Ein zweites Leben: Nachhaltigkeit im Ladenbau | stores+shops

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„WasteBasedBricks“ im Ace & Tate-Store in Barcelona
Foto: Ace & Tate

Ein zweites Leben: Nachhaltigkeit im Ladenbau

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit steigt, auch im Ladenbau. Ein möglicher Lösungsansatz: die Stärkung der Kreislaufwirtschaft und Nutzung von recycelten Materialien. Dies kommt zugleich der Problematik entgegen, dass Primärrohstoffe immer knapper werden. Noch steckt das Thema in der Nische, aber Experten erkennen Potenzial.

„Wo andere Abfall sehen, sehen wir Chancen.“ So steht es auf der Website des Bodenbelags-Spezialisten Tarkett. „ReStart“ heißt das Recycling- und Rücknahmeprogramm des Unternehmens, das auch die Herausforderung löste, Vinyl von Klebstoff- und Betonresten zu trennen und zu reinigen.

Tarkett nahm den Bodenbelag eines Ikea-Einrichtungshauses zurück und machte neuen daraus.

Tarkett nahm den Bodenbelag eines Ikea-Einrichtungshauses zurück und machte neuen daraus.
Foto: Tarkett

Von einem Ikea-Store im schwedischen Einkaufszentrum Kungens Kurva nahm Tarkett beispielsweise rd. 10.000 qm alten Belag zurück und fertigte neuen Boden für das Ikea-Einrichtungshaus in Jönköping daraus. „Etwa 100 Tonnen CO2-Emissionen konnten auf diese Weise eingespart werden“, so Tanja Ofer, Communication DACH bei Tarkett.

Sturmholz für den Boden

Die Modemarke United Colors of Benetton richtete ihre Boutique in Florenz im letzten Jahr mit vielfältigen Upcycling-Materialien ein. Hier besteht der Boden aus Flusskies und Altholz von Buchen, die 2018 einem Sturm zum Opfer fielen.Vor allem aber kamen Abfälle aus der Textilindustrie zum Einsatz, darunter gebrauchte Knöpfe für die Sockel von Mittelraumständern und recycelte Wolle für die Vorhänge der Umkleidekabinen.

Das Unternehmen Vescom lancierte unlängst nachhaltige Möbelstoffe für den Objektbereich. Diese bestehen aus einem Garn, das vollständig aus Post-Consumer-Recyclingmaterial hergestellt wird.

Aus alt wird neu

Die „Solid Textile Boards“ bringen viel Gestaltungsspielraum mit, zeigt Cos in Japan.

Die „Solid Textile Boards“ bringen viel Gestaltungsspielraum mit, zeigt Cos in Japan.
Foto: Really

Aus textilen Abfällen bestehen auch die „Solid Textile Boards“ von Really, einem Tochterunternehmen des Herstellers von Designtextilien Kvadrat. Diese Boards sind stabil wie Holz, aber flexibler und thermisch verformbar. Ob Kassentresen, Mittelraummöbel, Rückwände, Tablare oder Deckenskulpturen – mit ihnen lässt sich vieles gestalten. „Wir versuchen, die Reststoffkreisläufe unserer Kunden zu schließen“, sagt Martin Sonntagbauer, Sales Architecture & Large End User bei Kvadrat.

Geschredderte Gucci-Bags wurden bereits ebenso zur Grundlage wie G-Star-Denims, Arbeitskleidung von Supermarkt-Mitarbeitenden, Vorhangstoffe eines Brillen-Filialisten, Turnschuhe, abgelegte Handtücher aus der Hotellerie oder Textilabfälle aus der eigenen Kvadrat-Produktion.

