Angenehmer Duft, so sagen Neuromarketing-Experten, wirkt sich positiv auf die (Konsum-) Stimmung der Verbraucher aus. Also entwickeln Marketingstrategen heute aufwändige Konzepte, um die Verweildauer der Kunden zu verlängern, zum Beispiel durch die Beduftung von Verkaufsflächen. Lebensmittelhändler können Appetit anregenden Duft sozusagen frei Haus erhalten – wenn sie über einen Backshop in der Vorkassenzone und/oder in der SB-Brot- und Backwarenabteilung verfügen.
Neue Spielwiese zur Profilbildung
Vor allem das stark wachsende Prebake-Segment zeigt Erfolg: Der Duft frischer Brötchen, Brote und süßer Backwaren aus dem Backautomaten macht Frische erstmals auch für diese Warengruppe mit der Nase sinnlich erlebbar und animiert Verbraucher zum Kauf. Bundesweit nahezu flächendeckend verfügen die Verbraucher- und Supermärkte inzwischen über Backstationen. Auch die Discounter haben aufgerüstet und treiben das Geschäft derzeit voran. Um sich stärker vom Discount abzugrenzen, setzen die Vollsortimenter zunehmend auf neue Premium-Backwaren, die in ihrer hochwertigen, handwerklichen Anmutung dem klassischen Bäckerhandwerk Konkurrenz machen.
Der Lebensmittelhändler als Bäcker – er profiliert sich damit in einer weiteren Frische-Kategorie gegenüber Kunden und Wettbewerbern und forciert so eine Strategie des One-Stop-Shopping. Aus Sicht von Ingo Meckbach, Linde Ladenbau, ist dieses Thema Teil des allgemeinen Trends im LEH, den Gastronomieanteil am POS auszubauen. Ob Haxe aus der heißen Theke oder der Vollkorn-Snack aus dem Backshop – Kunden haben heute im gut sortierten Lebensmittelhandel vielfach die Möglichkeit, mit Snacks, richtigen Mahlzeiten und Getränken Hunger oder Appetit zu stillen. Der Handel dokumentiert damit Kompetenz, steigert die Wohlfühlatmosphäre und damit die Verweildauer der Kunden und generiert so zusätzliche Umsatzchancen, meint Ingo Meckbach.

Edeka Kox in Kerken: Das Thema Frische inklusive Backshop wird durch eine zentrale Insel mitten im Markt regelrecht zelebriert
Der Trend geht dahin, das Angebot in Frische-Inseln oder Food Courts ins Zentrum des Marktes zu stellen und das Erlebnis Frische regelrecht zu zelebrieren. So beispielsweise bei Edeka Kox in Kerken: Käsetheke, Käse in SB und Backstation mit SB-Brot bilden hier die thematische Verbindung Brot – Käse – Frische. Oder im Marktkauf-SB-Warenhaus in Stuhr, das sein gastronomisches Angebot in der Vorkassenzone ausgebaut hat in einer Größenordnung, wie sie von der Edeka Minden-Hannover zum ersten Mal – in Zusammenarbeit mit dem Ladenbauer Aichinger – realisiert wurde. Zielsetzung ist es, den Kunden von früh bis spät ein Angebot in einer „Free-Flow-Anlage“ mit den Stationen Frucht-Bar, Snacks, Kaffee-Bar, warme Speisen und Süßes zur Verfügung zu stellen. Das Thema Brot bleibt beim Bäcker – der in diesem Fall auch zur Edeka-Gruppe gehört. Auch im Rewe-Center Bad Nauheim lockt ein umfangreiches gastronomisches Angebot in der Vorkassenzone mit Center-Bistro und Bäckerei der Rewe-Tochter Glockenbrot. Hier soll Schau-Backen eine hohe Frische-Kompetenz signalisieren. Ein großer Sitzbereich schafft Wohlfühlatmosphäre.
Die gastronomischen Konzepte setzen besonders im Bereich Brot und Backwaren gestalterisch auf natürliche Materialien. Hier gibt es einen deutlichen Design-Trend zu warmen Holztönen und Erdfarben, auch Kacheln werden vermehrt zur Hinterwandgestaltung eingesetzt, heißt es bei Aichinger. Eine schlicht gehaltene Ausstattung rückt Emotionalität und Handwerkliches in den Vordergrund. Dazu zählen sogenannte Stikkenwagen für das Backwerk, ferner gemauerte Thekensockel, Holzregale und handbeschriebene Kreidetafeln bis hin zu Bäckermützen für das Verkaufspersonal. Das „Verkaufen aus der Backstube“ wird so nachempfunden.
