Nicht Schwitzen oder Frieren, sondern Raumklima. Wohlfühlen statt nackter Funktionalität. Café und Snackbar statt Wartezone. Holz statt Stein, Teppich statt Fliesen, Sessel statt Stuhl. Trennung von Beratungs- und Verkaufsprozess, Expertengespräche auf Augenhöhe statt abgedroschener Verkaufsphrasen, intelligente Kundenbindung statt Kundenabfertigung. Wenn Reinhard Beichler über die Zukunft von Autohäusern nachdenkt, dekliniert er „Einzelhandel“ in all seinen innovativen Beugeformen.
Weiter geht das so: Drive-in statt Parkplatzsuche. Teststrecken, Autowasch-Center und Oldtimer-Ausstellung, Mehrleistung durch Zusatzideen und „Erlebnisräume“. Fahrzeugpräsentation in hochwertigem Ambiente. Touchscreens mit Modell-Konfiguratoren an den Fahrzeugen statt Preisstelen. Ein großzügiger Shop, in dem Zubehör und Accessoires nicht auf armseligen Displays verstauben, sondern sich als „Nice-to-haves“ in Szene setzen. Freiräume mit variabler Technik für Veranstaltungen, die nicht zwingend ans Auto oder eine Automarke gebunden sind. Und vieles mehr. Alles im modernen Autohaus.
Beichler ist Architekt und sprüht vor Ideen für zukunftsweisende Autohaus-Formate. Gemeinsam mit seinem Partner Detlev Rohr ist er auf die Planung von Autohäusern spezialisiert. Zurzeit betreut er ein innovatives Pilotprojekt von Mercedes-Benz in Bremen. Die Struktur von Servicebereich, Fahrzeug-Präsentationsfläche und Fahrzeug-Aufbereitung basiert hier auf einer Art Kreislaufprinzip. Der Kunde parkt nicht außerhalb, sondern unter der großräumigen Überdachung oder fährt gleich in das Gebäude hinein, gelangt also auch bei schlechtem Wetter trockenen Fußes zur Fahrzeug-Annahme. Dort erhält er einen Pager, sodass er sich frei auf dem Gelände bewegen kann, ohne Sorge, nicht gefunden oder vergessen zu werden. Zur Fahrzeugübergabe wird er dann angefunkt. Kurze Wege für alle, lautet das Ziel, Prozessoptimierung bei Premium-Service. „Auch im Autohaus muss ich heute die Übererfüllung dessen anbieten, was der Kunde erwartet“, meint Beichler.
Der Automobilhandel sucht und findet eine neue Struktur. Der Gebrauchtwagenmarkt ist weitgehend ins Netz abgewandert, der Neuwagenverkauf härter denn je bei stark gestiegener Anzahl der Modellvariaten. Große Händlerorganisationen verdrängen selbstständige Unternehmer. Der verschärfte Wettbewerb wirkt sich auf die Rentabilität aus und sorgt für Unsicherheit. „Viele Händler sind momentan noch der Meinung, verdient wird in der Werkstatt, nicht in der Fahrzeug-Ausstellung“, erläutert Anton Friedrich, Lichtberater bei Erco. Doch der Autohandel muss sich als Einzelhändler aufstellen und braucht Lifestyle-Konzepte, wie andere Handelssparten auch.
Lifestyle-Aspekt
Hoffmann Ladenbau ist nicht nur für Namen wie Van Cleef & Arpels, Thomas Sabo und viel im Fashion-Retail aktiv, sondern seit Ende April auch offizieller Lieferant im Bereich Markenarchitektur für Porsche. Geschäftsführer Jürgen Frechen meint: „Porsche hat den Lifestyle-Aspekt bei Autos erkannt. Einen großen Unterschied zwischen Mode- und Autohandel gibt es für uns dabei nicht, da Autos und deren Ausstattung inzwischen wie Mode auch zum Lifestyle gehören.“
Besonderes Augenmerk auf die Beleuchtung zu richten empfiehlt natürlich Anton Friedrich. Die Beleuchtung liegt oft in der Entscheidungsverantwortung des Händlers, während die Automarken in Sachen Fassadengestaltung, Fußbodenlösung und Möblierung feste Vorgaben machen. Friedrich: „Bis heute sind viele Autohäuser mit Beleuchtungskonzepten der 1980er-Jahre ausgestattet. Ob mit Leuchtstofflampen, Lichtband, mit Einbauleuchten in Paneldecken oder als abgependelte Hallenstrahler mit Glasreflektoren – all diese Lösungen sorgen für eine eher triste, langweilige Ausleuchtung.“ In der LED-Entwicklung erkennen Autohändler bislang vor allem das Einsparpotenzial und die Wartungsfreiheit, noch nicht die positiven Aspekte für das Shopdesign, findet Friedrich. „Die Verkaufsräume wandeln sich von reinen Verkaufsstätten zu Erlebnisräumen, die die Identität der Marke auch über das Licht widerspiegeln. Fahrzeuge wollen nicht nur bei der Erstpräsentation auf Messen spektakulär inszeniert werden, sondern auch im Autohaus.“
Während also die Automobilkonzerne mit Marketing-Know-how, Lifestyle- und Technologie-Grad ganz oben operieren, verharrt das Ambiente einzelner Verkaufsstellen in, vornehm ausgedrückt, Askese, oft kaum oberhalb eines Gewerbehallen-Flairs. Besonders offensichtlich wird dieser Spagat angesichts innovativer Flagshipstores, mit denen die Marken in die Innenstädte rücken und neue Wege einschlagen.
