Funktion trifft Design | stores+shops

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Vorgeschlagene Beiträge

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Aufgeschäumtes Aluminium als Platten

Funktion trifft Design

Der Trend zur Individualität der Geschäftseinrichtung und der Wunsch, die Kunden immer wieder aufs Neue zu überraschen, befeuern die kreative Entwicklung, die große Vielfalt und das optische Raffinement von Materialien zur Oberflächengestaltung. Die EuroShop zeigte Bewährtes und ganz Neues.

Material mit Zukunft: Leichtbauplatten

Material mit Zukunft: Leichtbauplatten

„Create your world of wow“, der Slogan der neuen Plexiglas-Kampagne von Evonik will veranschaulichen, welch breites Spektrum an Möglichkeiten dem Ladenbau des Jahres 2011 zur Verfügung steht. „Klassikern“ wie Holz, Chrom und satiniertes Glas werden neue, mitunter ungewöhnliche „Kombipartner“ zur Seite gestellt. Das Thema gewinnt seit Längerem derart an Bedeutung, dass sogar neue Geschäfts- und Berufsfelder entstehen: Materialbibliotheken und -datenbanken wie Material Connexion in Köln und Raumprobe in Stuttgart bringen Struktur in das vielfältige Angebot, betreiben Trendscouting und beraten. Das Düsseldorfer Designbüro Schwitzke und Partner indes setzt auf Inhouse-Consulting: Eine Mitarbeiterin ist eigens und ausschließlich mit dem Thema Material-Research betraut. Hannes Bäuerle, Inhaber von Raumprobe, überraschte als Referent eines Vortrags auf der EuroShop mit dem Satz: „Neue Materialien gibt es eigentlich nicht.“ Die Begründung des Innenarchitekten: „Unser Planet ist erforscht, weitere Rohstoffe werden höchstwahrscheinlich nicht mehr entdeckt.“ Warum aber hat man gerade jetzt den Eindruck einer fast schon explodierenden Vielfalt an Optionen? Dafür nannte Hannes Bäuerle zahlreiche Gründe, sie bilden die Struktur des folgenden Beitrags.

Wiederentdeckung

Oberfläche mit frappierender 3D-Wirkung

Oberfläche mit frappierender 3D-Wirkung

Manche Materialien feiern ein Revival. „Lavastyle“ heißt beispielsweise ein natürlicher Putz aus Ziegelstaub und Kalk, wie er ähnlich schon vor Jahrhunderten eingesetzt wurde. Jochen M. Messerschmid, Inhaber der MAI Messerschmid Architekten und Innenarchitekten aus Stuttgart, verwendete den Putz für seinen EuroShop-Messestand und „würde gerne einen kompletten Laden daraus gestalten: Boden, Decke, Wände, Möbel.“ Auch das erwähnte Acrylglas (Plexiglas ist ein Markenname) ist ein Werkstoff, der laut Gregor Hetzke und Michael Träxler von Evonik „in den letzten Jahren wiederentdeckt wurde. Wir verzeichnen Wachstumsraten, wie wir sie Jahrzehnte nicht hatten“. Gründe für die Renaissance dürften im enormen Gestaltungsfreiraum liegen, den das Material bietet sowie im anhaltenden Retro-Trend der Sechziger und Siebziger.

