Offline-Räume: Das Kundenerlebnis im Mittelpunkt | stores+shops

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Innenarchitektur von Longchamp, Giuseppe Galioto, Umsetzung 2023 durch Ganter Group: Wohnzimmer-Atmosphäre im neuen Flagship-Store von Longchamp in Köln
Foto: Longchamp

Offline-Räume: Das Kundenerlebnis im Mittelpunkt

Läden werden zu Erlebnisräumen, beim Renovieren wird nur in das Notwendigste investiert: Trendanalysten sind der Ansicht, dass der Konsument eine digitale Müdigkeit verspürt, der Online-Handel daher im Rückgang und der physisch erlebbare Store wieder im Aufwind ist. Der Konsument will shoppen und dabei Spaß haben.

Diese Fliese soll glücklich machen. Ilori ist dafür bekannt, Designs zu kreieren, die Optimismus ausstrahlen

Diese Fliese soll glücklich machen. Ilori ist dafür bekannt, Designs zu kreieren, die Optimismus ausstrahlen
Foto: Domus

Mach mich glücklich, tu mir etwas Gutes: Von außen sehen die Läden wie gewöhnliche Spielwarenläden aus, aber interaktive Stores wie Camp bieten neben Produkten auch Freizeitspaß: Kinder und Eltern erleben dort ein Multimedia-Abenteuer, das von einem„Camp-Counselor“ moderiert wird. Passende Produkte können anschließend im Laden gekauft werden.

Sogar eine glücklich machende Fliese ist kürzlich auf den Markt gekommen. Die britische Marke Domus hat den Designer Ilori für die Gestaltung einer Fliesenkollektion engagiert, die Verspieltheit und Fröhlichkeit vermitteln soll. Die Fliesen von Yinka Ilori x Domus greifen die charakteristischen Muster und Farben des in London ansässigen Designers auf.

Konsumenten sind in schwierigen Zeiten auf der Suche nach Trost und Ablenkung. In der Rezession wird Champagner getrunken – das war historisch betrachtet schon immer so. Dennoch geht der Einzelhandelsverband HDE davon aus, dass in diesem Jahr 5.000 Einzelhändler ihre Türen für immer schließen müssen.

Der Krise mit Kreativität begegnen

Ikea macht mit Coworking im Restaurant inklusive Gratis-Kaffee, mit Bingo-Abenden für einen guten Zweck und einer After-Work-80er-Jahre-Party vor, wie Kundenbindung außerhalb des Sortiments generiert werden kann. Ausgebucht sind auch die Veranstaltungen des amerikanischen Buchhändlers „Center for Fiction“ in Brooklyn.

Der aktuelle Ladenbau des Filialisten „Kauf Dich glücklich“: Die Präsentationskuben und die an Schiffstauen abgehängten Kleiderstangen sind fester Bestandteil des Ladenbaus, weil sie flexibel einsetzbar sind

Der aktuelle Ladenbau des Filialisten „Kauf Dich glücklich“: Die Präsentationskuben und die an Schiffstauen abgehängten Kleiderstangen sind fester Bestandteil des Ladenbaus, weil sie flexibel einsetzbar sind
Foto: Kauf Dich glücklich

Im Format „Booking for Love“ wird der Wunschall jener erfüllt, die davon träumen, beim Griff nach demselben Buch den richtigen Partner zu finden. Bei diesem literarischen Speed-Dating lernen sich Bücherfans kennen. Sind beide interessiert, erhalten sie Informationen, wie sie sich wieder treffen können – die Buchhandlung als analoge Dating-Plattform.

Einfallsreichtum zeigt auch die norddeutsche Buchhandlungskette Heymann: „Mädelsabend“, „Speed Dating mit einem Buch“, oder „Lieblingskrimi-Abend“ heißen deren Veranstaltungen. Dabei werden Begegnungen mit zukünftigen Lieblingsbüchern versprochen. Die Veranstaltungen kosten Eintritt, der in einen Warengutschein verwandelt werden kann. Im Vordergrund steht jedoch nicht der Konsum, sondern das Erlebnis.

Eine Notwendigkeit der Epoche

Quelle der Inspiration: Arrogant Verneuil im 7. Arrondissement im Quartier des Antiquairs in Paris

Quelle der Inspiration: Arrogant Verneuil im 7. Arrondissement im Quartier des Antiquairs in Paris
Foto: Arrogant Verneuil

Anbieter wie die chinesischen Produzenten Shein und Temu werfen neue Modelle 70-mal schneller auf den Markt als H&M, erklärte Carl Tillessen, Branchenspezialist und Mitinhaber des Deutschen Modeinstituts kürzlich in der Süddeutschen Zeitung. Ultra-Fast-Fashion ist der Begriff dafür. Die Online-Plattformen spüren Trends weltweit auf und kopieren sie blitzschnell.

