingt am besten in einem ansprechenden Ambiente, das idealerweise Rückzug ermöglicht, aber auch die Kommunikation fördert. „Die Personalräume sollten immer deutlich abgetrennt von der Verkaufsfläche sein, damit die Mitarbeiter die freie Zeit ungestört ausschöpfen können“, sagt Daniel Erhardt von Ligneus. Bequeme Sitzgelegenheiten gehören ebenso zu den Mindestanforderungen wie gepflegte Essplätze.
Zur Grundausstattung des Küchenbereichs sollten Mikrowelle, Kaffeemaschine, Spüle, Spülmaschine und Kühlschrank zählen. Beim Kühlschrank rät Carsten Schemberg zu Glastüren: „Das fördert die Ordnung.“ Weitere Empfehlungen des Ladenbau-Spezialisten betreffen die motivationsfördernde Gestaltung: „Pastelltöne sind zeitlos und heben die Raumstimmung.“ Das Unternehmen Ligneus setzt, zum Beispiel bei Kaiser’s Tengelmann, auf warmes Holz in Kombination mit Creme-Nuancen sowie Farben aus der CI. Böden sollten rutschfest und einfach zu reinigen sein. Sehr wichtig ist auch die richtige Beleuchtung. „Kaltes Neonlicht wirkt genauso negativ wie zu wenig Licht“, erklärt Schemberg. Eine nette Geste sind Unterhaltungs- oder Spielmöglichkeiten, sei es Tischkicker oder Musikanlage. Eine separate Raucherzone ist wünschenswert, sollte jedoch mit einem gut funktionierenden Lüftungssystem ausgestattet sein.
Oftmals werden die einfachsten Dinge nicht beachtet.
Carsten Schemberg
Zu den weiteren Nebenflächen zählen die Personalgarderoben. Im Lebensmitteleinzelhandel fordert eine Hygienevorschrift die Unterteilung in Privat- und Dienstkleidungsbereich. Jeder Mitarbeiter sollte überdies über ein abschließbares Wertschließfach verfügen. Das Angebot ist vielfältig, sodass dieses auch nicht mehr mausgrau sein muss. Außerdem sollten mindestens eine hygienisch saubere und optisch ansprechende Damen- sowie Herrentoilette vorhanden sein. Desinfektionsmittel und automatische Raumbeduftung sind sinnvolle Ausstattungsmerkmale. Dass mitunter beim Thema Personalräume eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht, liegt auch in den vorhandenen räumlichen Gegebenheiten begründet. „Wir haben mehr Mitarbeiter auf den Flächen als früher, da wird es in manchen unserer Personal- und Sozialräume eng“, stellt Dieter Hieber fest.
Auch bei dem Drogeriemarktfilialisten dm gibt es Unterschiede bei den Personalräumen, je nachdem, ob es sich um eine Fachmarkt-Filiale auf der grünen Wiese oder eine Innenstadt-Filiale handelt, wo die idealtypischen Bedingungen, die dm definiert hat, nicht immer zu realisieren sind. „Der Aktenraum sowie die Teeküche, die Tageslicht und zehn bis zwölf Quadratmeter Fläche aufweisen sollte, haben bei der Planung der Personal- und Sozialräume Priorität, sie werden möglichst nicht reduziert. Eher passen wir andere Räume an“, erläutert Martin Auer, Leitung Bau bei dm. Auer: „Damit sich jeder Mitarbeiter wohlfühlt und das auch gegenüber den Kunden ausstrahlt, sind uns seine sozialen Bedürfnisse wichtig.“ Auer macht jedoch auch keinen Hehl daraus, dass das Thema „auf Grund der unterschiedlichen Wünsche der Mitarbeiter voller Emotionen steckt“.
Anspruch und Wirklichkeit
Bis vor wenigen Jahren lag bei dm die Entscheidung über die Einrichtung der Nebenflächen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Märkten sowie bei den Gebietsverantwortlichen und dem Projektleiter Bau. Regale oder sonstige Elemente wurden dezentral beschafft.
Heute bauen zentral beauftragte Schreinerbetriebe Standardküchen ein. „Die Ausführung orientiert sich an unseren Erfahrungswerten, auch im Hinblick auf die Vorlieben unserer Teams“, so Auer. Die Standardisierung macht nicht nur komplexe Abstimmungsprozesse unnötig. „Sie gewährleistet eine relativ kostengünstige, dauerhaft beständige Einrichtung“, so Auer. „Probleme bei Instandsetzung und Gewährleistung der Küchengeräte oder Einrichtungsmöbel können eingeschränkt oder vermieden werden.“ Etwas Mitbestimmung bleibt den einzelnen Märkten: „Die Standardküche kann in drei Farbausführungen gewählt werden.“
Fotos: Dula (1), Schwitzke & Partner (1)