Der ein oder andere vorsorgliche Aussteller reichte seinem Standpersonal und Besucher:innen auf der letzten EuroShop immer wieder die Flasche mit dem Desinfektionsmittel. Von solchen Maßnahmen abgesehen war die Messe wie gewohnt erhellend und ermöglichte viele Kontakte. Anzeichen für die Zeitenwende in der Handelslandschaft, die unmittelbar danach einsetzte, gab es aber bereits. Die Digitalisierung des Handels, E-Commerce und Omnichannel- Konzepte wurden in Zwischenzeit professionalisiert. Der stationäre Einzelhandel musste Federn lassen. Seine zukünftige Rolle ist noch offen. Fest steht, dass er nicht verzichtbar ist.

Originäre Mailordershops wie SIP können mit atmosphärisch starken physischen Stores emotionale Markenprofile ausbilden.

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Foto: Vivamo

Auf der Messebühne

Die aktuelle Situation spornt offenbar an. Nach einer Messe-Abstinenz ist zum Beispiel Liganova wieder als Aussteller zurück, einer der Vordenker in Sachen Store-Konzeption. Erstmalig ist Kuhlmann Laden- und Innenausbau auf der EuroShop anzutreffen, mit der Devise „Endlich vor den Vorhang wagen“. Geschäftsführerin Anne Schwarz-Kuhlmann: „Wir waren bisher immer inkognito unterwegs und trauen uns jetzt, uns zu zeigen. Wir werden auch in schwierigen Zeiten Dinge anpacken und bewegen.“ Auch das Ladenbau-Unternehmen Vivamo aus Bochum stellt zum ersten Mal aus. Beide Unternehmen haben sich bewusst für den Gemeinschaftsstand des Deutschen Ladenbau Verbands entschieden.

Volker Brunswick, Geschäftsführer der Vivamo GmbH: „Die Herausforderungen im Einzelhandel bedürfen einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure. Der DLV ist hier die Plattform für einen Austausch über den eigenen Tellerrand hinaus. Unsere ‚Wabe‘ innerhalb des ‚DLV-Bienenstocks‘ soll vor allem für ein Aha-Erlebnis sorgen und den Messebesucher:innen veranschaulichen, wie sich durch kreative Gestaltung Aufmerksamkeit auch in einem Umfeld voller Reizüberflutung generieren lässt. Schließlich müssen wir dasselbe Kunststück wie ein Einzelhändler hinbekommen: Beeindrucken und dabei die ‚Türschwelle‘ möglichst niedrig halten.“

Umdasch: Kompetenz-Mosaik

Umdasch nutzt die EuroShop 2023 auch, um die Kompetenzfelder eigener und externer Partnerunternehmen darzustellen: Die Umdasch-Beteiligung „Store Makers Middle East“ aus Dubai stellt am Messestand ihre Referenzprojekte im Luxussegment vor, auch die türkische Marke Umdasch Madosan, Spezialist für Schwerlastregale, wird da sein. Der führende Scan & Go-Anbieter Shopreme demonstriert als Teil von Umdasch Group Ventures Einkaufserlebnisse der Zukunft. Letztere präsentiert sich als Ergänzung des General-Contracting-Angebots der Store Makers mit ihrer Beteiligung „NeoTwin“ als Experte für die Digitalisierung des Gebäudelebenszyklus. Eine besondere Partnerschaft kam mit Ledcon als Spezialisten für LED-Displays zustande: Der moderne Marktplatz auf der EuroShop wird u. a. mit einer rund 20 qm großen LED-Wall bespielt. Der Elektronikanbieter Samsung ist mit an Bord und präsentiert vor Ort verschiedene Einsatzmöglichkeiten für Digital Signage.

Gemeinsam stark

Netzwerken und in den Austausch gehen, Teilkompetenzen zusammenlegen, ein breites Spektrum an Know-how und Lösungsansätzen abdecken, um gemeinsam der Zukunft Gestalt zu geben, so lautet die Aufgabe. Store-Konzeptionen sind komplex geworden. Läden können nicht mehr als Solitäre geplant, sondern müssen in ihrem Gesamtkontext aus Omnichannel-Services, Social-Media-Marketing, Filialnetz, Branding und Standort sowie unter Nachhaltigkeitskriterien entwickelt werden. Dafür braucht man funktionierende Netzwerke. Umdasch präsentiert zum Messeauftritt eine Reihe interner und externer Partnerunternehmen (siehe Kasten). Die Schwitzke Gruppe kommt mit der Gesamt-Geschäftsführung auf die EuroShop und bringt auch ihr jüngstes „Baby“ mit, die auf Lichtkonzepte spezialisierte Candus GmbH.

Um die Chancen digitaler Marketingtools auf der Verkaufsfläche zu nutzen – wie hier bei Lucid Motors in München – ist die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten erforderlich.