Weiterentwicklung

Stein-Imitate mit mineralischer Oberfläche

Stein-Imitate mit mineralischer Oberfläche

Eine weitere Ursache der aktuellen „Blütezeit“ von Acrylglas liegt in der permanenten Weiterentwicklung. Das neue Produkt „Plexiglas LED“ beispielsweise wird von den Kanten ausgehend gleichmäßig über die gesamte Fläche in der jeweils eingespeisten Farbe der LED beleuchtet. „Plexiglas Textures“ sorgt durch „Radiant-Einfärbung“ und eine strukturierte Oberfläche für Regenbogeneffekte, die sich je nach Betrachtungswinkel ändern. „Plexiglas Hi-Gloss“ sind neue Platten mit innen liegendem Dekor. Apropos Hochglanz: Das Material „Creagloss“, das die Trendscouts des Architekturmagazins AIT auf der EuroShop auszeichneten, macht aus Hochglanz Spiegelglanz. Die Verbundplatten, die aus einem Span- oder MDF-Träger bestehen und beidseitig mit zwei Millimeter dicker „Creagloss“-Oberfläche belegt sind, werden von WVS vertrieben. Das Unternehmen aus Bad Wurzach hatte weitere Neuigkeiten im Messegepäck, darunter Oberflächen mit 3D-Wirkung („Kreos 3D“) oder Duftplatten („Kreos Line“), die zum Beispiel Kaffeegeruch abgeben. Die Stein-Reproduktionen der ebenfalls von WVS vermarkteten Marke Panespol – Paneele aus Polyurethan mit echter mineralischer Deckschicht – werden immer authentischer. Dasselbe gilt für die Oberflächen der Marke „Holz in Form“, darunter neue Spalt-Optiken sowie Metallbeschichtungen. Gold-Nugget-Anmutung, Rostwirkung – nichts scheint mehr unmöglich, und was optisch schwer daher kommt ist in Wirklichkeit ganz leicht. Dieser Herausforderung nahm sich auch der Tiroler Holzwerkstoffhersteller Egger (Sitz in Deutschland: Brilon) an, u.a. mit der Entwicklung einer Leichtbau-Wabenplatte, die dekorativen und funktionalen Ansprüchen gerecht wird.

Material trifft Technik

Digitaldruck: Enorme plastische Wirkung

Digitaldruck: Enorme plastische Wirkung

Eine Vielzahl aktueller Material-Innovationen basiert auf neuen technischen Möglichkeiten. Dank Wasserstrahl- und Laser-Schneidtechnik lassen sich heute CNC-gesteuert mit relativ geringem Aufwand große Effekte realisieren – Blütenornamente in Aluminiumplatten beispielsweise. Früher hätte mühsam gefeilt oder gefräst werden müssen. Transluzentes Holz? Auch das gibt es, Lichtleitfasern werden zwischen Massivholzschichten verleimt (Produkt: „Luminoso“).

Individualisierung

Dank der technologischen Neuerungen wird die Individualisierung von Oberflächen, zum Beispiel im firmenspezifischen Corporate Design, erschwinglich. Schon ab Stückzahl eins bieten Westag & Getalit individuelle Digitaldruck-Produkte an (neben eigenen Dekor-Kollektionen). Auf der EuroShop stellte der Spezialist aus Rheda-Wiedenbrück neben dem HPL-Digitaldruck auch ein neues Direktdruck-Verfahren („Direx“) für unterschiedliche Trägermaterialien vor. Hier dringt die Tinte nicht in das Material ein, sondern wird im Anschluss mit einem UV-Lack versiegelt. Selbst fertige Einbauteile, so heißt es, lassen sich auf diese Weise im Nachgang bedrucken.

Neue Kombinationen

Akustikplatte mit Roy-Lichtenstein-Motiv

Akustikplatte mit Roy-Lichtenstein-Motiv

Schon eine unübliche Kombination von Materialien kann neue optische Reize schaffen. Die Agenturen Material Connexxion und Raumprobe sehen eine ihrer Aufgaben darin, etablierte Produkte in neue Anwendungen zu bringen. Auch Jochen M. Messerschmid hält viel vom „Querdenken“. Das kann bedeuten, gegensätzliche Oberflächen nach dem Motto „hart trifft auf zart“ oder „Rustikalität auf Hightech“ miteinander zu kombinieren. Bodenbeläge wie Parkett oder Teppich an die Wand zu bringen, ist eine weitere Alternative. Teppich an der Wand verleitet nicht nur zum Hingucken, sondern auch zum Anfassen, was einen weiteren Trend ins Spiel bringt: Kaum ein Wort war auf den Messeständen der Material- und Ladenbauspezialisten häufiger zu hören als „Haptik“. Sicht- und tastbare Strukturen sind auch das Metier der Design-Paneel-Kollektion „Tokusei“ von Via Domo, Allmendingen. Auf Wunsch können echte Stoffe abgegossen und ihre Oberflächen exakt nachgebildet werden. Geknittertes Textil, verwinkelte Ornamente, gepolsterte Strukturen – alles ist möglich. Weiterer Clou: Das ausgewählte Design kann aus zwei Materialien hergestellt werden, aus Kunststoff oder Beton. Mit entsprechend einheitlicher Optik kann so die Brücke vom Interieurdesign zur Fassaden- bzw. Außengestaltung geschlagen werden.

