Aufwärts, abwärts und wieder nach oben | stores+shops

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Die komplette Neugestaltung des Warenhauses von Liberty of London wurde von 20/20 gemacht, hier die Parfümerieabteilung

Aufwärts, abwärts und wieder nach oben

Die Londoner Storedesign-Agentur 20/20 ist bekannt, top und gut im Geschäft. Das Unternehmen wurde bereits 1988 gegründet und hatte zwischendurch eine Zeit, in der Etats wegflossen und alles nicht gut aussah. Wie war das Konsolidierungs-Programm? John Ryan besuchte die Agentur im Londoner Stadtteil Camden.

London ist schon seit Jahren ein Mittelpunkt des international agierenden Storedesigns. Zu den namhaften Agenturen zählt 20/20. Es gibt die Agentur seit 1988. In der Zeit ihres bald 25-jährigen Bestehens hat sie schon so etwas wie eine Achterbahnfahrt hinter sich, was Größe, Umsatz und Mitarbeiterzahl angeht. Heute ist die Agentur ganz oben, die Geschäfte laufen erfolgreich.

Blick in die Büroräume von 20/20 im Londoner Stadtteil Camden

Blick in die Büroräume von 20/20 im Londoner Stadtteil Camden

Der Weg dorthin war allerdings nicht geradlinig. Drei Partner starteten 1988 das Unternehmen: Bernard Dooling, Richard Mott und Brian Wright. Mott und Dooling stehen noch auf der Gehaltsliste. Es gibt allerdings eine ziemlich lange Liste von Teilhabern an der Firma. Von 1988 bis 1996 war 20/20 eher eine Mainstream- als eine Kreativ-Agentur mit einer großen Bandbreite von Kunden, die von Texaco über die Mode- und Einrichtungshäuser von British Home Stores (BHS) bis zum Virgin Megastore reichte.  

Die Klienten kamen zu 20/20, um ein neues Storedesign zu kaufen und verließen die Agentur mit ausgearbeiteten Zeichnungen und einem Konzept, das sie dann umgesetzt haben. Das änderte sich, als 1996 Jim Thompson in das Unternehmen eintrat. Thompson kommt vom Grafikdesign her und ist heute Geschäftsführer von 20/20. Davor hatte er vor allem für Automobilhersteller gearbeitet, darunter Saab und Mitsubishi. „Ich habe auch bei Texaco gearbeitet, so habe ich 20/20 kennengelernt“, berichtet Thompson. 

Thompson, heute 51, war 36, als er in die Agentur einstieg. Ein Jahr danach kam ein Klient zu 20/20, mit dem alles anders wurde: Sainsbury‘s. Sainsbury’s gehört zu den „Big Four“ der britischen Lebensmittelhändler und wollte sich 1997 neu erfinden. Dafür wählte man die Agentur 20/20 aus, die nun die Aufgabe hatte, die Richtung des Marktauftritts von Sainsbury’s für die nächsten 5 bis 6 Jahre vorzugeben.

„Toughe“ Zeit

Der Klimamarkt von Sainsbury’s in Greenwich und die Firmenfarbe „Living Orange“ wurden von 20/20 kreiert

Der Klimamarkt von Sainsbury’s in Greenwich und die Firmenfarbe „Living Orange“ wurden von 20/20 kreiert

Speziell zu dieser Zeit, aber auch heute noch ist es nicht allzu häufig, dass ein Auftraggeber seinen kompletten Marktauftritt von einer einzigen Agentur konzipieren lässt. 20/20 entwickelten für Sainsbury’s eine komplett neue visuelle „Sprache“. Basis war die Farbe „Living Orange“. Auch für die Ladenmöblierung und die Instore-Grafiken wurden eine bestimmte Formensprache und ein Design entwickelt. Auch der „grüne“ Sainsbury’s-Klimamarkt „Millenium Store“, der in Greenwich nahe London in den Hang eines Hügels hineingebaut wurde, wurde von 20/20 entwickelt. Das Hauptziel des „Millenium Store“ ist ein möglichst geringes CO2-Potenzial.  

In dieser Zeit zählte 20/20 Unternehmen wie den finnischen Lebensmittelfilialisten Kesco und den schwedischen Lebensmittler Hemköp, den Telekommunikations-Anbieter Orange und das britische Warenhaus Liberty zu seinen Kunden. Das berühmte Haus von Liberty of London wurde von 20/20 innen komplett umgebaut.

Auf der Höhe dieses Erfolges aber wendete sich das Blatt. Probleme kamen an die Oberfläche, sowohl in der Führungsspitze der Gründer als auch bei den Managern, die später hinzugekommen waren. Dadurch lief die Akquisition von Neuaufträgen nicht mehr rund. Anfang der 2000er-Jahre war die Agentur auf 50 Leute gewachsen, der Umsatz lag bei 5 Mio. Pfund – der Erfolg stand aber sozusagen auf wackligen Füßen. Die Dinge fingen an, schief zu laufen, als ein langjährig erfahrener Designer 20/20 verließ, eine eigene Agentur gründete und den Sainsbury’s-Etat mitnahm. Kurz danach verließen drei weitere Mitarbeiter die Agentur und eröffneten ebenfalls eigene Unternehmen. Auf diese Weise ging auch der Etat der namhaften britischen Drogeriekette Boots verloren.  

