Wenn aktuell ein Retailer seine Fläche neu gestaltet, ein Platzhirsch einen großen Umbau plant oder ein Filialist ein neues Storekonzept umsetzt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Boden im Holzdesign gestaltet wird. „Für Holz spricht schlicht und einfach die Wohnlichkeit“, sagt der Stuttgarter Architekt Jochen Messerschmid von MAI Messerschmid Architekten und Innenarchitekten. Doch wenn bei Retail-Böden von Holz die Rede ist, ist nicht unbedingt Echtholz gemeint. Was im Bioladen, im Möbelhaus, im Sportgeschäft oder in der Parfümerie auf den ersten Blick aussieht wie edles Eichenparkett, kann auch ein hochwertiger Designboden aus LVT sein – auch Vinyl- oder PVC-Designboden genannt – oder ein Bio-Boden aus Polyurethan oder Linoleum.
„Selbst für Fachleute wird es immer schwieriger, einen echten Parkettboden von einem Designboden zu unterscheiden“, sagt Michael Gerbl, Leitung Marketing und Produktmanagement Retail Products beim Hersteller Egger. „Designböden stehen dem Original beinahe in nichts nach“, so Karin Riedrich, Leitung Marketing Kommunikation bei DLW Flooring, „das Material wirkt so authentisch wie nur möglich.“ Die bevorzugte Holzart der Lookalikes ist Eiche. Dekore in mittleren Brauntönen und Grau-Nuancen sind derzeit besonders beliebt.
Dekorsynchrone Oberflächenprägung
Das hohe Maß an Authentizität wird zum einen durch das originalgetreue Abbild des Holz-Vorbildes erzielt, indem eine bedruckte Papierschicht in das Produkt eingebettet und mit einer für den Retailbereich in der Regel 0,55 mm starken Nutzschicht versehen wird. Zum anderen kommt die Struktur hinzu. „Mittlerweile wird die Natur auch durch Strukturen und dekorsynchrone Oberflächenprägungen bis ins letzte Detail imitiert“, erklärt Jens Puda, Marketingleiter DACH bei Forbo Flooring. Das einzige verbliebene Unterscheidungsmerkmal ist die regelmäßige Wiederholung des Maserungsbildes, sagt Michael Gerbl von Egger, „doch auch dieses Phänomen wird mittelfristig durch die Möglichkeiten des Digitaldrucks verschwinden“, meint er.
Starker Wettbewerb
Das bezieht sich auch auf Böden in Stein-Optiken – der Anteil von Holz- zu Stein-, Beton- und Schieferoptiken liegt bei einem Verhältnis von rund 70 zu 30. Ein Grund dafür, dass diese Designböden im Laufe der letzten Jahre immer „echter“ geworden sind, liegt nicht zuletzt im starken Wettbewerb. „Wir sind an einem Punkt, an dem der Markt durch ein riesiges Angebot an Design-, Vinyl- und PVC-Böden sehr gut versorgt wird“, sagt Annika Windmöller, Gesellschafterin der Windmöller Holding, „das hat dem Produkt ausgesprochen gut getan, denn es hat sich dadurch unglaublich weiterentwickelt.“
Etwa so weit, dass Echtholz praktisch überflüssig ist? „Wir setzen nach wie vor Echtholz und keine Vinylböden ein“, sagt Ansgar Schmidt von S1 Architektur, Berlin. „Parkett ist extrem nachhaltig und auch für den Retailbereich sehr gut geeignet“, so Schmidt, und man könne durchaus auch mit kleinem Budget, auf großen Flächen und in Hochfrequenzlagen Parkett verlegen. Auch Jochen Messerschmid spricht sich vom Grundsatz her fürs Echte aus. „Natürlich neigt der Architekt dazu, alles authentisch haben zu wollen“, sagt er, räumt aber ein: „Designbeläge sind optisch mittlerweile sehr gut“, und natürlich sei es auch eine Preisfrage, denn: „bei Echtholz muss man mit mindestens 60 Euro pro Quadratmeter kalkulieren“. Dafür ist die Investition aber auch praktisch eine fürs Leben.
