Supermarkt, SB-Warenhaus, Discounter – die Betriebsformen im Lebensmitteleinzelhandel sind klar definiert, allerdings sind die Grenzen zwischen den Ladenformaten fließend geworden. Die Großflächenspezialisten haben die Notwendigkeit der Nahversorgung in den Innenstädten erkannt und investieren verstärkt in kleine City-Märkte, selbstständige Lebensmittelkaufleute eröffnen Supermärkte im SB-Warenhaus-Format.
Der Supermarkt muss die Frischesortimente weiter forcieren und qualitative Akzente gegenüber den Discountern setzen.
Jörg HieberFür den Veränderungsprozess verantwortlich sind vor allem demografische und soziokulturelle Entwicklungen. Eine zunehmende Zahl von Single- und Kleinhaushalten kauft bevorzugt kleinere Mengen für den Tagesbedarf, der Wocheneinkauf spielt hier immer weniger eine Rolle. City-Nahversorgermärkte erfüllen die Nachfrage nach Frischeprodukten in guter Qualität in kleinen, conveniencegerechten Packungsgrößen. Auf der anderen Seite können wirtschaftliche Erwägungen der Betreiber den Ausschlag geben, in große Supermarktflächen zu investieren, wenn der Standort dafür geeignet ist. „Größere Flächen sind kosteneffizienter, sie verursachen weniger Betriebskosten im Vergleich zu kleineren Märkten und erreichen daher eine höhere Flächenproduktivität“, sagt Thomas Krist vom Ladenbauer Ganter Food.
Nach Einschätzung von Philipp Karmann vom niederländischen Planungsbüro Jos de Vries The Retail Company wird die fortschreitende Differenzierung künftig in drei unterschiedliche Ladenformate münden. Den auf den schnellen Einkauf („Grab & Go“) spezialisierten Convenience-Store, den traditionellen Supermarkt und den Pick-up-Store als Abholstation für online bestellte Lebensmittel. Karmann: „Bei unseren aktuellen Kundenprojekten kristallisiert sich immer mehr heraus, dass sich der normale Supermarkt in Richtung eines Drei-Welten-Konzepts entwickelt – bestehend aus Lebensmitteltrockensortiment, Frischewelt und Gastronomie.“
Marktintegrierte Gastro-Konzepte sind für die Supermarkt-Betreiber ein zwar personalintensives, aber lukratives Zusatzgeschäft und wichtiger Frequenzbringer. Drei von vier Kaufleuten im deutschen Lebensmitteleinzelhandel planen in den kommenden drei Jahren den Ausbau ihres Gastronomieangebots. Die „Heiße Theke“ ist dabei heute schon Standard, in Zukunft gehört auch das Bistro zum Angebot eines Supermarktes dazu. Der Einkauf im Supermarkt muss mehr sein als nur den Bedarf zu decken, er soll Spaß machen, inspirierend sein und ein Erlebnis bieten. Wer das nicht macht, ist letztlich ersetzbar – durch andere Geschäfte oder durch den Online-Handel. Dieser steht zwar bei Lebensmitteln erst am Anfang, wird aber für die Branche zunehmend relevant. „Der Lebensmittelhandel ist gefordert, Ideen zu entwickeln für eine Integration von Online in den stationären Handel“, sagt Bernhard Schweitzer vom Ladenbauunternehmen Schweitzer AG in Naturns/Italien.
Profilieren im Wettbewerb
Gastronomische Angebote und ein breites, auf Qualität ausgerichtetes Sortiment sind für die Supermärkte wichtige Instrumente, sich gegenüber den preisorientierten Lebensmittel-Discountern abzugrenzen. Diese haben inzwischen nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen hochentwickelten Märkten beachtliche Marktanteile erreicht. Warenangebot und Marktauftritt der Discounter haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Die Sortimente haben sich im Vergleich zu den Anfangsjahren mehr als verdreifacht, Frischwaren wie Obst und Gemüse, Fleisch sowie Brot und Backwaren sind längst Standard. Die Gebäudearchitektur wurde aufgewertet und die Einrichtung ebenfalls auf ein höheres Niveau gebracht. Palettenstraßen im schütteren Licht von Leuchtstoffröhren gehören der Vergangenheit an, auch die Discounter müssen heute Wertigkeit ausstrahlen, und sie haben Regalierung, Kühleinrichtungen und Beleuchtung kräftig aufgewertet.
Ich bin immer für Ladenbaukonzepte, bei denen das Produkt und nicht die Ladeneinrichtung selbst präsentiert wird.
Bill Cumming„In Deutschland, aber auch in Europa verändert sich der Food-Handel insgesamt in Richtung Upgrade, und zwar über alle Betriebsformen“, unterstreicht Ingo Meckbach von Linde Ladenbau. Für die Supermärkte geht es darum, den Abstand zum Discount zu halten oder ihn auszubauen. Denn auch hier werden Sortimente erweitert. Frische wird ausgebaut, und handwerkliche Produktion findet sich immer häufiger in den Supermärkten der neuesten Generation. Bäckerei oder Fleischerei, Brauerei, Kaffeerösterei, eine Station zur Herstellung frischer Nudeln, eine Sushi-Theke und natürlich die Küche für frische Obstsalate, Gemüsemischungen oder leckere Desserts – all dies bietet der moderne Supermarkt. Er ist nicht mehr nur Verteiler, sondern auch Hersteller von hochwertigen Nahrungsmitteln.
