„Flexibilität ist die Fähigkeit, schneller auf Kundenbedürfnisse reagieren zu können in Bezug auf Trends, auf Marken und auf das Wetter“, sagt Jutta Blocher von Blocher Blocher Partners in Stuttgart. Zudem müsse man in der Lage sein, den Kunden permanent mit Neuem zu überraschen. Denn diesem Kunden, der bekanntermaßen nicht zwingend den stationären Handel aufsuchen muss, um seine Einkäufe zu erledigen, sollte man als Händler Appetit machen auf sein Haus. Im Verlauf der Saison, wenn es darum geht, Frequenz zu generieren und immer wieder aufs Neue Begehrlichkeit zu wecken, führen eindrucksvolle Produkt-Inszenierungen dem Kunden vor Augen, dass sich das Kommen lohnt, weil es nicht nur im Internet permanent Neues gibt.
Eine schnelle Reaktion auf Produkt- und Markenkonjunkturen, auf Wetterkapriolen und Standort-Situationen muss daher Selbstverständlichkeit sein, ebenso wie Cross-Merchandising-Inseln, auf denen Marken und Produkte so zusammengeführt werden, wie es den Erwartungen der Kunden entspricht. Um solche Sortiments- und Erlebnisflächen schnell und unkompliziert umgestalten zu können, braucht der Handel flexible Tools, die in sich veränderbar, aber auch problemlos in wechselnden Konstellationen anzuordnen sind: Tische und Stufentische, vielleicht mit integriertem Bügel, unterschiedliche Ständer, Podeste und Kuben, Regale, Boxen und natürlich Figuren. „Dass man Bereiche vergrößern, verändern und verkleinern kann, ist heute eine Grundanforderung“, sagt Sophie Gatzke, Projektleiterin bei Plajer & Franz Studio, Berlin. Das gilt nicht nur für Mittelraumflächen oder Eingangsbereiche, auch Wandsysteme müssen sich im Handumdrehen variieren lassen, damit sie für die Produktgruppen, die man zusammenführen oder im Wechsel zeigen will, nutzbar sind.
Stromführende Systeme
Hinzu kommt: „Die Händler brauchen verstärkt stromführende Systeme“, sagt Bettina Zimmermann, Mitglied der Geschäftsleitung/COO Interior Work bei Ganter Interior, „die Beleuchtung der Fachböden beispielsweise ist mittlerweile fast Standard.“ Und natürlich kommt hier mit Macht die digitale Komponente ins Spiel. „Die Frage: Wie kann man die digitalen Elemente optimal in den Shop integrieren, ist unser Schwerpunkt“, sagt Franz Kendler, Divionsleiter viBIZ bei Umdasch Shopfitting. Die Verbindung des stationären Handels mit digitalen Elementen, die der Kunde kennt und gewohnt ist, genau darauf komme es an, meint Kendler. Magic Mirrors, Screens, Touchscreens, Tablets, all das ist mit unterschiedlicher Resonanz im Einsatz. Was die Relevanz dieser digitalen Tools betrifft, befindet sich der Handel nach wie vor in der Testphase. Laut Kendler zeichnet sich ab, dass „zwei starke Technologien mittlerweile Marktreife entwickelt haben“: das klassische Digital Signage und die digitale Preisauszeichnung.
Sowohl durch die exakt auf die Bedürfnisse der Einzelhändler, der Kunden und auf die spezifischen Produktanforderungen abgestimmte flexible Store-Elemente als auch durch die Integration digitaler Technik hat sich das Aufgaben- und Kompetenzspektrum der Ladenbauer und Storedesigner verändert und erweitert. Das fängt damit an, dass zur Bedarfsermittlung meist detaillierter und verstärkt interdisziplinär recherchiert werden muss. „Man muss auf jeden Fall mit dem Marketing, dem Einkauf und dem Vertrieb reden“, sagt Maik Drewitz, Leiter Shop Consult bei Umdasch Shopfitting, „das ist sehr aufwändig, aber ein wesentlicher Teil der Grundlagenanalyse eines Konzepts.“ Heinz-Herbert Dustmann von Dula bestätigt: „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist extrem, und das ist auch gut so, denn der Einkauf, das Merchandising, der Verkauf, die Dekoration und die Technik sollten mit einbezogen werden.“
Im Stadium der Konzeptentwicklung geht man, was die einzelnen Produkte angeht, sehr ins Detail, denn „für jedes einzelne Produkt braucht man genau die richtige Präsentationslösung“, sagt Sophie Gatzke von Plajer & Franz. Zudem ist die Entwicklung hier ständig im Fluss – Marken kommen hinzu, Bereiche werden getauscht. Auch den zunehmend nachgefragten Aspekt der Nachhaltigkeit muss man beim Entwurf im Hinterkopf haben. „Immer mehr Kunden haben den Anspruch, auch das Storedesign nachhaltig zu gestalten. Dieser Aspekt wird dann bereits beim Entwurf und der Materialauswahl berücksichtigt“, sagt Patricia Senft von Plajer & Franz, „das beinhaltet nicht nur die Verwendung nachhaltiger Materialien, sondern kann auch bedeuten, die Möbel so einfach und gewichtsreduziert wie möglich zu konstruieren.“
Neue Unternehmensbereiche
„Was die Digitalität betrifft, halten wir uns natürlich ständig auf dem Laufenden“, sagt Patricia Senft, „wir arbeiten eng mit Kommunikationsfirmen zusammen.“ Auch bei Ganter Interior wird das geforderte Know-how durch die Zusammenarbeit mit Partnern erzielt. Zunehmend verändert das Thema Digitalität auch Unternehmensstrukturen. Bei Blocher Blocher Partners wird ein neues Segment für digitale Dienstleistungen geschaffen, das voraussichtlich einem bestehenden Unternehmensbereich angegliedert wird. Dula wird eine eigene Division einrichten, derzeit ist der digitale Bereich noch der Entwicklungsabteilung angegliedert. Hanns-Peter Cohn, Head of Shop Segment Vitra, sagt für Vizona: „Unserer System-, Projekt- und Lichtkompetenz haben wir als vierten Baustein die digitale Kompetenz hinzugefügt, und durch das Ineinandergreifen dieser vier Kompetenzbereiche haben wir quasi eine neue Geschäftsdimension eröffnet.“ Bei Umdasch Shopfitting wurde eine neue Business-Einheit für digitalen Ladenbau im Mai letzten Jahres geschaffen, zudem arbeitet man mit externen Partnern.
