Ummantelt mit knallrotem Skai-Kunststraußenleder und mit einem markanten schwarzen Reißverschluss zusammengefügt – im Restaurant des Arthotels Kiebitzberg in Havelberg sind die Säulen ein besonderer Hingucker. Die Gestaltungsidee hatte der Hotel-Gründer Andreas Lewerken. Lewerken ist zugleich Geschäftsführer der ortsansässigen Kiebitzberg Gruppe, die u.a. auch im Ladenbau tätige Möbelwerkstätten betreibt.
Das Beispiel zeigt, wie mit baulich vorgegebenen Stützen umgegangen werden kann: indem man sie bewusst hervorhebt und zu einem Highlight macht. Wer denkt, Storeplaner fühlen sich durch Säulen und Stützen in ihrer Gestaltungsfreiheit eingeschränkt, irrt. Im Gegenteil: „Tatsächlich führt gerade diese Limitierung zu den kreativsten Lösungen“, findet Andreas Lewerken. Andernorts hat sein Team auch schon mal mithilfe des Mineralwerkstoffs Hi-Macs „aus einer hässlichen quadratischen eine leuchtende runde Säule gemacht.“
Stützen, das bestätigen alle befragten Experten, sind schon in der ersten Entwurfsphase relevant. Und für das Storedesign mitunter durchaus dienlich, wie Detlef Becker, Geschäftsführer des Architekturbüros Heikaus Concept aus Mundelsheim erläutert. „Der statischen Verteilung der Lasten auf Stützen im Raum liegt in der Regel auch eine flächenmäßige Gliederung beziehungsweise Struktur zugrunde. Wir versuchen, diese bei der Aufteilung der Laden- bzw. Geschäftsfläche zu übernehmen.“
Claudia Grabmeister, Geschäftsführerin des Hamburger Architekturbüros Anders + Grabmeister sagt: „Säulen können genutzt werden, um durch den Store zu führen und Ansatzpunkte bilden, um kleine Unterräume zu schaffen.“
Funktions-Träger
ppm Planung + Projekt Management aus Dormagen integrierte die Säulen im Zweirad-Center Stadler in Chemnitz in das Wegeleitsystem. Bei Sport Scheck in München hat das Markdorfer Atelier 522 die Stützen als Kommunikationsmittel eingesetzt. Grafiken, Schriften und Bilder markieren das jeweilige Sortiment, das in diesem Bereich präsentiert wird. „Der Klassiker, Pfeilern neben ihrer tragenden Rolle eine weitere Funktion zu geben, ist es, sie zu verspiegeln. Dieser Gebrauchsnutzen wird gerade im Modebereich sehr geschätzt“, nennt Detlef Becker von Heikaus eine weitere Möglichkeit.
Für Jochen M. Messerschmid von MAI Messerschmid Architekten und Innenarchitekten aus Stuttgart gehören Stützen zum Gebäude wie der Boden, die Wände und die Decke. „Daher unterlasse ich es gerne, sie zu kaschieren. Im Idealfall nimmt der Kunde die tragenden Elemente nicht bewusst wahr, weil sie in Bezug auf das Store-Layout genau dort stehen, wo sie hingehören.“
Das Team von ppm versucht speziell bei Neubau-Projekten, „frühzeitig Einfluss auf das Thema Stützen zu nehmen und mit den eingebundenen Architekturbüros im Hochbau eine gemeinsame Lösung zu finden“, berichtet Philipp Nottekämper, Bereichsleiter Planung bei ppm.
Im Bestand indes muss man die Situation nehmen, wie sie ist. Bei Betten Rid in Frankfurt waren die Betonsäulen unterschiedlich groß und standen nicht in Reihe, sondern versetzt. Die Planer von Anders + Grabmeister verkleideten sie so, dass sie nunmehr gleich groß sind und sich in einer Achse befinden. „Das brachte sehr viel Ruhe in den Raum“, so Claudia Grabmeister. Und das, obwohl die Material-Gestaltung variiert. An einer der Stützen wecken beispielsweise kleine Mosaikfliesen die Assoziation an ein Badezimmer und machen damit schon aus der Ferne deutlich, dass hier Frottierwaren zu finden sind. Andere Säulen hingegen sind schlicht weiß oder grau gestaltet. Die Seiten der Stützen werden zur Dekoration genutzt, teils sind auch Info-Screens daran angebracht. Richtung Hauptlauf wird Ware inszeniert. Integrierte Fachböden sind höhenverstellbar und somit an das Sortiment anpassbar.
Haupt- oder Nebenrolle?
Jochen M. Messerschmid ist im Regelfall eher kein Freund davon, Stützen in Warenträger zu verwandeln. „Die Übersichtlichkeit von Verkaufsflächen kann leiden, diese können schnell überladen wirken.“ Er lässt Stützen gerne „im Hintergrund wirken“, was sogar so weit gehen kann, sie komplett in einer Ladenbauwand verschwinden zu lassen. Wobei auch hier wieder Ausnahmen die Regel bestätigen können. Beim Modehaus TC Buckenmaier in Ansbach ist an die Stütze in der Schuh-Abteilung eine Café-Bar „angelehnt“. Den Highlight-Charakter unterstreichen Leuchten, die wie konzentrische Kreise aussehen.
Sogar Wassersäulen lassen sich in Stores realisieren. Neben aufmerksamkeitsstarker Optik bringen sie beruhigendes Plätschern und ein gutes Raumklima mit. Das Unternehmen Aqualon Ambiente aus Regensburg bietet verschiedene individualisierbare Lösungen an. Ausgangsmaterial für die Wasserläufe können (gebogenes) Glas, Acryl- oder Plexiglas, Naturstein oder Architekturgewebe wie zum Beispiel ein Ringgeflecht sein.
Wassersäulen
In der Struwwelpeter-Apotheke an der Frankfurter Hauptwache ist eine solche Aqualon-Wassersäule zu sehen. Das Kölner Planungsbüro Raum.4 konzipierte das Projekt. Auf der mit gebogenem Glas ummantelten Stütze ist eine Motivfolie aufgebracht, auf der der Name der Apotheke Programm ist. Denn hier zeigt sich die Kinderbuchfigur Struwwelpeter in voller Pracht. Ihn umgeben die farbigen Punkte des Firmenlogos, die sich überdies an der Decke als farbige Leuchten wiederfinden. Eine zweite Säule wurde rein funktional ohne Wasser gestaltet und dient mit gläsernen Regalböden der hochwertigen Produktpräsentation. Die vom Bestand vorgegebene runde Stützenform wurde bewusst belassen. Geschäftsführerin Anita Nowak: „Diese ist keine Bremse, sondern Weiterführung durch den Raum. Es gibt kein hinten und vorne, die Bewegung ist immer ein Herumführen.“
Die Beispiele zeigen: Gestaltungsideen sind auch beim Thema Stützen praktisch keine Grenzen gesetzt. In der Kinderabteilung bei TC Buckenmaier in Ansbach wachsen sie sogar als „Bäume“ in den Store-Himmel.
Fotos (5): Heikaus (2), Atelier 522 (1), MAI Messerschmid (1), Rainer Schäle (1)