Um die Chancen digitaler Marketingtools auf der Verkaufsfläche zu nutzen – wie hier bei Lucid Motors in München – ist die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten erforderlich.
Foto: Christel Robleto/Umdasch

Motto Nachhaltigkeit

Der Stand von Schwitzke ist recyclingfähig. Auch Schweitzer stellt im Zeichen der Wiederverwertbarkeit aus: „Ein Großteil dessen, was wir an Material auf der EuroShop einsetzen, war entweder schon vorher bei uns in Gebrauch oder wird nach der Messe inhouse und bei unseren Projekten wiederverwendet. So sind z. B. die Außenseiten und der Boden des Stands mit OSB-Platten verkleidet, die anschließend auf unseren Baustellen eingesetzt werden. Viele der verwendeten Möbel bestehen aus recycelbarem Material“, sagt Niels Dellantonio, Sales Manager Deutschland/Österreich bei Schweitzer.

Das Messemotto bei Umdasch lautet „Sustainable Together“. In einer luftigen Naturfassade aus über 500 Efeupflanzen ist die Standfläche als Marktplatz, grüne Oase, lebendiger Treffpunkt und Innovationshub inszeniert. Inmitten von sechs „Marktständen“, die für die Umdasch-Kompetenzen stehen, liegt ein Nachhaltigkeitsbereich, in dem den Besucher:innen der umweltschonende Umgang mit Ressourcen und der Einsatz nachhaltiger Store-Materialien und Produktideen im künftigen Einzelhandel nähergebracht werden soll.

Der Unverpackt-Trend – wie hier bei Reformhaus Herrmann – gibt dem Ladenbau neue Impulse.

Der Unverpackt-Trend – wie hier bei Reformhaus Herrmann – gibt dem Ladenbau neue Impulse.
Foto: Umdasch

Liganova bringt sein Tochterunternehmen Code Gaia zur Messe mit, spezialisiert auf webbasierte CO2-Analyse und -Messung und Partner bei der Entwicklung von sogenannter Sustainability Software. Torsten Dietz, Managing Director Liganova: „Nachhaltigkeit wird in der Experience- und Retail-Branche immer noch oft mehr als Limitierung denn als Chance wahrgenommen. Unser Ziel ist es, Kund:innen ganzheitliche Lösungen zu bieten, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette – also ein holistisches Beratungs-, Design- und Produktionsangebot sowie auch spezifische CO2-Kalkulations-Softwaresolutions. Wir wollen dazu beitragen, dass Nachhaltigkeit nicht länger als komplexe Herausforderung wahrgenommen wird.“

Wandelbare Elemente

Noch beweglicher und variabler, noch modularer: Während die Suche nach ressourcensparenden, nachhaltigen Optionen im Shopfitting eine langfristige Herausforderung darstellt, versprechen bewegliche, vielseitig einsetzbare Ladenbauelemente schnelle Unterstützung. Bei Schweitzer wurde das Prinzip der flexiblen Plug-in-Module für den Lebensmittelhandel weiter ausgebaut. Die komplette Kühlmöbellinie, wie z. B. Wandkühlmöbel, gibt es nun auch in steckerfertiger Version aus hauseigener Produktion. Mit Rollen ausgestattet, ist diese Möbel-Familie variabel in der Lage, eine Ladenfläche zum Marktplatz zu verwandeln, auf dem fortlaufend Neues passiert.

Flexible Ladenbaumodule sind auch bei Concept-S Ladenbau & Objektdesign ein zentrales Thema für die EuroShop, wie Kirsten Lind, Marketing, bestätigt: „Natürlich kann nicht jeder Händler sein Geschäft mehrmals im Jahr komplett oder teilweise umgestalten, damit die Kunden immer wieder neu überrascht werden. Aber auch Veränderungen im kleinen Rahmen können große Wirkung erzielen.“ Concept-S zeigt innovative Präsentations- und Einrichtungssysteme aus filigranen Stahlprofilen, die sich zu Schaufenstergestaltungen, frei stehenden Präsentationen im Mittelraum, Raumteilern, Präsentationsmodulen und selbst Stauraum-Möbeln ineinanderstecken lassen.

Shops nach Maß

Die Entwicklung des Handels hin zum situationsbedingten Einkauf erfordert Transformationen.

Die Entwicklung des Handels hin zum situationsbedingten Einkauf erfordert Transformationen.
Foto: Wanzl

Hinter den Kulissen des Messeauftritts haben die Ladenbauer mit Materialbeschaffung, Baukosten und Lieferketten zu kämpfen. „Unsere tägliche Herausforderung ist es, eine bestehend hohe Qualität zu liefern, bei gleichbleibenden Budgets“, heißt es bei Schwitzke. Parallel müssen passende Lösungen für die individuellen Anforderungen entwickelt werden, wie Bernd Renzhofer, Geschäftsführer Vertrieb bei Wanzl, beschreibt: „Zu den zentralen Themen zählen situationsbedingtes Einkaufen wie Multichannel, Vernetzung von Online mit Offline, 24/7-Formate und E-Commerce, zudem zeigen wir Möglichkeiten, dem gravierenden Personalmangel entgegenzuwirken.“

Die Transformation muss dabei auch innerhalb der Unternehmen selbst vollzogen werden. Renzhofer: „Um hier mitzuhalten, treiben wir den internen Transformations- und Change-Prozess bei uns voran. Wir wollen mit dem Kunden genauso gut über emotionales Ladenbaudesign, IoT-Lösungen oder Cloud-Architektur diskutieren können wie über das Drahtbiegen.“