Fotoboden: Sand oder Herbstlaub für sechs Monate
Wie man auch bei langfristig angelegten Bodenkonzepten auf neue Trends sowie saisonale oder lokale Ereignisse eingeht
Ein vollflächig verklebtes Echtholz-Parkett muss einer kreativen, variablen Bodengestaltung keine Grenzen setzen. Mit Deko-Belägen wie dem „Fotoboden“ in jeder denkbaren Optik von Holz bis Stein, im Laub- oder Frühlingswiesen-Design kann man saisonbezogene Eyecatcher schaffen und so dem Ruf nach Flexibilität auf der Fläche gerecht werden. „Unsere Böden sind eine temporäre Ergänzung für solide Bodenbeläge“, sagt Timo Michalik, Inhaber der Firma Fotoboden. „Ein Drittel der Beläge, die wir produzieren, sind Natur-Imitate wie Holz, Kiesel, Sandstrand oder Waldboden.“ Dazu werden Echtfotos auf 2 mm starke PVC-Böden übertragen, die je nach Beanspruchung bis zu 6 Monate haltbar sind – lange genug also für eine Sportschuh-Aktion auf Turnhallenboden, eine aktionsbedingte Marktplatzsituation auf Pflasterstein, eine sommerliche Strandkorb-Szenerie auf Sand oder den Fashion-Saisonstart auf Herbstlaub-Optik.
Die führende Holzart ist und bleibt auch bei Echtholzparkett die Eiche, nach wie vor häufig in gealterten und rustikalen Optiken, in warmen Natur-, oft aber auch in grau- bis weißgrau-stichigen Nuancen. Klassische Landhausdielen in möglichst großen Formaten haben weiterhin Konjunktur. Parallel dazu bauen sich gerade die wiederentdeckten klassischen Verlegemuster wie Flechtmuster, Würfelmuster und insbesondere Fischgrät als großer Trend auf und laden hochwertige Echtholz-Böden mit einer eleganten Anmutung auf.
Lakiert oder geölt?
Sollte der Echtholzboden im Retail lackiert oder geölt werden? „Mattlackierte Böden erfordern zwar weniger Pflege“, sagt Sebastian Fleck von Kährs Parkett, „geölte Böden haben aber den Vorteil, dass man sie partiell ausbessern kann.“ Zudem kann man bei ihnen das Aussehen bei Bedarf verändern, etwa durch Bürsten, oder, so Susanne Pertl, General Manager DACH bei Havwoods Parkett: „Indem man es abschleift und mit speziellen Ölen und Lacken neu einfärbt.“
Grundsätzlich ist aber die Unterhaltspflege von Designböden deutlich einfacher und damit auch kostengünstiger. „Durch die einfache und günstige Reinigung und Pflege sind LVT über ihre gesamte Laufzeit gesehen unschlagbar günstig“, so die Rechnung von Frank Selbeck, Marketingleiter bei Objectflor. Hinzu kommen Lichtechtheit, Strapazierfähigkeit, Fleckenbeständigkeit, Kratz- und Wasserunempfindlichkeit. Die Gebrauchseigenschaften wurden durch neue Technologien noch einmal verbessert. Es gibt hochverdichtete und hochvernetzte und damit quasi unverwüstlich erscheinende Oberflächen oder einen Self-Repair-Effekt, der Kratzer oder Druckstellen selbsttätig beseitigen soll.
Linoleum: Produkt für ein gutes Gewissen
Der seit 150 Jahren bewährte Bodenbelag aus Naturmaterialien gewinnt in neuen Optiken und Planken-Formaten und dank bester Öko-Bilanz, Gebrauchs- und Pflegeeigenschaften an Popularität.