Abteilungskonzepte
Die Ladenarchitektur der Supermärkte wird zunehmend geprägt durch klar gegliederte Abteilungskonzepte. Nicht nur die Obst-, Gemüse- und Weinabteilungen werden heute optisch eigenständig geplant, auch andere Sortimente werden zunehmend wie eigene Fachgeschäfte präsentiert. Käse- und Wurstabteilungen verlagern ihren Standort oft weg von der logistisch günstigen Randlage. Selbst die Kühlregale für frische Nudeln sind in der Mitte des Verkaufsraums umgezogen, um hier in direkter Nachbarschaft zu den Teigwaren-Produkten aus dem Trockensortiment den Kunden ein in sich geschlossenes bild des gesamten Pasta-Angebots bieten zu können. Eine attraktive, aber auch aufwändige und kostenintensive Form der Präsentation, da zusätzliche Versorgungsleitungen in die Ladenmitte verlegt werden müssen. Insgesamt ist festzustellen, dass die Nachfrage kleiner werdender Haushalte nach frischen Convenience-Produkten den Bedarf an Flächen für gekühlte Frischeprodukte deutlich erhöht hat.
Das Frischesortiment ist und bleibt für die Supermärkte das wichtigste Profilierungsinstrument. „Der Trend geht dazu, die Frische noch deutlicher hervorzuheben, zum Beispiel durch Verwendung natürlicher Materialien und organischer Formen“, sagt Jörg Linssen von Wanzl Ladenbau. Wichtig sei es, Obst und Gemüse nicht isoliert zu verkaufen, sondern um Zusatzangebote und Impulsartikel zu erweitern. Linssen: „Der Kunde will nicht nur einen Kopfsalat, sondern dazu auch das passende Dressing, Essig, Öl und Gewürze in unmittelbarer Nähe vorfinden.“ Es gehe darum, das Frische-Angebot erlebbar und erfahrbar zu machen, etwa über Verkostung oder Live-Zubereitung, ergänzt Thomas Krist von der Ganter Food GmbH.
Eine Möglichkeit der emotionalen Aufladung von Obst-und Gemüseabteilungen besteht darin, eine Marktplatz-Atmosphäre zu schaffen. Marktstandähnliche Aufbauten mit Körben und Schiefertafeln oder Designbeläge mit Kopfsteinpflastermotiven als Fußboden sind hier gerne verwendete Stilmittel. „Im Frische-Bereich hält der Markthallencharakter immer mehr Einzug“, bestätigt Philipp Karmann von Jos de Vries. Dekorative Pendelleuchten mit großen Lampenschirmen wie etwa in den niederländischen Landmark-Geschäften verleihen den Abteilungen ihr besonderes Flair. „Bei den Frischetheken bewegen wir uns von der klassisch-geraden Führung weg zu der vordergründig wahllosen Aufstellung von Theken im Markt – mit der planerischen Herausforderung, den Abteilungscharakter zu wahren“, so Karmann weiter. Für die Warenpräsentation in den Märkten kommen heute verstärkt Mittelpulte mit waagerechten Auslagen in Tischhöhe zum Einsatz, ergänzt Peter Prisching von der Umdasch Shopfitting Group: „Man geht von der vertikalen Warenpräsentation weg hin zur horizontalen.“
Farben und Materialien
Das Trading-up der Supermärkte spiegelt sich auch in den Farben und Materialien wider. Trotz der Dominanz von Stahl gewinnt Holz eine immer größere Bedeutung für die Einrichtung von Supermärkten. Regale, Bedienungstheken, Beschriftungen, Kassen – überall finden sich heute Holzelemente, die besondere Natürlichkeit ausstrahlen und Qualität demonstrieren. Vor allem Eichenholz erfreut sich aktuell großer Beliebtheit.
Anthrazit und dunkles Grau bestimmen weiterhin die Farbwahl bei der Grundausstattung (Boden, Decke, teilweise Wände) und lichte Grautöne die Optik der Regalierung. Diese neutralen Farben erlauben dann umso kräftigere Kontraste an Blenden, Regalaufsätzen, Deckensegeln oder Pendelleuchten. Rot, Gelb und Blau sind als klassische Farbgebung der Bedienungsabteilungen zwar immer noch dominant, werden aber in manchen Projekten schon durch sanfte Farbtöne abgelöst. „An der Wischtechnik für Terracotta haben sich die meisten satt gesehen“, sagt Thomas Krist von Ganter Food. „Großformatige Fliesen an Boden und Wand geben eine großzügigere Optik, wie es auch in der Architektur der Trend ist, weg vom 30×30-Format“.
Anspruchsvolles Essen ist ein elementarer Bestandteil des modernen Supermarktes.