In Großbritannien will Rockar, ein neues Hyundai-Format, mit seinen Filialen ausschließlich Shopping-Malls ansteuern. Der erste Store eröffnete kürzlich im Bluewater-Shopping-Center außerhalb von London, umgeben von 330 Läden, 50 Gastro-Einheiten, 13.000 Parkplätzen und mit 27 Mio. Besuchern pro Jahr. Der nur 185 qm große Omnichannel-Store, konzipiert von der Londoner Designagentur Dalziel and Pow, fungiert als digital unterstützter Showroom. Für Service und Info stehen nicht Verkäufer oder Berater, sondern „Rockar-Angels“ bereit, die bewusst außerhalb der Automotive-Branche rekrutiert wurden.
BMW eröffnet seit 2012 einzelne Brand-Stores in Metropolen im Rahmen eines unternehmensinternen Programms namens „Future Retail“. Kern des Konzepts ist es, die Marke BMW über Architektur, Design und intelligente Technologien erlebbar zu machen.
Brand-Stores
Audi setzt auf Hochleistungstechnologie der Superlative und eröffnete im Februar in Berlin einen volldigitalen Showroom-Store auf 800 qm. 3 x 5 Meter große „Powerwalls“, navigierbar mit Gestensteuerung, unterlegt von Klangteppichen, die von 48 aufeinander abgestimmten Lautsprechern geknüpft werden. Die virtuellen Projektionsflächen der „Audi City“ bedecken 87 qm Fläche. Im Obergeschoss befindet sich eine Stereo-„3-D-Powerwall“ aus 18 Bildschirmen mit 12k-Auflösung. Stereo-3-DBrillen vermitteln dem Besucher Out-of-Screen-Eindrücke der Modelle, während nur 4 physische Fahrzeuge im Store ausgestellt sind. Im Hintergrund arbeiten 9 Hochleistungsrechner und 6 Server.
Im vergangenen Juni eröffnete das City-Format „MercedesMe“ an der Binnenalster im Herzen Hamburgs. Hier stehen Touchscreens und Konfigurationstools für ein interaktives Markenerlebnis zur Verfügung. Für Erlebnis sorgen Lounge und Restaurant, Berater für persönliche Gespräche und eine Ausstellungsfläche für Vernissagen, Lesungen, Konzerte und Modenschauen. Die von Ganter Interior als Generalunternehmer realisierte Storefläche von 550 qm ist mit modernster Medientechnik, LED-Beleuchtung, Akustikdecke, Eichenvertäfelung an den Wänden und Parkettboden ausgestattet, mit Gastronomie-Thekenanlage, Espressomaschine und Glastürkühlschränken und schließlich einer 45 Meter langen geometrisch komplexen Wandverkleidung aus schwarz lackierten Platten, die das besondere Design der Räumlichkeiten unterstreicht.
Mit solchen Ausnahme-Konzepten treiben die Automobilkonzerne die Vielfalt der Formate voran, erfolgreich getestete Prozesse sollen in die „normalen“ Autohäuer übertragen werden.
Fotos: BMW AG (1), Dalziel and Pow (1), Mercedes-Benz (1) und Zumtobel (1)
„Vom Lifestyle lernen“
Leif Geuder ist Spezialist für ganzheitliche Markenführung und kennt den Autohandel. Als Geschäftsführer Strategie bei der Design-Agentur becc Agency in München prägt er seit über 15 Jahren die Marken der BMW Group mit.
Würden Sie sagen, dass in der Autohaus-Landschaft ein Investitionsstau herrscht?
Die Händler investieren in Ausstattung, Möbel und Hardware. Einen Investitionsstau gibt es also nicht. Viele verpassen aber gerade die Entwicklung zum Retailer, da sie in vielerlei Hinsicht noch nicht verstanden haben, dass sie mehr bieten müssen.
Welche neuen Denkmuster oder Details für Aufbau und Ausstattung sollten in klassische Autohäuser einziehen?
Die Ausstellung aller Modelle, der Service und die Reparatur sind traditionelle Angebote, die auch weiterhin ihre Berechtigung haben. Sie sollten mit neuen Elementen wie dem Verkauf von Lifestyle-Produkten, Lounge-Ecken oder Cafés angereichert werden. Anstatt also klassische Angebote über den Haufen zu werfen, sollten Autohäuser über Möglichkeiten nachdenken, wie sie ihren Kunden mehr bieten können: eine kleine Snackbar, Soundsysteme, Hifi-Anlagen, Golfschläger, Freizeitkleidung, der passende Kaffee oder Hotels- und Reiseveranstalter sind dafür prädestiniert. Das Erlebnis Autohaus muss zur Marke und ihrem Image passen und die Lebenswelten der Kunden aufgreifen.
Immer mehr Automarken starten aktuell Flagships in City-Lagen. Sieht so die Zukunft des Autohandels aus?
Neue Formate wie die Brand-Stores in Innenstadtlagen sollen vor allem neue Kundengruppen ansprechen. Sie dienen in erster Linie zur Kommunikation der Marke. Im Autohaus geht es darum, möglichst alle Produkte in möglichst vielen Variationen auszustellen, zu inszenieren und zu verkaufen. Diesen Platz haben Flagshipstores nicht. Auch Probefahrten sind meist nur im Autohaus realisierbar. Die unterschiedlichen Formate haben unterschiedliche Aufgaben. Die einen lösen nicht die anderen ab, sondern sie ergänzen sich gegenseitig, nehmen Bezug auf die gestiegenen Anforderungen der Kunden von heute.