Der Juwelier Gindl im Donau EKZ Wien hat in seinem Geschäft alle Vitrinen sowie alle Türen in die rückwärtigen Räume mit einem elektronischen Schließsystem gesichert. Weder Griff noch Schlüsselloch lassen erkennen, wie die Vitrinen geöffnet werden können: Dafür tragen die Mitarbeiter ein wertig aussehendes Armband mit einem eingelassenen Datenträger. Per Funkkontakt mit einer versteckt eingebauten Elektronik können sie den Öffnungsmechanismus betätigen. Dabei kann innerhalb einer definierten Gruppe immer nur eine Vitrine geöffnet werden – die anderen sind in diesem Fall automatisch blockiert. Die Zahl der in diese Sperrfunktion einbezogenen Vitrinen sowie die Blockadezeiten sind individuell einstellbar. Auch kann eine Zeitverzögerung programmiert werden: Die Vitrine wird dann zum Beispiel erst 20 Sekunden nach dem Öffnungsimpuls zugänglich. Und falls ein Mitarbeiter in der Eile vergisst, sein Armband nach Geschäftsschluss abzugeben, wird das System neu programmiert.
Dass Juweliere und andere Händler mit hochwertiger Ware in moderne Sicherheitstechnik investieren, kommt nicht von ungefähr. In Deutschland, so die Kriminalstatistik, steigt die Zahl der Delikte und versuchten Delikte im Uhren- und Schmuckeinzelhandel. Bei einem Zuwachs von jährlich um rund 20 Prozent entfallen knapp die Hälfte der Taten auf Einbrüche. Raubüberfälle nehmen einen Anteil von 17 Prozent ein. Rund 30 Prozent sind (Trick-)Diebstähle.
Teil eines Sicherheitskonzepts
„Vier Fünftel der Diebstähle ließen sich vermeiden, wenn Sicherheitsmaßnahmen verbessert und Mitarbeiter sensibilisiert und besser geschult würden“, erklärt Martin Winckel vom Internationalen Juwelier-Warndienst (www.warndienst.com). Winckel dokumentiert, teilweise bis ins Detail, europaweit die einzelnen Taten – als Lehrstücke für andere Händler und ihre Mitarbeiter. „Die Szene entwickelt ständig neue Maschen. Erschreckenderweise haben die Täter aber auch mit Uralt-Tricks immer wieder Erfolg“, berichtet Winckel.
Beispiel: Darmstadt, 11. Oktober 2011. Ein Paar in einem Juweliergeschäft lässt sich Ware aus der oberen Vitrine zeigen, gibt dann aber Interesse an einem Stück in der unteren Vitrine vor. Während die Verkäuferin sich bückt, wird oben die Ware gezogen. Ein blockierendes elektronisches Schließsystem hätte diese Tat verhindern können.
„Das vorherige Auskundschaften geht allen Taten voraus“, berichtete Andrea Scholz, Inhaberin der Firma Risk Prevention & Consulting, auf dem Seminar „Safer Shops“ des dlv Deutscher Ladenbau-Verband, das im Oktober 2011 in Würzburg stattfand. Scholz: „Sicherheitslücken werden rigoros ausgenutzt. Umgekehrt führen hohe Sicherheitsstandards dazu, dass sich Kriminelle häufig ein anderes Objekt aussuchen.“ Weil sichere Vitrinen nur einen Baustein in einem umfassenden Sicherheitskonzept darstellen, referierten auf dem dlv-Seminar weitere Experten zu den Themen Alarmanlagen, Außenhaut-Sicherung, Videoüberwachung und Türschleusen.
Sicherheit hat allerdings auch bei Vitrinen ihren Preis. „Die Kosten einer speziell geschützten Vitrine liegen in etwa doppelt so hoch wie bei einer herkömmlichen Vitrine“, erklärt Ingenieur Lothar Steiner von der Spezialfirma ShopCrea GmbH im österreichischen Wels (www.shopcrea.com). Dafür erhält der Händler neben elektronischen Schließsystemen aber auch weitere Sicherheits-Funktionen wie verstärkte Rahmen und Sicherheitsglas, etwa das speziell entwickelte „Silatec“-Laminatglas der Firma Silatec (www.sicherheitsglas.de). Hinzu kommen verstärkte Bodenverankerungen und Kippschutz-Mechanismen. Bei Raubüberfällen leisten solche Vitrinen erheblichen Widerstand und lassen sich auch durch schweres Gerät wie etwa einen Vorschlaghammer nicht ohne Weiteres zerstören.
Preiserhöhend wirkt auch, dass Sicherheitsvitrinen individuell nach Kundenwunsch hergestellt werden. Ein Anbieter ist die Firma Schmitt-Ladenbau in Würzburg. Geschäftsführer Ernst Maier: „Der Händler kann sich damit die Bausteine für eine spezielle, auf seine Sicherheitsbedürfnisse zugeschnittene Lösung zusammenstellen.“
Doch eines wurde auf dem Seminar „Safer Shops“ auch klar: Hochwertige Sicherheitsvitrinen entfalten ihr Potenzial am besten, wenn sie in ein Sicherheitskonzept integriert sind, nämlich die Kombination mit Alarmanlagen, Videoüberwachung und Türschleusen.
Weitere Informationen: www.ladenbauverband.de
Fotos: Schmitt Ladenbau (1), Shopcrea (2)
Hochwertige Materialien unerlässlich
Andrea Scholz, Inhaberin der Firma Risk Prevention & Consulting in Celle, ist langjährig erfahrene Sicherheitsberaterin für den Handel.
Welchen Schutz bieten Sicherheitsvitrinen vor Trickdiebstahl?
Voraussetzung für den „Erfolg“ eines Trickdiebstahls ist, das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen. Die Konzentration des Personals muss auf einen anderen Vorgang – z.B. ältere Dame erleidet Kreislaufschwäche – fokussiert werden. In einem solchen Fall bieten blockierende und alarmgebende elektronische Systeme deutlich mehr Sicherheit. Außerdem erhöhen sie schon im Vorfeld, beim Ausspionieren der Tatorte, die Abschreckungswirkung.
Und bei einem Raubüberfall?
Im Gegensatz zum Trickdieb vermeidet der Räuber einen näheren, länger dauernden Kontakt mit Personen im Geschäft. Ein Raubüberfall ist häufig in weniger als drei Minuten vorbei. Dementsprechend schnell, oft brutal und meist sehr lautstark wird er durchgeführt. Da werden vorher Zeitberechnungen vorgenommen, vom Eintritt durch eine offene oder geschlossene Eingangstür bis zum Standort der Vitrine und zurück. Die Kalkulation der Fluchtwege und
-möglichkeiten erfolgt unter Hinzurechnung der Zeit zum Einschlagen und Aufbrechen der Vitrine beziehungsweise ihrer kompletten Entwendung. Zum Schutz vor diesem Risiko ist der Einsatz hochwertiger Materialien unerlässlich.