Sport steht für Leidenschaft, Teamgeist und Community, Technologie und Hochleistung – jede Menge emotionaler Rohstoff also für attraktive Store-Inszenierungen und ein überzeugendes Storytelling. „Im Store werden Geschichten erzählt: über Sportler, über die Sportart, über die Welt des Sports, über die Marke, über das Unternehmen“, meint Maria Pohlmann von ppm Planung und Projekt Management.
Jedoch nutzen immer noch viele Sport-Stores die emotionale Reichweite des Themas kaum. „In vielen Sportläden wird man durch nichts angesprochen. Dem mittelständischen Sportfachhandel gelingt es oft gar nicht, am POS mit Emotionen zu spielen“, kritisiert der Architekt Christian Stötzer, der u.a. Store-Auftritte für Fashion- und Sportmarken wie Adidas entwickelt. „Das Problem liegt vielfach am immensen Warendruck und häufig an einer personellen Unterbesetzung. Überfrachtung mit Ware, Durcheinander und fehlende Flächen für Inszenierung sind die Folgen.“
Laut dem Einkaufsverband Sport 2000 rutschte der ihm angeschlossene Sportfachhandel im Süden der Republik im vergangenen Jahr ins Umsatzminus, während Sporthändler in der nördlichen Hälfte der Republik im Schnitt ein Plus verzeichnen konnten. Dahinter offenbaren sich grundsätzliche Veränderungen in der Art, Sport zu treiben und zu konsumieren, die die Konzepte des Sportfachhandels zunehmend prägen. Die Branche Sportfachhandel fächert sich immer weiter auf in spezialisierte Segmente und Zielgruppen bzw. Sportarten mit unterschiedlichen Konjunkturen. Dass der Wintersport, die Domäne des Handels in den Alpen-nah gelegenen Bundesländern einbricht, ist mehreren späten und milden Wintern in Folge geschuldet, aber auch neuen Konsummustern: Skier werden in den einschlägigen Wintersport-Hot-Spots zunehmend gemietet, berichtet Sport 2000. Sharing Economy nennen das die Trendforscher.
Dass das Geschäft im Norden besser verlief, liegt an den dort favorisierten Sportarten: Running, Jogging oder Walken sind ohne großen Aufwand überall und jederzeit auszuüben und erweisen sich als stabil und breitenwirksam. Biking und Schwimmen sind ebenfalls Ganzjahresthemen. Der Teamsport mit dem Dauerbrenner-Thema Fußball lässt Fanshops und Soccer-Formate entstehen. In Sachen Sport-, Turn- und Laufschuh profilieren sich Sneakers-Stores gegenüber Multisport-Sortimenten. Das Outdoor-Segment, viele Jahre lang Boom-Thema und Garant für zweistellige Umsatzzuwächse, stagniert.
„Der Outdoor-Consumer ist inzwischen relativ alt, wir müssen uns stärker um den Nachwuchs kümmern“, räumte Andi Schimeck, Vizepräsident des BSI Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie auf der letzten Sportartikelmesse Ispo in München ein.
Storekonzepte für aktive jüngere Zielgruppen setzen stark auf Community-Charakter und Technologie. Besonders die führenden global aktiven Sportmarken peitschen die Innovationen am POS in hypermodernen Store-Formaten voran. „Wir müssen unsere Kunden fesseln von dem Moment an, wo sie den ersten Schritt in den Laden tun“, sagt Ted Mager, Chef Global Retail Environment bei Adidas. HomeCourt, das jüngste Format der Adidas-Store-Familie, empfängt den Besucher mit einem tunnelähnlichen Portal, in dem Fan-Jubel ertönt. Interaktive digitale Schuh-Bar und LED-Screens, Sound-Dusche und ein „Team Room“ als Umkleide und „Social Space“ sind weitere Instore-Gadgets.
Mehr Technologie
Viel Erfahrung mit der Akzeptanz digitaler Technologie am POS sammelte Stephan Bouren in den letzten Monaten. Bouren verantwortet den Flagshipstore von Deutschlands größtem Fußball-Onlineshop 11teamsports, der im vergangenen Sommer in Berlin eröffnete. Mit LED-Video-Wall, Laser-Customisation und über Screens und iPads eingebundenem Webshop ist der 1.400 qm große Store ausgerüstet mit digitalem und analogem Equipment der jüngsten Generation. QR-Codes erwiesen sich in der Endverbraucher-Kommunikation als Flop, und die Tablets, die für die Kunden bereitstehen, um den Onlineshop zu checken, wurden auch nur mäßig angenommen, berichtet Bouren.
Ein „Teamsport-Konfigurator“, der Orientierung durch den Trikot-Dschungel bietet, wird demnächst auf der Fläche gelauncht. Eine Media-Wall zum Teilen von Kunden-Fotos, -Texten und -Videos kommt im Mai. „Im Sportswear-Bereich wurde auf iPad-Kassen umgestellt, da die Zielgruppe mobil unterwegs und aus den Apple-Stores gewohnt ist, überall bezahlen zu können und nicht an einer Kasse in der Schlange zu stehen“, berichtet Bouren. Letztendlich geht es immer um Zielgruppen-spezifischen Nutzen und Mehrwert, betont Bouren: „Das Learning ist: Wir eliminieren alle Hürden. Easy-Shopping steht im Vordergrund. Wenn digitale Elemente nützlich sind und/oder Spaß bringen, werden sie angenommen. Was kompliziert ist, fliegt raus.“ Keine überzogene Online-Welt ist sein Ziel, sondern digitale Elemente dort zu installieren, wo sie das Erleben der Fußballwelt vertiefen und die „Einkaufsmechanik“ verbessern. Auch ein soziales Medium bei 11teamsports: ein kleiner, dem Laden angeschlossener innenliegender Court, auf dem gekickt und bei Pizza gemeinsam Spieleübertragungen geguckt werden.