Welche Experten werden für solche Abteilungen gesucht? „Leute, die das theoretische Rüstzeug als Informatiker, aber auch Praxiserfahrung haben“, sagt Hanns-Peter Cohn von Vizona. Möglichst ein ganzes Team mit Fachleuten unterschiedlicher Kompetenzen brauche man im Bereich der digitalen Dienstleistung, meint Heinz-Herbert Dustmann: „Bei uns sind das Informatiker, Elektroniker, Techniker, Lichtplaner und natürlich Designer, Architekten und Innenarchitekten, die auch vom Einzelhandel und von der Warenpräsentation etwas verstehen.“ Sehr wichtig sei es, dass die entsprechenden Fachleute zusätzlich zum technischen Know-how „kreativ und innovativ denken und eine Affinität zum gesamten Retail-Bereich mitbringen“, sagt Franz Kendler von Umdasch. Hier die richtigen Leute zu finden, kann durchaus eine Herausforderung sein. „Wir greifen inzwischen auf einen erweiterten Fundus zurück, indem wir Leute aus dem Multimediabereich bis hin zum künstlerischen Bereich rekrutieren“, so Kendler. In dieser komplex gewordenen Handelswelt ist nicht zuletzt die beratende Kompetenz der Ladenbauer und Storedesigner gefragt. Denn es muss auch die Frage geklärt werden, wie viel Flexibilität und Digitalität ein Unternehmen tatsächlich braucht. Der Handel möchte sich jetzt und in Zukunft mehr denn je auf informierte, kritische und fachlich hochkompetente Gesprächspartner und Berater verlassen können.
Fotos (3): Dula (1), MCM Worldwide (1), Schwitzke (1)
Meinungen: Das rechte Maß finden
Jutta Blocher hält digitalen Content für sinnvoll, der Kunden und Händlern Mehrwerte bietet.
„Es gibt heute nahezu unendlich viele Möglichkeiten, digitale Inhalte ins Geschäft zu integrieren – von interaktiven Schaufenstern über die App-Navigation bis hin zu digitalen Warenwänden. Trotz der Angebotsfülle sollte man einen kühlen Kopf bewahren. Nicht jedes Tool passt zu jedem Storekonzept. Digitale Lösungen sind sinnvoll, wenn eine durchgreifende Idee dahintersteht, die sowohl für den Kunden als auch für den Händler einen Mehrwert bietet. Und wenn sie ausgereift sind. Man muss sich im Klaren sein, was man mit der Technologie erreichen will und kann, wie sie zum Image beiträgt, zur Umsatzsteigerung und Frequenz, zur höheren Aufmerksamkeit. Kurzum: zu einem positiven Gesamtauftritt.“
Klaus Schwitzke plädiert dafür, das erforderliche Maß an Flexibilität genau zu hinterfragen.
„Man muss aufpassen, dass Flexibilität nicht zum Selbstzweck wird. Am Anfang steht daher immer die Frage: Wie viel Flexibilität ist angemessen? Wenn ein Fashion-Retailer in der Praxis beispielsweise nur zwei oder drei Hängehöhen nutzt, müssen seine Warenträger-Tools nicht in 5 cm-Schritten flexibel sein. Daher geht es darum, im Vorfeld genau zu analysieren, welche Flexibilität man in seinem Konzept wirklich braucht – und sich dann auch darauf zu disziplinieren. Bei einem Zuviel an Flexibilität besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter permanent unnötig mit Umbautätigkeiten beschäftigt sind und dabei möglicherweise die falschen Entscheidungen treffen – aber nicht dazu kommen, die Kunden zu beraten.“