Gegenwart und Zukunft des Handels finden „omnichannel“ statt – Kunden fällen Entscheidungen nicht mehr analog oder digital, sondern erwarten kanalübergreifende Einkaufserfahrungen. Das stationäre Geschäft punktet vor allem mit Emotionalität, während der Online-Handel eher rational geprägt ist, erklärte Ladenplaner Wolfgang Gruschwitz. Die Ziele eines Stores sollten daher sein, Bedürfnisse zu wecken, Erlebnisse für alle Sinne zu erschaffen und, pflichtet Robert Thiemann als Geschäftsführer bei Frame Publishers bei, Träume zu erzeugen. Weiterhin müssten Anlässe zum Wiederkommen geschaffen werden – zum Beispiel mit einer Mischung aus Mode, Gastronomie und Events, gepaart mit individuellem Store Design:
Diese Kombination gefällt Kunden von Simone Chrystall, Geschäftsführerin eines „Chrystall“-Concept-Stores am Fürstenplatz in Düsseldorf sowie eines weiteren im Szenestadtteil Flingern, offenbar gut. Auf 200 qm, die die Diplom-Bauingenieurin 2008 am Fürstenplatz erworben hat, stellte sie zunächst den Damenmode-Einzelhandel mit dem eigenen Label „iheart“ und fremden Marken in den Vordergrund. Was daran besonders ist? Damals wie heute werden Kleidungsstücke zwischen Vintage-Möbeln, Industrie-Lampen und antiken Raritäten ausgewählt.
Industrieatmosphäre trifft Wohnzimmer
Die „Wohnzimmer“-Atmosphäre im Laden sorgte dafür, dass Kundinnen sich eine größere Auswahl wünschten und fragten: „Warum habt ihr nicht auch Kindersachen?“, erinnert sich Simone Chrystall. Daraufhin erweiterte sie die Verkaufsfläche im Jahr 2013 auf 350 qm, wovon nun ein 100 qm-Bereich den Kindern gewidmet ist und ein weiterer Bereich den Herren. 80 qm der Fläche verpachtete Chrystall an einen Café-Betreiber, denn: „Frühstückt eine junge Familie samstags morgens im Café am Fürstenplatz und werden Kinder dabei quengelig, gehen die Eltern mit ihnen gerne in den Kids-Bereich – und wenn ich Glück habe, kaufen Männer nebenbei eine Lederjacke.“
2014 erwarb sie in Flingern zusätzlich einen Raum, um mit Unterstützung von „Wandel Antik“ und „Plus M“ auf 300 qm eine Bar- und Event-Location – den „Conceptstore Chrystall 2.0“ – zu realisieren. Diesen Store zieren antike Tapeten, freies Mauerwerk, ein Farrow&Ball-Farbkonzept sowie liebevoll restaurierte, antike Türen. „Für mich ist es ein wenig so, als ob New York mit seinen Loft-Fenstern auf London mit seinen Bibliotheken trifft“, sagt die ehemalige Key-Account-Managerin von Esprit. An den Store schließt sich ein Restaurant mit offener Küche an – mit offenem Zugang. Erfahrungen von Chrystall zufolge finden 20-30 jährige Kunden es spannend, einzukehren und – in greifbarer Nähe zur Mode – Zeit zu verbringen. Den Kontakt zu ihren Kunden sucht das Chrystall-Team außerhalb des Stores mit speziellen Mailings: Die Geschäftsführerin sammelt E-Mail-Adressen und lädt Kunden per Newsletter einmal im Monat samstags zu „Private Dinner“-Abenden ein. Dabei soll sich das Dinner für 60-80 Personen wie ein „Abend bei Freunden“ anfühlen.
Laden als Gesellschaftsraum
Der Handel wird zunehmend zum multifunktionalen Treffpunkt. Dadurch verändert sich auch die Rolle der Mitarbeiter: Eine echte Herausforderung bestehe darin, ein Team zu finden, das das Konzept versteht und es den Gästen vermitteln kann, so Chrystall: „Mein Personal muss Kellner sowie Verkäufer in einem sein – am besten sogar noch Kinovorführer und Grillmaster.“
Einzelhändler werden verstärkt zu Eventmanagern, das Personal muss flexibel sein und unterschiedliche Rollen annehmen können – so der Tenor verschiedener Vorträge. Mitarbeiter verleihen Stores in ihrer Funktion als Berater Mehrwert gegenüber dem Webshop. Auch die Digitalisierung der Stores setzt die Akzeptanz der Mitarbeiter voraus. Denn diese sind diejenigen, die den Kunden auf der Verkaufsfläche aktiv an die Medien heranführen und eine Interaktion mit ihm kreieren können. Markus Krämer, Head of Architecture bei Orsay, empfiehlt, Hotspots für die Positionierung von digitalen Tools zu definieren und nicht in den Altbestand aufzunehmen. Die erfolgreiche Einbindung digitaler Tools erfordere, sie stetig zu betreuen und zu prüfen und ggf. – mit Blick auf die Bedürfnisse der Kunden – anzupassen.
Letztlich entscheidet das Gesamtkonzept über den Erfolg eines Ladens. Mit individuellen, persönlichen Konzepten können sich Händler voneinander abheben. Für den Food- und Nonfood-Bereich gilt es, ein emotionales Umfeld zu gestalten, Neugier zu wecken, Geschichten zu erzählen, neue Services zu kreieren und das Kerngeschäft stetig zu analysieren.
Im Bereich Food können Händler mit regionalen Angeboten Glaubwürdigkeit erlangen, für ein ansprechendes Ambiente sorgen offene Abteilungen, die das Handwerk sichtbar machen. Auch die Beleuchtung von Stores ist Bestandteil strategischer Konzepte, sie wird zum Kommunikationsmedium. Eine Studie der Zumtobel Group zum Thema Limbic Lighting ergab, dass die allermeisten Kaufentscheidungen unbewusst getroffen werden. Mit unterschiedlicher Beleuchtung könnten verschiedene Kundentypen angesprochen und zum Kauf animiert werden, erklärten Cornel Hess, Director Strategic Sales Key Account Manager der Zumtobel Group, und Tanja Zilger, Head of Architecture & Construction Management bei Gerry Weber, die an der Studie teilnahmen. Über ein erfolgreiches Konzept entscheiden alle Punkte: Idee, Produkt, Präsentation und Personal.
Weitere Informationen: www.retail-design-konferenz.de
Foto: EHI/Steffen Hauser