Etwas schwieriger ist dieser Anspruch bei SB-Brot und -Backwaren umzusetzen. Die Prebake-Angebote werden meist lose in SB-Preback-Modulen mit selbstschließenden transparenten Klappen präsentiert. Brot und Brötchen können von den Verbrauchern mit einer Zange entnommen und selbst verpackt werden – wie beispielsweise beim E-Center Cramer in Ronnenberg-Empelde. Inzwischen machen sich aber auch Brot- und Backwarenlieferanten wie etwa Lieken Gedanken über emotionalere Konzepte im SB-Bereich: Sie liefern markenbezogene Ladenbaukonzepte in dunkler Holz-Optik, die das Premiumversprechen und die optische Attraktivität neuer Prebake-Konzepte auch in der Präsentation widerspiegeln sollen.
„Gebrandete“ Backstationen
Bei der Technik, also den Backstationen selbst, hat derzeit vor allem einfache, sichere Bedienbarkeit hohe Priorität. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Verkaufsmitarbeiter oft technisch nicht sehr versiert sind. Das Augenmerk liegt auf speziellen Isolierungen und Türverriegelungen etc. zum Schutz von Personal und Kunden. Die Steuerungselemente der Backstation sollen Fehlbedienungen durch das Personal weitestgehend ausschließen. Auch die Robustheit der Geräte ist ein wichtiges Kriterium. Zudem spielen energetische Aspekte eine wichtige Rolle. Beim Design geht der Trend zur Farbigkeit, insbesondere aber zu Schwarz.
Einige Handelsunternehmen würden auch hier Wert auf individuelle Ausstattungsmerkmale wie etwa die Unternehmensfarbe und das Logo legen, mit der die Glasscheibe oder die Beschichtung der ganzen Anlage „gebrandet“ werden, heißt es bei dem Backstationen-Spezialist Miwe. Die Integration in das komplette Designkonzept des Frischebereichs wird nach Erfahrung von Miwe- Produktmanager Thomas Stannek derzeit vor allem von klassischen Bäckereifilialen gewünscht, vom LEH vor allem in den Gastro-Bereichen der Vorkassenzone. Steht der Ofen dagegen in der SB-Brot- und Backwarenabteilung oder davon abgetrennt in einem kleinen Vorbereitungsraum, sei die Optik derzeit noch eher kühl, sachlich, nüchtern, so Stannek. Sein Unternehmen bietet differenzierte Systeme für verschiedenste Produktund Produktionsanforderungen im Handel. Im Brötchen- und Snackbereich lassen sich mit dem Konzept „cube“ beispielsweise auf kleinster Stellfläche unterschiedliche Produkte gleichzeitig backen.
Fotos: Bäro (1), Aichinger (2)
Deckungsbeitragsstarke Produkte
Günter Muth, Vertriebsleiter beim Ladenbauunternehmen Aichinger, über den Trend, zum Essen in den Supermarkt zu gehen.
Wie stark treibt der deutsche LEH das Thema Prebake in seinen Verkaufsflächen derzeit voran?
Deutschland ist Vorreiter auf diesem Gebiet. Den klassischen Vorkassenbäcker, der ja auch ein Kundenmagnet ist, findet man im Ausland so gut wie gar nicht. Auch Fertigbacköfen gibt es andernorts kaum. Die großen Handelsketten rüsten beim Thema Brot und Backwaren auf und setzen im SB-Bereich verstärkt auf deckungsbeitragsstarke Produkte wie frische Brötchen und Brote aus dem Automaten. Für die Vorkassenbäcker wird es damit schwerer; sie müssen verstärkt auf gastronomische Angebote ausweichen.
Was bewegt den LEH, die Warengruppe Brot und Backwaren verstärkt auch im gastronomischen Bereich zu verankern?
Die neuen Rewe-Center in München und Bad Nauheim sind gute Beispiele dafür, dass der Handel sein Engagement beim Verzehr-Angebot sowie für die Aufenthaltsqualität der Kunden verstärkt. Die richtige Mischung zwischen Verkauf und Verzehr, ein Konzept, das in Shopping-Centern erfolgreich funktioniert – kurbelt den Umsatz an und schafft Alleinstellungsmerkmale, vor allem gegenüber dem Discount.
Kommt das bei den Kunden an?
Ja, aber trotzdem gibt es noch jede Menge Potenzial für Wachstum. Durch die zunehmende Profilierung der Lebensmittelhändler in diesen Bereichen wird sich der Gedanke, zum Essen auch „mal schnell“ zu Edeka oder Rewe zu gehen, in den Köpfen der Verbraucher künftig noch stärker durchsetzen.