Die Nähe zum Kunden als Erfolgsfaktor | stores+shops

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Rund 200 Teilnehmer diskutieren am 14. und 15. September beim EHI Retail Design Kongress u. a. über die Entwicklung des stationären Geschäfts. (Foto: EHI/Hauser)

Die Nähe zum Kunden als Erfolgsfaktor

Welche Rolle hat eine stationäre Fläche im digitalen Zeitalter? Wie werden Marken im Store erlebbar? Darüber diskutierten rund 200 Teilnehmer bei der EHI Retail Design Konferenz am 14. und 15. September in Düsseldorf. Lokale Händler zeigten, dass die Nähe zum Kunden ein zentraler Erfolgsfaktor für den stationären Handel ist.

Dass Flächen nicht in Schönheit sterben dürfen, ist bekannt. Bruno Marti, Chief Brand Officer des 25 Hours Hotels, formuliert es drastischer: Design spielt plötzlich keine Rolle mehr. Flächen müssen auch auf den dritten Blick noch funktionieren, verdeutlicht er in seinem Vortrag und erklärt: Erlebnisse umfassen mehr als das Design eines Ladens. Menschen müssen zum Wiederkehren animiert werden. Nach Aussage von Anja Kässner, Manager Marketing Strategy bei dem Marketing- und IT-Unternehmen Sapient Nitro, lautet das aktuelle Buzzword „Customer Experience“, also „das Gestalten von Kundenerlebnissen über alle Touchpoints hinweg”. Daraus resultiert: Die Rolle des Handelns verändert sich – befeuert durch Digitalität. Kässner stellt die These auf, dass „Mobil“ aktuell die stärkste Kundenplattform des Jahrhunderts sei, die mobile App oder Website aber nicht das sei, was im Laden gebraucht wird. Vielmehr erfordere die Digitalisierung neue Handlungsweisen für das stationäre Geschäft, da die Möglichkeit eines „schnellen Einkaufs“ durch das Internet an Bedeutung gewinne, so Hermann Hutter von Hutter Trade.

Social Shopping statt Hardselling

Es gilt, mit Convenience, Erlebnis und Kommunikation „Läden der Lust“ zu kreieren. „Social Shopping statt Hardselling“ nennt Claudia Horbert vom EHI Retail Institute den Trend, Gastronomie, Kunst und Kultur in Stores zu kombinieren und auf diese Weise hybride Orte zu erschaffen, die ein Treffpunkt für Gleichgesinnte werden, wie zum Beispiel das Hallesche Haus in Berlin, der Rapha Cycle Club in London und The Gallery in Zürich. „Der Handel ist die Theaterbühne der Innenstadt“, formuliert Hutter. Achim Fringes, Inhaber der Neuromerchandising Group, erklärt, dass es darauf ankommt, die Sprache des Kunden zu sprechen.

Die amerikanischen Marken Filson und Shinola nutzen zum Beispiel Historie und Standort, um eine authentische Atmosphäre in ihren Stores zu erzeugen. „Filson“, benannt nach dessen Gründer Clinton C. Filson,  begann 1897 in Seattle als Händler, der Goldsuchende während des „Klondike Gold Rushes“ mit Kleidung, Decken und Strickwaren aus eigener Herstellung für ihren Aufenthalt in Alaska und dem Yukon ausstattete. Nach Ende des Goldrausches fokussierte die Marke auf den Verkauf von Outdoor-Ausrüstungen speziell für die Jagd, das Fischen und die Holzfällung, heute bietet Filson Outdoor-Bekleidung, Reisegepäck und Accessoires für Mann und Frau. Mit aufgearbeitetem Holz, Vintage-Fotografien und Totempahl will das Unternehmen in seinem Flagshipstore in Seattle an den Goldrausch erinnern und hat eine Fläche erschaffen, die zum Entdecken einlädt. Fertigungstechniken sind Bestandteil des Storedesigns, um die Marke zum Leben zu erwecken. Darüber hinaus sucht das Label via Blog, Social Media-Aktivitäten und den eigenen Onlineshop Kontakt zum Kunden, um deren Geschichten aufzugreifen, Testimonials einzuladen oder auf Events, wie zum Beispiel „Korbflechten“, aufmerksam zu machen.

Shinola, ursprünglich eine Marke für Schuhcreme, die im späten 19. Jahrhundert in New York gegründet wurde, war während des Weltkriegs am Zenit angelangt und ging 1960 in Konkurs. Prämisse war es, mit der 2011 neu gegründeten Marke den Fertigungsprozess wieder aufleben zu lassen, indem in Zusammenarbeit mit unabhängigen US-amerikanischen Fabriken die Herstellung von Produkten akzentuiert wird. Shinola eröffnete u. a. eine Uhrenmanufaktur und eine Lederwarenfabrik. Der Store präsentiert die Endprodukte, zeigt aber auch Waren im Entstehungsprozess: So können Kunden zum Beispiel bei der Zusammenstellung von Fahrrädern zuschauen.

Wigner: „Kittelschürzen-Party mit Mambo Kurt“

Wichtig ist es, einzigartig in der Weise zu sein, in der Waren verkauft werden, meint David Dalziel von Dalziel & Pow Design. Ein Store sollte nicht nur verkaufen wollen, sondern Konsumenten aktiv mit einbinden und sie spielerisch zu Handlungen auffordern. Dieser Herausforderung begegnen das Kinderkaufhaus Mukk in Münster und der Concept Store Wigner im bayrischen Zirndorf mit Events rund um die Ware. Mukk lädt Kinder u. a. zum Schminken, Ballons aufblasen sowie zum Steckenpferd-Parcours ein. Erwachsene sollen sich zum Beispiel bei Beratungs-Veranstaltungen inklusive Häppchen oder Männerabenden im Autohaus vergnügen können.

Familie Wigner möchte ihren Store zum zweiten Zuhause für ihre Kundschaft machen, indem sie ihre Kunden dort abholen, „wo es lebensrelevant ist“. Nahbarkeit und Spaß stehen im Mittelpunkt. Um ihre Kunden auf freundschaftlicher Ebene kennenzulernen, Nähe und Spaß zu erzeugen, lädt das Ehepaar in regelmäßigen Abständen zu Veranstaltungen ein, die „vermeintlich uncoole Dinge zu coolen Dingen“ machen. So richteten sie 2013 eine „Häkel-WM“ aus, weitere Events waren eine „Erdbeer-Party“, ein „King & Queen Styling Day“ inklusive Prämierung sowie die „Kittelschürzen-Party mit Mambo Kurt“. Ziel der Veranstaltungen ist nicht nur der Spaß. Es geht auch darum, Ursprüngliches zu erleben, Trends zu thematisieren, Workshops anzubieten und soziokulturelle Entwicklungen zu beobachten.

Foto: EHI/Hauser

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