Bless, Berlin und Paris
Die Achse Berlin-Paris ist eine inzwischen etablierte und liebgewonnene Verbindung für Ines Kaag und Desiree Heiss, den beiden Designerinnen von Bless. Kaag und Heiss lehnen ein irgendwie genormtes Verständnis von Mode ab. Ihre Arbeit ist offen für Beiträge aus Design und Kunst, auch Freunde oder Kunden dürfen ihren Beitrag zur kreativen Dynamik von Bless leisten. Offenkundig ist dies in der Gestaltung der beiden Dependancen in Berlin und Paris, die sich kontinuierlich wandeln und neu erfinden und so aussehen, als seien es private Appartements. Interior, Inhalte und Inszenierung – nichts bleibt, wie es ist. Die Designerinnen verstehen Bless als „großes Schaufenster zur Welt“, das sich einhergehend mit persönlichen Ansprüchen und Visionen wandelt und erfrischend unberechenbar bleibt.
Michael Sontag, Berlin
Dass es deutsche Modedesigner mit einer avantgardistischen Idee von Bekleidung hierzulande schwer haben, sich prominent im Handel zu positionieren, ist keine neue Erkenntnis. Der Berliner Modemacher Michael Sontag machte aus der Not eine Tugend und eröffnete 2015 seine eigene Boutique in der Muskauer Straße in Berlin-Kreuzberg, die mehr ist als ein Geschäft: Showroom, Atelier und ein Ort, der die nötige Intimität bietet, um die wachsende Anzahl an treuen weiblichen Fans und einigen durchreisenden Neuentdeckerinnen persönlich zu beraten und einzukleiden.
Es gibt keine festen Öffnungszeiten, stattdessen aber verbindliche Termine für eine Beratung. Und oft ist der Designer selbst vor Ort. So flexibel und überraschend wie seine Mode zeigt sich auch die Gestaltung des Raums: rohe Wände, die die Historie des Gebäudes offenbaren, Spiegel und ein Schaufenster ohne Rahmen sowie immer mal wieder wechselndes Mobiliar als Synonym für Beweglichkeit und Wandel bilden den Kern.
Sois Blessed, München
Im April 2017 eröffnete Sois Blessed in der Münchner Prangerstraße. Die Einrichtung ist klar, grafisch, zurückgenommen und edel: weiße hohe Wände, Rundbogenfenster, heller Betonboden, goldene Kleiderstangen und schwarze Kuben für die Warenpräsentation. Wohnaccessoires, Lampen, Vasen, Hocker oder Stühle fügen sich selbstverständlich in dieses Setting ein und vermitteln ein Gefühl von Behaglichkeit. Man darf sie als inspirierende Akzente verstehen oder als Objekt der Begierde, das man später mit nach Hause nehmen wird.
Fashion, Lifestyle und Interior – das Konzept von Sois Blessed spiegelt die relevanten Aspekte unseres Lebens im Privaten, die mehr denn je Statement sind. Das Sortiment besticht durch die persönliche Prägung und die handverlesene Auswahl von Marken und Produkten. Dem Anspruch an ganzheitliches Wohlfühlen und Willkommensein zollt auch das Tagescafé mit Innenhofterrasse.
Gentle Monster, London
Das koreanische Eyewear-Label Gentle Monster denkt Retail radikal neu. In Hinblick auf Produkt, Raum, Inszenierung und Serviceverständnis soll der Erlebnis- und Inspirationscharakter des modernen Einkaufens umfassend reflektiert werden. Nach der Etablierung von bis dato 15 Flagships in Asien und den USA – jede Dependance mit einem eigenen konzeptionellen Ansatz – eröffnete Ende Juli 2018 der erste Store in Europa, in der Londoner Argyll Street.
Sein Thema: die Kultur der traditionellen asiatischen Kampfsportarten. Abstrakte Kreaturen und Installationen, die durch komplexe Materialität bestechen und einen skurril-futuristischen Rahmen für die vergleichsweise simple Präsentation der Brillen-Kollektion bilden, werden von großen Screens komplettiert, bespielt mit Wasserfall-Szenarien in intensiven Blau- und Grün-Nuancen.
Christian Wijnants, Antwerpen
Die Mode-Ideen des belgischen Designers Christian Wijnants erzählen von seiner Liebe zur Natur, dem Reisen und Entdecken und seinem Interesse an Kunst und Architektur. So scheint es selbstverständlich, dass auch die Vision für den Flagship-Store in seiner Wahlheimatstadt Antwerpen diese Präferenzen spiegelt.
Der konzeptionelle Ansatz des schwedischen Architekten Andreas Bozarth Fornell korrespondiert mit dem intensiven Material-Research, der auch bei Christian Wijnants stets am Anfang der Entwicklung einer neuen Kollektion steht. Die Aufmerksamkeit liegt auf Materialien wie Beton und Fiberglas, flankiert von einem schönen Garten, den die Landschaftsgestalter Bart Haverkamp und Pieter Croes entstehen ließen.
The broken arm, Paris
Anaïs Lafarge, Romain Joste und Guillaume Steinmetz eröffneten 2013 im Pariser Marais ihre Boutique The broken arm. Designermarken, die maßgeblich die Evolution der Mode prägen und vorantreiben, hängen hier sympathisch unprätentiös auf den schlichten Kleiderstangen. Es gibt keine Kategorisierung, bloß den Anspruch an so etwas wie Identität und Vision. Beides spiegelt sich auch in der Auswahl der Magazine, die ebenso wie Bücher und ausgesuchte Accessoires dem Konsumverständnis von Connaisseuren entsprechen sollen, denen es um Inhalte geht, nicht um eine schillernde Fassade.