Wer auf wohnliche Holzoptiken setzt und einen sehr natürlichen Bodenbelag sucht, jedoch die Investition in Echtholz scheut, ist mit Linoleum gut bedient. Zu 85 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen wie Leinöl, Naturharzen, Kalkstein-und Holzmehl, Jute und natürlichen Farbpigmenten gefertigt, bietet sich der robuste Belagstyp mittlerweile in verschiedensten Holzdekoren und im Plankenformat an und ist zudem „genauso pflegeleicht wie andere elastische Böden“, sagt Jens Puda, Marketingleiterbei Forbo Flooring Systems, da die Oberfläche werkseitig doppelt beschichtet wird. „Große Retailer und Brands suchen zunehmend nachhaltigeund eigenständige Alternativen zu Kunststoff und Holz“, beobachtet Puda. Linoleumstoße da mit natürlicher Optik, Nachhaltigkeit und bis zu 25 Jahren Lebensdauer auf großes Interesse. „Linoleum punktet bei Entscheidern, die Naturmaterialien verwenden wollen“, bestätigt auch Katrin Riedrich, Marketingleitung bei DLW Flooring. Für Jens Puda hat Linoleum als „Produkt für ein gutes Gewissen“ daher großes Potenzial für die Zukunft.
Neuentwicklungen gibt es auch bei PVC-freien Produkten und bei innovativen Unterlagen, die lose liegende Beläge noch stärker vor Verrutschen schützen sollen. Der deutlich überwiegende Teil der Designböden wird in Handelsobjekten zwar nach wie vor vollflächig verklebt. Klick- und Loose-Lay-Systeme sind aber vor allem für temporären Einsatz, oder wenn Schließzeiten wegen Umbaus vermieden werden sollen, die Wahl. Loose-Lay-Varianten sind auch interessant, weil man, darauf weist Svenja Bends von Project Floors hin, einzelne Planken austauschen kann. Generell rechnet man bei LVT mit einer Lebensdauer von bis zu 20 Jahren.
Alte Verlegemuster
Von dem Boom der klassischen Verlegemuster aus dem Echtholzbereich profitieren auch die Designböden. „Alte Verlegemuster und insbesondere Fischgrät sind extrem gefragt“, sagt Annika Windmöller,„ich habe noch nie erlebt, dass sich ein Trend so plötzlich und rasant durchgesetzt hat.“ Frank Selbeck von Objectflor macht dieselbe Erfahrung: „Unterschiedliche Verlegemuster sind ein großes Thema, auch und gerade in Bezug auf Zonierung“. Bei den Formaten stehen zwar große Formate weiterhin im Fokus, doch es wird zunehmend „mit unterschiedlichen Formaten gespielt, und dadurch kommen auch kleinere Varianten wieder ins Spiel“, so Selbeck. Auch hier können Designböden ihre Stärken ausspielen, glaubt Katrin Riedrich von DLW Flooring, denn sie werden „in so vielen verschiedenen Formaten, Dessins und Farben angeboten, dass man durch Verlegemuster und Kombinationen seine Individualität herausarbeiten und sich abheben kann“. Zu beobachten ist auch eine „Individualisierung durch Einstreuung andersfarbiger Einzelfliesen oder Planken“, sagt Nicole Grewer, Marketingleitung Objekt bei Gerflor. Zu beobachten ist auch, dass die Oberflächenbilder bei LVT ruhiger werden, „die Holzmaserungen und -strukturen dezenter, allzu Rustikales wird natürlicher und damit authentischer“, so Annika Windmöller.
Kautschuk: Gute Eigenschaften für ein langes Leben
Eine authentische Alternative zu Vinyl, die auch Architekten lieben: Kautschuk ist ein elastomeres, das heißt ein elastisches, aber formfestes homogenes Material, das extrem langlebig, pflegeleicht, rutschhemmend und fußwarm ist und einen hohen Gehkomfort bietet.