Nachhaltigkeit

Nicht zuletzt setzt auch das Thema Nachhaltigkeit neue Prozesse in Gang (siehe Interview). Neben ursprünglichen, natürlichen Rohstoffen, die für den Einsatz im Ladenbau wiederentdeckt werden (wie zum Beispiel Weidengeflecht und Flachs beim „Green Shelf“ von Assmann Ladenbau) entstehen aus vermeintlichen Abfällen wieder neue Ladenbau-Materialien. Das können Wandbespannungen aus Reifengummi oder „Fischleder“ sein. Letzteres (Marke „Nanai“) wird aus den „Abfällen“ von Lachsfarmen gefertigt. Als Hingucker mit Wohlfühl-Garantie durch positiven Einfluss auf das Raumklima präsentierte sich auf der EuroShop die „Wonderwall“, eine vertikale Grünfläche. Auf eine Rückwand aus rostfreiem Metall wird eine Vegetationsmatte mit integrierten „Taschen“ aufgebracht. In diese „Taschen“ werden echte Pflanzen gesetzt. Ein automatisches Bewässerungssystem sorgt dafür, dass das Grün lange erhalten bleibt. Vertrieben wird die „Wonderwall“ von der Firma Freund aus Berlin, die weitere interessante Produkte im Angebot hat, zum Beispiel ornamentale Wandmodule („Duralmond“), aufgeschäumte Aluminiumplatten („Alusion“) oder freie Formen.

Fotos: Freund (1), Egger (1), WVS (2), Westag & Getalit (1), Raumprobe (1)

Oft fehlen noch belastbare Daten

Karsten Bleymehl, Director Library & Materials Research bei Material Connexion Cologne, sagt, was nachhaltige Materialien ausmacht.

s+s: Material Connexion Cologne hat auf der EuroShop 80 Material-Innovationen zum Thema Nachhaltigkeit vorgestellt. Welchen Stellenwert hat das Thema bei den Zulieferern des Ladenbaus?

BLEYMEHL: Das Thema wird zunehmend eingefordert. Viele große Handels- und Markenunternehmen haben inzwischen Nachhaltigkeits-Strategien entwickelt und sind mit Hochdruck dabei, diese auf Unternehmens- und Produktebene umzusetzen. Die Ladenbauer und ihre Zulieferer erhalten immer mehr Anfragen zu den Umweltauswirkungen ihrer eingesetzten Materialien und Produkte. Belastbare Daten zu liefern, fällt den meisten noch schwer.

s+s: Sie können dabei weiterhelfen?

BLEYMEHL: Ja, wir kooperieren dafür mit dem Unternehmen Brands&Values, mit dem wir uns auch auf der EuroShop gemeinsam präsentiert haben. Material Connexion besitzt Know-how in der Material- und Fertigungstechnologie, Brands&Values kommt aus der Nachhaltigkeits-Strategieberatung. Bei unserem gemeinsam entwickelten „Sustainovation“-Prozess erarbeitet Brands&Values Nachhaltigkeitsstrategien für Unternehmen und berechnet die Umweltauswirkungen existierender Produkte. Wir schlagen dann „grüne“ Alternativen für die größten „Verbraucher“ auf Material- und Fertigungsprozess-Seite vor, rechnen diese durch und betreuen die Prototypenentwicklung. So entstehen nachhaltige Innovationen, die im Idealfall auch noch kostengünstiger sind.

s+s: Was sind die Merkmale nachhaltiger Materialien?

BLEYMEHL: Es ist nicht einfach, ein Material ohne Berücksichtigung seines Verwendungszwecks, seiner Nutzungsdauer und seines Entsorgungswegs als nachhaltig auszuweisen. Allein der Einsatz eines vom Hersteller als nachhaltig gepriesenen Materials garantiert noch kein nachhaltiges Produkt. Wichtig ist, dass Materialien frei von gesundheitsgefährdenden Stoffen sind. Bei der Materialwahl sollte man stets auf eine gute Energiebilanz in der Herstellung, Verarbeitung, Nutzung, beim Recycling und der Entsorgung achten. Materialien auf Basis schnell nachwachsender Rohstoffe können teilweise fossile Ressourcen ersetzen. Der Einsatz von Werkstoffen mit einem hohen Recyclinganteil wirkt sich ebenfalls positiv auf den Ressourcen- und Energieverbrauch und somit die Produkt-Ökobilanz aus. Auch Leichtbau ist aufgrund des optimierten Materialeinsatzes und der Transportvorteile ein wichtiges Kriterium.

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