Bereits 2011 präsentierte sich Vizona auf der EuroShop mit einem Messestand im Sinne der Circular Economy. Dank ausgetüftelter Konstruktion war keines der zahlreichen Fichtenbretter gebohrt oder anderweitig mechanisch bearbeitet worden. So konnte das Naturholz im Anschluss an die Messe an das Sägewerk zurückgegeben werden. Ressourcenschonung – inzwischen erscheint sie wichtiger denn je – für die Umwelt, aber auch für die Unternehmen. Denn auch die politischen Rahmenbedingungenändern sich, wie zum Beispiel der Aktionsplan Circular Economy der EU-Kommission zeigt.
Nach Expertenberechnungen markierte der 2. August 2017 den sogenannten Erdüberlastungstag. Zu diesem Datum, 6 Tage früher als 2016, waren alle nachhaltig nutzbaren Ressourcen für dieses Jahr verbraucht. „Seit Ende der 70er-Jahre nutzt die Gesellschaft mehr, als die Erde im selben Zeitraum regenerieren kann. Wir müssen einen Weg finden, mit den Ressourcen auszukommen“, sagt Dr. Sascha Peters, Inhaber von Haute Innovation, „Zukunftsagentur“ für Material und Technologie aus Berlin. Peters hat in diesem Jahr auf der Interzum die Konferenz „Circular Thinking“ konzipiert und moderiert. Diese stellte „Optionen geschlossener Materialkreisläufe in Design und Architektur“ vor.
Kein Müll mehr
Der niederländische Teppichhersteller Desso beispielsweise hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 alle Teppiche schadstofffrei sowie größtenteils recycelbar zu fertigen und ein Rücknahmesystem aufzubauen. Unternehmen wie Desso, die den von dem deutschen Chemiker Prof. Dr. Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough publizierten Wirtschaftsansatz Cradle to Cradle verfolgen, denken schon bei der Planung von Produkten an deren Nutzungsende. Im Idealfall entwickeln sie die Produkte so, dass sie niemals zu Müll werden, weil sie – nach langer Nutzung – entweder vollständig biologisch abbaubar sind oder sich praktisch endlos, ohne Qualitätsverlust, recyceln lassen.
Doch aus einem Teppich muss nicht zwingend ein neuer Teppich werden. Viele meist kleine Start-ups nutzen vermeintlichen Abfall und schenken ihm per Upcycling neues Leben. Es entstehen spannende Produkte, auch für die POS, da sie oftmals interessante Optik und nachhaltiges Storytelling miteinander verbinden. Bordbar zum Beispiel lässt aus ausgedienten Flugzeugtrolleys stylische rollbare Getränkekühler werden. Der Pole Pawel Grunert gestaltet aus PET-Flaschen dekorative Sessel oder Lampen.
Laub und Kaffeesatz
Auch die natürliche Überreste werden genutzt. Simon Kern aus der Slowakei verpresst Laub mit Bioharz zu Sitzschalen seiner „Beleaf Chairs“. Das Raul Lauri Design Lab aus Spanien kreiert Lampenschirme aus Kaffeesatz, die dänischen Designer Jonas Edvard und Nikolaj Steenfatt verwenden eine pulverisierte Mixtur aus Algen und Papier für Lampenschirme. Ihre „Terroir“-Lampen schmückten im Frühjahr das Pop-up-Restaurant „wastED“ bei Selfridges in London. Fruitleather Rotterdam verwandelt Obstabfälle zu „Leder“. Forbo Flooring fügt seinem Linoleum-Boden „Marmoleum Cocoa“ zerkleinerte Kakaobohnenschalen bei und schafft dadurch eine lebendige Oberflächen-Optik. Kaum zu glauben: FullGrown lässt Bäume durch regelmäßigen Schnitt gleich in Form von Stühlen oder Lampen wachsen, anstatt Holz später in dieser Form zu verarbeiten.
Doch Upcycling bezieht sich nicht nur auf Mobiliar, auch Baustoffe sind erwähnens wert: Lea Schücking fertigt aus Ziegelsteinen und Altglas vom Bauschutt neue Fliesen. Bauschutt dient ebenfalls als Grundlage für die „WasteBasedBricks“ der Firma Stonecycling. Die Backsteine lassen sich im Innen- und Außenbereich einsetzen. bioMason aus den USA lässt Mauerwerk zementfrei mit Hilfe von Bakterien und mikrobiologischen Prozessen „wachsen“.
Fraunhofer Umsicht hat zusammen mit dem Hamburger Thünen-Institut für Holzforschung eine Bio-Sandwichplatte aus 100 Prozent nachwachsenden Rohstoffen entwickelt, ohne erdölbasiertes Polystyrol, das sonst meist Verwendung findet. Last, but not least berichtete Prof. Dirk E. Hebel, Spezialist für nachhaltiges Bauen am KIT Karlsruhe und Mitautor des Buches „Building from Waste“ auf der Interzum-Konferenz von geschredderten, verpressten Tetra-Paks, die als Alternative zu Gipskarton, aber auch für Dächer genutzt werden können.
Fotos (7): Albert Vecerka/Esto, Lea Schücking, Blue Hill Farm/Irene Hamburger, Stonecycling, FullGrown, Bordbar, Pawel Grunert
Weitere Informationen: redaktion@ehi.org
Ressourcenverbrauch radikal limitieren
Die Umweltwissenschaftlerin Susanne Volz unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von Eco-Produkten und -Geschäftsmodellen. Für die Ladenbaubranche sieht sie viele Ansatzpunkte.
Von Ihnen stammt die Aussage, dass viele Unternehmen in puncto nachhaltiges Wirtschaften und Circular Economy in die falsche Richtung rennen. Wie meinen Sie das konkret?
Es geht um eine völlig neue Art des Wirtschaftens, die den Produktlebenszyklus als Ganzes betrachtet. Man kann Produkte nicht im Nachgang nachhaltig machen und in einen Kreislauf
quetschen. Gute Planung und ein adäquates Businessmodell sind elementar. Zudem kostet der Denkfehler, dass die Gestaltung der Wertschöpfungskette in Kreisläufen das neue Ziel ist, viel Lehrgeld. Kreisläufe sind nur das Mittel, der Werterhalt ist das Ziel. Es geht darum, den Verbrauch von Ressourcen radikal zu limitieren.
Welche Ansätze sehen Sie für die Ladenbaubranche, sich in Richtung Circular Economy zu entwickeln?
Die Modularität von Ladenbauelementen kann eine Option sein, ebenso das Re-Manufacturing. Das Wirtschaftssystem und die Konsumenten wandeln sich. Shoprecycling hat nichts Schäbiges mehr.
Beide Optionen dürfen Sie uns gerne näher erläutern.
Product-as-a-Service wird zum wichtigen Schlagwort. Hat ein Ladenbauunternehmen immer wieder Zugriff auf seine eigenen (Teil-)Produkte oder Materialien, so spart es an Aufwand
für deren Herstellung. Die Beteiligten in der Wertschöpfungskette, zum Beispiel Ladenbauer und Einzelhändler, müssen dafür im Austausch sein. Bestimmte Elemente können vom einen Händler zum anderen weiterwechseln, andere überarbeitet und erneut eingesetzt werden.