Visplay hat das Unternehmen Really 2020 auf seinem EuroShop-Stand ins Rampenlicht gerückt, indem der Systemspezialist u. a. mit Regalböden und Theken aus den Solid Textile Boards arbeitete. „Man beschäftigt sich im Ladenbau inzwischen viel mehr mit der Nachhaltigkeitsbilanz von Materialien, auch unsere Kunden fragen verstärkt danach. Wir achten unter anderem bewusst auf reine Rohstoffe und verkleben diese nicht mit anderen Stoffen. Das hat neben der leichten Veränderbarkeit klare Vorteile im Lebenszyklus“, heißt es aus dem Hauptsitz in Weil am Rhein.

Nischenprodukt wird immer gefragter

Im Stadler Bikestore in Wien setzte Ppm ca. 1.000 qm Spanplatte aus 100 Prozent wiederverwertetem Holz ein.

Im Stadler Bikestore in Wien setzte Ppm ca. 1.000 qm Spanplatte aus 100 Prozent wiederverwertetem Holz ein
Foto: Ppm

„Es wird zum existenziellen Maßstab werden, im gesamten Geschäftsumfeld auf Nachhaltigkeit zu achten“, ist man auch bei Ppm Planung + Projektmanagement überzeugt.

„Reduzieren, wiederverwenden, recyceln – das Recycling kommt in dieser Prioritätenliste aber erst an dritter Stelle. Wir achten daher darauf, generell so wenig Material wie möglich zu verwenden und eine spätere Wiederverwendung sicherzustellen. Wenn wir Stores zurückbauen, versuchen wir, Möbel und Materialien möglichst wieder bei anderen Projekten einzusetzen“, erläutert Sabrina Gippert, Marketing.

Sie fährt fort: „Recycling-Materialien sind häufig noch Nischenprodukte und erfordern eine intensive Recherche. Eine erhöhte Nachfrage wird aber sicher dazu führen, dass mehr Produkte auf den Markt kommen und diese preiswerter werden.“

Zu den Ppm-Highlights rund um dieses Thema zählen Spanplatten, die zu 100 Prozent aus wiederverwertetem Holz bestehen. „Ein weiteres Produkt, das wir gerade bei der Materialagentur Plan + B entdeckt haben: USB-Platten aus Resysta, Reishülsen, also einem Abfallprodukt der Reisproduktion. Sieht aus wie Holz, lässt sich ebenso einfach verarbeiten, ist thermoverformbar, zu 100 Prozent wasserfest und recycelbar.“

Funktionalität muss steigen

Stichwort Materialagentur: Auch Birgit Hansen, Inhaberin von Hansen Innenarchitektur Materialberatung, beschäftigt sich intensiv mit der Thematik . Sie nennt „paprfloor“ als ein weiteres Beispiel, insbesondere für temporäre Anwendungen. Die bedruckbaren Papierbahnen und -fliesen aus 100 Prozent Recyclingpapier lassen sich an Boden und Wand zum Einsatz bringen. „Gerade durch die häufigen Umgestaltungen der Läden fallen viel Material und Müll an.

Schon allein vor diesem Hintergrund muss das Bewusstsein steigen. Allerdings ist die erforderliche Funktionalität der Oberflächen noch nicht immer mit nachhaltigen Produkten zu erreichen. Zudem spielt der Kostenfaktor eine wichtige Rolle“, berichtet Birgit Hansen.

Weitere interessante Produkte: Coverings fertigt Platten aus recyceltem Glas, darunter Bier-, Wein-, Champagner-, Rum- und Wasserflaschen. Stonecycling verwandelt Bauschutt zu hochwertigen Mauerziegeln („WasteBasedBricks“), die sich im Innen- und Außenbereich verwenden lassen. Starbucks realisierte mehrere Drive-through-Filialen damit.

Last but not least sind die „Sea Plastics“- Platten von Epsotech startklar für den Ladenbau. Epsotech arbeitet dafür mit dem Cleantech-Recycling-Unternehmen Plastix zusammen, das ausrangierte Fischernetze und Seile in hochwertiges Kunststoff-Rohmaterial verwandelt.

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