Dabei ist der Trend schon Teil der Herausforderung: Während sich die Weltbevölkerung verdoppelt hat, vervierfachte sich der Textilkonsum im gleichen Zeitraum. Die Berge entsorgter Kleidung wachsen immer schneller. Im Schnitt wird jedes neu gekaufte Kleidungsstück nur viermal getragen. Die Modeindustrie gelte inzwischen als einer der größten Umwelt- und Klimasünder, berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrem Wirtschaftsteil. Dass Ressourcenschonung notwendig ist, rückt aber immer mehr in den Fokus der Konsumenten. Wie aber funktioniert ein schonender Umgang mit Ressourcen für den Ladenbau? „Für Umgestaltungen von Stores setzen wir auch mal nur auf Farbe, bevor wir abreißen und neu bauen“, sagt Christoph Munier, einer der beiden Inhaber des Filialisten „Kauf Dich glücklich“. Seit der Gründung der Marke macht diese in ihrer Berliner Werkstatt die Ladenausstattung selbst. Dabei versucht das Team möglichst materialsparend zu arbeiten. „Außerdem arbeiten wir bei neuen Läden immer im Bestand, reißen also nicht alles raus, sondern passen unseren Ladenbau den Gegebenheiten an. Das führt zu individuellen Ergebnissen.“

Neue Paneelfüllungen aus Weißtanne zur Verbesserung der Raumakustik in der Offizin der Engel Apotheke im E-Center in Waldshut-Tiengen

Neue Paneelfüllungen aus Weißtanne zur Verbesserung der Raumakustik in der Offizin der Engel Apotheke im E-Center in Waldshut-Tiengen
Foto: Engel-Apotheke Waldshut-Tiengen

Nostalgie und Wohlfühlambiente

Entgegen dem kurzlebigen Modekonsum steht der Grandpa-Style, der von der Vogue als der wichtigste Modetrend 2024 gehypt wird.Bei diesem Stil geht es um das Bewahren. Er richtet sichgegen Überkonsum und steht für Individualität und Langlebigkeit.Der passende Ladenbau dazu ist robust, akzentuiertund kuratiert mit Einzelstücken, die durchaus Gebrauchsspurenaufweisen können. Im Ladengeschäft„Arrogant Verneuil“ in Paris hat die Vorbesitzerin, dieNichte Albert Einsteins, einen Arbeitstisch hinterlassen,der als Präsentationsfläche genutzt wird und explizit nichtzum Verkauf steht. Der Laden ist heute gleichzeitig Boutique,Galerie und das Zuhause der neuen Eigentümer:Eine kuratierte Fläche, die an jeder Stelle behaglich wirktund zum Bleiben einlädt. Das Sortiment besteht zu 90 Prozentaus gebrauchter und zu zehn Prozent aus neuer Ware.

Auch Longchamp setzt mit seinem neuen Store-Konzept denFokus auf Atmosphäre. Durch eine deutliche Reduzierungder Warenpräsentation zugunsten von Polstermöbeln,farbenfrohen Teppichen und ausgewählten Deko-Elementenentsteht ein Wohnzimmer-Flair. Das Interieur sorgt mitwarmen Holzoberflächen aus Eiche und Nussbaum für einewohlige Umgebung. Die grünen Farbtöne spiegeln den ökologischenUmgang mit dem Thema Nachhaltigkeit derMarke wider. Damit setzt sich Longchamp von dem bishereher dunkel gehaltenen Ambiente seiner Boutiquen ab. Esfällt nicht leicht, gültige Trends oder maßgebliche neue Designsausfindig zu machen. Damit der stationäre Handel attraktivbleibt, müssen Händler mit Einfallsreichtum punktenund clever investieren.

Interview: Ressourcen schonen und alte Bestände nutzen

Nathalie Vogelbacher ist als selbstständige Innenarchitektin auf nachhaltige Lösungen im Retail, Hospitality und New Work spezialisiert und weiß, wie Geschäftsinhaber ihre Läden ressourcenschonend aufwerten können.

Nathalie Vogelbacher, Innenarchitektin

Frau Vogelbacher, Sie planen und bauen als Ladenbau-Innenarchitektin oft im Bestand – was raten Sie Ihren Kund:innen für anstehende Umbauten und Renovierungen?

Ich bespreche mit dem Bauherrn, was weiter genutzt werden kann, was ergänzt oder ausgetauscht wird und ob auch die Nebenräume für die Mitarbeitenden aufgewertet werden sollen. Als produktunabhängig planende Innenarchitektin muss ich kein Mobiliar verkaufen und kann daher besonders darauf achten, was wiederverwendet werden kann – das spart Geld und schont Ressourcen. Ich empfehle für die Produktauswahl bevorzugt Hersteller, die regional produzieren und dadurch kurze Lieferwege haben.

Wo und wie konnten Sie diese Tipps in Ihren Projekten bereits umsetzen?

In der Engel Apotheke in Waldshut-Tiengen konnten wir die Böden aus dem Bestand nutzen und einige fehlende Bereiche ergänzen. Das Deckenraster haben wir aus logistischen Gründen für Elektro-, Wasser- und Klima-Leitungen erhalten und die Gipskartonplatten aus dem Bestand mit nachhaltigenPaneelen aus Holz-Akustik-Lamellen von Lignotrend aus demSchwarzwald ersetzt. Das Ladenbausystem aus der altenFiliale konnten wir teilweise umziehen und weiterentwickeln.Durch den Einsatz eines elektrifizierten Regalsystems vonVisplay können jetzt auch Display-Screens genutzt werden.Die beleuchteten Regale akzentuieren die Produkte. Außerdemwurde in eine digitale Etikettierung investiert, die mit derWarenwirtschaft korrespondiert.

Ist es üblich, dass vorhandenes Mobiliar umgezogen und aufgewertet wird? Welche Vorteile hat das?

Der Vorteil liegt vordergründig in der Kostenersparnis. Aber wir stellen fest, dass der schonende Umgang mit Ressourcen auch von den Kunden unserer Bauherren wohlwollend zur Kenntnis genommen wird. Außerdem erhalten wir durch Weiternutzung von Mobiliar auch einen Wiedererkennungswert – ein Highlight-Möbel aus dem Bestand erzählt schließlich eine ganz andere Story als etwas Neues.

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