Mehr Ordnung
„Manche Sportgeschäfte präsentieren sich unordentlich und wenig strukturiert. Das stößt den Kunden ab und lässt hochwertige Markenartikel billig wirken“, analysiert Sissy Koch-Schüssler von Trend-Store Shop Creation schonungslos. Droht der mittelständische Vollsortiment-Sporthändler abgehängt zu werden? „Der mittelständische Fachhandel ist durch die Nähe zu den Sportvereinen viel direkter am Kunden. Das ist ein immenser Vorteil, den er besser nutzen und ausbauen sollte“, meint Koch-Schüssler.
Auch Sport 2000 empfiehlt seinen Anschlusshäusern, über die lokale Identität einen Gegenentwurf zu den Großstadt-Stores der globalen Marken aufzubauen. „Fortbildung und Schulung des Einkaufspersonals sind neben einem guten Storedesign das A und O. Die individuelle fachliche Beratung wird durch das Internet nicht ersetzt. Aus gestalterischer Sicht ist weniger manchmal mehr. In vielen Läden hat sich ein Sammelsurium unterschiedlicher Shopmodule, Gondeln und Warenträgern aufgebaut, das den Kunden abschreckt. Mit mehr Freiraum und weniger Ware am POS würden viele Geschäfte mehr erreichen.“
Sissy Koch-Schüssler sagt dazu: „Um den Kunden unterbewusst positiv anzusprechen, braucht ein Laden Struktur und Ordnung, einen Rhythmus aus Haltepunkten und Warengruppen, Übersichtlichkeit und Bildsprache. Der Sporthändler sollte sich vergegenwärtigen, dass ein funktionierender Laden nicht nur von der Höhe der Investition abhängt, sondern schon mit geschickten Zäsuren gute positive Signale erzielt werden können.“
Fotos (4): Max Schulz (2), Adidas (1), Martin Kunze (1)
Spezialisierung und Orientierung
Als Innenarchitekt bei D.S.D.5 Department Store Design in Mülheim an der Ruhr entwickelt Johannes Lorkowski Erlebnisräume, so auch für den Sportfachhandel.
Die Spezialisierung im Sport schreitet voran. Fluch oder Segen für den Sporthändler?
In einem Haus alle möglichen Sportthemen zusammenzufassen wird immer schwieriger. Spezialisierung betrifft die Sportarten, die Sport-Sortimente und schließlich auch den Handel. Damit der Kunde sich in den entsprechenden Themenwelten zurechtfindet, haben sowohl innenarchitektonische als auch grafische Orientierungsmerkmale oberste Priorität. Das Zeit-Management des Kunden spielt eine große Rolle bei der Kaufentscheidung am POS.
Was raten Sie einem Sportfachhändler mit Sortimentsmix im Mainstream?
Wir müssen uns wieder angewöhnen, mit dem Kunden aktiv zu sprechen, und sei es mithilfe von Displays, Motiven und Beschriftungen. Ich muss dem Kunden auf den ersten Blick im Store zu erkennen geben, wo er die verschiedenen Sortiments-Schwerpunkte findet. Das Retail-Design muss Hilfestellung bei der Vorauswahl des Kunden leisten. Damen- oder Herren-Sortiment, Fashion oder Funktion, Urban oder Outdoor? Die Themen müssen im Verkaufsraum klar ablesbar sein. Der Kunde darf nicht mit dem unguten Gefühl den Laden verlassen, Zeit vergeudet zu haben.
Orientierung geht vor Storedesign?
Im Idealfall bildet beides eine Symbiose. Das Storedesign sollte der Rahmen für die unterschiedlichen Produktwelten sein. Das Produkt steht im Mittelpunkt, die Einrichtung schafft Atmosphäre und setzt Orientierungspunkte. Auch Orte für die emotionale Aufladung im Store sollten die Orientierung des Kunden unterstützen.
Wie beurteilen Sie den Einsatz von Leistungsdiagnostik, Laufstil-Analyse, Abschlags-Simulator beim Golf und anderes Hightech-Equipment zur Verkaufsunterstützung?
Unterm Strich sind das hilfreiche Werkzeuge, mit denen ich als Händler Kompetenz ausstrahlen kann. Der Kunde wird den Mehrwert in Relation zu seinen eigenen Bedürfnissen sehen. Hightech-Equipment darf aber nie Selbstzweck sein oder zum technischen Gimmick verkommen. Grundsätzlich sollte jedes technische Hilfsmittel im Verkaufsraum dem Kunden die Kaufentscheidung erleichtern und nicht unnötig verkomplizieren.
Veranstaltung: Umdasch Shop Academy-Forum
Mit dem am 22. Oktober 2015 in Wien stattfindenden „Umdasch Shop Academy-Forum“ möchte Umdasch Shopfitting Handelsprofis sowie Spezialisten aus begleitenden Disziplinen eine Plattform für einen Gedankenaustausch bieten. Referenten wie die Trendforscherin Lidewij Edelkoort, der Architekt Daniel Libeskind oder der Wirtschaftsexperte Hans Werner Sinn referieren über die „Zukunft des Konsums“ aus ihrer jeweiligen Perspektive. Als optionale Ergänzung steht am 23. Oktober eine weitere Ausgabe der Shop-Expedition „Laden-Dramaturgie LIVE!“ mit Besuchen von Retail-Highlights in Wien auf dem Programm.
Weitere Informationen: www.umdasch-shop-academy.de/