Friedhelm DornseiferBill Cumming, Inhaber von Twelve Studio aus London und verantwortlich für das Storedesign von Sainsbury’s-Supermärkten in Großbritannien, warnt davor, sich bei den Farben von kurzfristigen Trends leiten zu lassen. „Es ist viel wirkungsvoller, von einem ausdrucksstarken Farbkonzept ausgehend ein stimmiges Gesamtkonzept zu entwickeln, als den eigenen Stil einem vorübergehenden Trend zu unterwerfen.“
Orientierung im Markt
Je größer der Supermarkt, umso wichtiger ist es, dass der Kunde sich im Laden zurechtfindet. Niedrige Innenraummöbel ermöglichen eine gute Einsehbarkeit und erleichtern die Kundenorientierung ebenso wie die verschiedenen Formen der Instore-Kommunikation.
Neben Farbleitsystemen werden auch im Food-Bereich gerne Mood-Fotos eingesetzt, die Konsumstimmungen oder bestimmte Verwendungssituationen abbilden. In Supermärkten haben sich darüber hinaus auffallend große, dreidimensionale Schriften durchgesetzt. Eine klare Kategoriebeschreibung ist für die Navigation im Markt das A und O. Die Orientierung im Markt wird aber immer mehr durch die räumliche Übersicht erreicht als durch eine Überinformation, meint Ingo Meckbach von Linde Ladenbau: „Kundenleitsysteme sind immer mehr die Übersicht im Markt und weniger die Überinformation in Schrift und Bild.“ Bill Cumming teilt diese Einschätzung: „Die bei Weitem erfolgreichste Form, Kunden durch den Laden zu leiten, besteht darin, für eine intuitive Orientierung zu sorgen. Ein einfacher, logischer Aufbau und eine gute Einsehbarkeit des Ladens führen eher zum Ziel als eine Unzahl verschiedener Schilder.“
Investitionen
Die gestiegenen Ansprüche des Lebensmitteleinzelhandels an das Storedesign führen im Ergebnis zu steigenden Investitionen in Ladenbau und Geschäftsausstattung. Das belegen die Ergebnisse des aktuellen EHI-Ladenmonitor 2014. Allein für die Einrichtung neuer Geschäfte investierten die Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland im Jahr 2013 rund 800 Mio. Euro. Das sind 37 Prozent mehr als 2009. Der hohe Anstieg ist zwar zum Teil durch die starke Expansion bedingt, wesentlich aber auf Erneuerungen und Modernisierungen mit dem Ziel einer Aufwertung der Verkaufsflächen zurückzuführen.
Hinzu kommt, dass steigende Energiekosten im Einzelhandel die Investitionen in neue energieeffizente Technologien in den Bereichen Kühlung und Ladenbeleuchtung forcieren, da sich damit deutliche Kosteneinsparungen realisieren lassen. Und auch die öffentliche Diskussion um die Qualität von Lebensmitteln, immer stärker aufflammende Krisen und viel Kritik an der mangelnden Wertschätzung für Lebensmittel tragen ihren Teil dazu bei, dass der Lebensmitteleinzelhandel seine Investitionen in hochwertigere Konzepte forciert.
Fotos: Hieber (4), Jos de Vries (1), Linde Ladenbau (1), Schweitzer AG / Interstore (1), Wanzl Ladenbau (1)
Weiß kombiniert mit Holz
Steve Collins, Joint Managing Director von JHP Design, London, zu Fragen nach Kundenleitsystemen, Farbtrends und den USA als Vorreiter in Sachen Storedesign.
Wie kann das Storedesign die Kundenorientierung im Markt erhöhen? Oder reichen hierzu die klassischen Kundenleitsysteme aus?
Wenn es sich um einen Kunden handelt, der mit einer Einkaufsliste den Supermarkt betritt, dann wird er mit konventionellen Leitsystemen gut zurecht kommen. Es gibt aber auch viele andere Kundenlaufmuster, die funktionieren. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, Kunden in Bereiche mit Fertiggerichten zu leiten oder ein Leitsystem zu nutzen, das die Tageszeit berücksichtigt. Eine klare Beschilderung bleibt aber das A und O.
Welche Trends beobachten Sie aktuell bei den Farben im Ladendesign von Supermärkten?
Das Farbkonzept wird in erster Linie durch die Marke des Einzelhandelsunternehmens bestimmt. Konstant ist die Tendenz zu Weiß, aktuell kombiniert mit Holz. Das transportiert die Idee von Sauberkeit, und durch das Holz kann ein weicherer Gesamteindruck und das Gefühl von Wärme vermittelt werden.
Die USA galten lange Zeit als Vorreiter in Sachen Storedesign. Ist das heute immer noch der Fall?
Heute kommt man aus den USA nach Europa, um sich im Bereich Ladenbau umzusehen. Gut sind die Amerikaner nach wie vor bei der Präsentation von Lebensmitteln. In Bezug auf Effizienzsteigerungen waren die US-Lebensmittelhändler wegweisend – doch heute sind hier alle Länder auf dem gleichen Stand.
Weitere Informationen: www.jhp-design.com