Das emissionsarme, PVC- und Phtalat-freie Produkt wird fugenfrei verlegt. Innovative Schnellverlegesysteme ermöglichen Zeitersparnis und unmittelbare Begehbarkeit. Mit diesen Eigenschaften eignet Kautschuk sich als Bodenbelag für Retail-Flächen. „Die häufigsten Einsatzbereiche sind die Filialen von Modeketten, Apotheken oder auch der Lebensmitteleinzelhandel“, sagt Simon Knauf, Marktsegment-Manager des Kautschukböden-Herstellers Nora Systems aus Weinheim. Kautschukböden werden in großer Uni-Farbpalette, darüber hinaus mit terrazzoähnlichen, marmorierten oder von Holz inspirierten Oberflächen angeboten. Auch die Integration von Schriftzügen oder Logos ist möglich.
Alles in allem gibt es offenbar viele Argumente, die bei Retailflächen zunächst für Designböden sprechen. Finden die Lookalikes daher künftig auch Zugang zum hochgenrigen Retail? Tatsächlich deutet sich ein Wertewandel an. Auch in Konzepten, die früher obligatorisch Echtholz vorsahen, wird hier und da mit LVT gearbeitet. Dennoch würde „im Luxusgenre natürlich niemand PVC verlegen“, sagt Jochen Messerschmid. Außerdem solle man „die Mündigkeit der Kunden nicht unterschätzen“, warnt Ansgar Schmidt, „in einem bestimmten Niveau spüren die Kunden, ob sie es mit echten Materialien zu tun haben, denn sie sind auch zu Hause davon umgeben und fühlen sich sonst nicht wohl.“ Letztendlich ist es wohl eine Frage der Haltung. Designböden versprechen eine perfekte, gleichbleibend und dauerhaft gepflegte Optik. Echtholzböden haben eine unvergleichliche Ausstrahlung und verändern sich. Sie leben.
Fotos (9): Gerflor, Hain Natur-Böden, Havwoods, Project Floors, Fotoboden, Kährs Parkett, DLW Flooring, Forbo
Weitere Informationen: redaktion@ehi.org
Echtes entspricht dem Zeitgeist
Architekten lieben Echtholz-Parkett. Warum sie authentisch wirkende PVC-Beläge dennoch begrüßen, sagt Rolf Romani, Geschäftsführer von Cri Cronauer und Romani Innenarchitekten aus Bensheim.
Laufen PVC-Beläge den Echtholz-Böden im Retail den Rang ab?
Wenn wir Konzepte entwickeln, zeigen wir in der Regel zunächst Echtholz, denn es ist das ehrliche und aus unserer Sicht bessere Material. Doch Retail-Kunden aus dem Mainstream haben oft Bedenken hinsichtlich der Pflege – meiner Erfahrung nach unberechtigt. Denn auch in Objekten mit hoher Frequenz zeigt sich, dass Echtholz sich bewährt. Man kann die Böden nachölen und bei Bedarf abschleifen. Ein Massivholzparkett darf altern und sieht auch nach längerem Gebrauch noch gut aus.
Wann empfehlen Sie dennoch PVC-Beläge?
Letztendlich ist es die Optik eines Materials, die Emotionen erzeugt und auf den Kunden im Laden wirkt. Wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Maintenance-Kosten eine sehr große Rolle spielen, sind wir daher durchaus dankbar für authentisch wirkende Alternativen. Man muss das Produkt jedoch sorgfältig auswählen und darauf achten, dass es keine umweltschädlichen Materialien enthält.
Gibt es Branchen, bei denen Sie von Echtholz abraten?
In technischen Branchen wie beispielsweise Autohäusern würde ich kein Holzparkett legen; Autoreifen auf Eiche – das kann ich mir schwer vorstellen. Ansonsten ist Echtholz heute nahezu überall möglich: Auch in einem Sportgeschäft kann man sehr gut – zumindest in Teilbereichen – mit echter Wohnlichkeit arbeiten, weil es dem Zeitgeist entspricht.