Als dies alles passierte, saß die Agentur in einem großen Studio im teuren Norden von London, und nach mehreren Entlassungs- und Kündigungswellen waren diese Räumlichkeiten dann überdimensioniert. Thompson bezeichnet die Zeit von 2003 bis 2005 als „tough“ für die Agentur und sagt, dass 20/20 in dieser Zeit in mancherlei Hinsicht „vom Wege abkam“.  

Es folgte das unvermeidliche Beben in der Führungsetage. Die Gründer zogen sich damals aus dem Tagesgeschäft zurück, Jim Thompson wurde Geschäftsführer. Marketing-Direktorin wurde die in der Agentur altgediente Mariann Wenckheim, Kreativdirektor der relative Neuzugang Jon Lee. Das war damals eine Art Palastrevolution. Im Zuge dieses Neubeginns wurde die Hälfte der Bürofläche an eine PR-Agentur vermietet. Danach ging es wieder aufwärts. Weniger Mitarbeiter hatten klare Zuständigkeiten, das Verhältnis von angestellten und freien Mitarbeitern wurde ins Lot gebracht. Auf der Basis dieser verschlankten Unternehmensstruktur wuchs das Neukundengeschäft wieder, Neukunden wie Pets at Home und „alte“ wie Liberty erschienen.

Verschlankte Strukturen

Wenn man Jim Thompson fragt, welches die Geschäfts-Philosophie von 20/20 sei, sagt er: „Wir sind eine strategisch ausgerichtete Designagentur. Für jeden unserer Auftraggeber entwickeln wir einen Strategieplan, und Design benutzen wir, um diese Strategie umzusetzen.“ Ebenso selbstbewusst ist die Aufzählung, wenn man nach den Branchen fragt, für die 20/20 arbeitet. Die Antwort lautet: „Für Food und Fachgeschäfte, für den Modehandel und Warenhäuser und für Markenartikler und Dienstleister.“ Man könnte also sagen, dass 20/20 eine Agentur ist, die Einzelhandel „macht“ – und das ist ziemlich genau das, womit sie startete. Auch die „verschlankten“ Strukturen entsprechen wieder mehr denen der Anfänge.

Wir sind eine strategisch ausgerichtete Designagentur. Für jeden unserer Auftraggeber entwickeln wir einen Strategieplan, und Design benutzen wir, um diese Strategie umzusetzen.

Jim Thompson

Geschäftsführer, 20/20

Das Studio von 20/20 ist äußerst betriebsam. Das 35-köpfige Team arbeitet hauptsächlich in Projektgruppen zusammen. Zudem muss man auch sagen, dass die Agentur ihren Tätigkeitsbereich über das reine Storedesign hinaus erweitert hat. Fußballfans wird es interessieren, dass 20/20 für die Vereine Manchester City, Liverpool und Arsenal Marken- und Gastronomie-Konzepte entwickelt hat. Der größte Neukunde für die „neue“ Agentur 20/20 war aber der 2011 gewonnene britische Do-it-yourself-Marktführer B&Q. Für B&Q hat 20/20 in der Zwischenzeit zahlreiche Projekte zu den Themen Storedesign, Wegeführung und Markenführung entwickelt.

Wie sind die Aussichten von 20/20 heute, 2012? Was ungewöhnlich für eine Londoner Storedesign-Agentur ist, ist die Tatsache, dass 20/20 den größten Teil des erwarteten Umsatzes von 3,5 Mio. Pfund mit Inlandsgeschäft, also britischen Händlern, machen wird. Viele der Mitbewerber aus London haben das Inlandsgeschäft abgeschrieben und konzentrieren sich auf das internationale Geschäft. Doch ist es nicht so, dass 20/20 keine internationalen Klienten im Portfolio hätte. Hierzu zählen Namen wie Prenatal, Karstadt, De Bijenkorf sowie eine österreichische Bäckerei. Jede Designagentur hat ihre Aufs und Abs, aber diese waren bei 20/20 doch etwas stärker ausgeprägt. Für die nahe Zukunft ist Jim Thompson optimistisch: „Es läuft gut.“  

Es gibt bei 20/20 allerdings einen Aufwärtstrend, der durchaus etwas dynamischer ausfallen könnte: der Aufzug. Das Gebäude, in dem die Agentur ihre Räume hat, befindet sich im kreativ angehauchten Londoner In-Stadtteil Camden, aber wenn man den Lift betritt, entschleunigt sich die Welt. Dieser Aufzug bietet sicherlich in ganz London die ineffizienteste und langsamste Art, wie man sich drei Etagen hinaufbewegen kann.  

Für Einzelhändler, die ein neues Storedesign suchen, lohnt sich dieser Trip trotzdem. Die Agentur steht kurz vor ihrem 25-jährigen Bestehen gut da. Allerdings: Wer fit genug ist, sollte die Treppe benutzen.

Weitere Informationen: www.20.20.co.uk

Fotos (3): 20/20

20/20 Strategie vor Design

Adresse: 20-23 Mandela Street, London, NW1 0DU

Geschäftsführer: Jim Thompson

Mitarbeiter: 35

Gegründet: 1988

Gründer: Bernard Dooling, Richard Mott und Brian Wright

Aktuelle Kunden u.a.: Liberty, De Bijenkorf, Karstadt, Morrisons, Arsenal Football Club, Manchester City Football Club, DFS (Möbel), Topps Tiles

Historische Kunden: Orange, Virgin Megastore, Sainsbury’s, British Home Stores, Prenatal, Anker (österr. Bäckerei), Al Foah (VAE), Pets at Home, Selfridges

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