Edeka-Händler Volker Klein aus Hamburg ist froh, dass er die Gastronomiebetriebe in seinen drei Märkten wieder öffnen darf. Der Hamburger Senat hat am Dienstag dieser Woche eine neue Rechtsverordnung verabschiedet, die den Betrieb von gastronomischen Einrichtungen im norddeutschen Stadtstaat ab dem Folgetag wieder erlaubt. Das Familienunternehmen Klein betreibt am Elbe-Einkaufszentrum einen Supermarkt mit 2.700 qm mit angeschlossenem „Marktrestaurant“, wo die Gäste am Tisch bedient werden.
Nach der Wiedereröffnung gelten dort strenge Abstands- und Hygieneregeln. Zum Beispiel müssen die Tische 1,5 Meter auseinander stehen. „Wir werden den Gästen in unserem Marktrestaurant nur die Hälfte der Tische zur Verfügung stellen können“, sagt Volker Klein. Er geht davon aus, in der Startphase nur ein Drittel seines normalen Restaurantumsatzes erzielen zu können. An allen drei Standorten, neben dem Flagshipstore am Elbe-Einkaufszentrum ein 1.900 qm großer Supermarkt in Wedel und ein Nahversorger, betreibt Volker Klein Bäckereien. Diese verzeichneten in den letzten Wochen einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent. „Den Ausfall konnte ich durch Mehrumsätze im Lebensmittelbereich kompensieren“, so Klein. Mit der Folge, dass er keine Mitarbeiter in Kurzarbeit entlassen musste.
Schrittweise rantasten
Für die Gastronomen in Nordrhein-Westfalen ist der Betrieb seit Montag, 11. Mai wieder erlaubt. Der Beschluss der Landesregierung kurz vor dem letzten Wochenende, dass die Gastronomie ab Montag wieder öffnen darf, kam für viele Händler überraschend. Uwe Herrmann, Geschäftsleiter im Globus SB-Warenhaus in Köln-Marsdorf, ging das Thema Wiedereröffnung schrittweise an und testete zunächst, wie er die zu normalen Zeiten hochfrequentierte Gastronomie wieder in den Regelbetrieb bringen kann. „Eine große Herausforderung wird sein, die Frequenz an unserer Thekenlinie in den Stoßzeiten zu regulieren“, sagt Herrmann.
Am 13. Mai, dem Tag der Wiedereröffnung der Globus-Gastronomie, hielt sich der Ansturm noch in Grenzen. Zur Mittagszeit um 13.30 Uhr waren von den 55 Zwei-Personen-Tischen gerade einmal 8 belegt. Ein Mitarbeiter empfängt die Gäste am Kopf der Thekenlinie, informiert über die Abläufe und gibt ein Tablet mit der Tischnummer aus. Die Speisenauswahl an der Theke ist auf 5 Gerichte begrenzt, zusätzlich liegen SB-verpackte Rohkost- und Pastagerichte aus der Marktküche in den Auslagen. Nach der Essensausgabe und dem Bezahlvorgang an der Kasse führt eine freundliche Service-Mitarbeiterin den Gast zum Tisch. Erst jetzt darf er seinen Nasen-/Mundschutz abnehmen. Bevor er das Restaurant durch einen separaten Ausgang verlässt, stellt er das Tablet auf das Laufband und wirft den eingangs erhaltenen Zettel ausgefüllt mit seinem Namen, Adresse, Tischnummer und Uhrzeit in eine dort bereit gestellte Box. Die Abläufe sind gut durchdacht und folgen in allen Details den Abstands- und Hygieneauflagen – von einer lockeren, entspannten Atmosphäre kann allerdings nicht die Rede sein.
Buffet-Angebote in Selbstbedienung sind in NRW bis auf weiteres nicht zulässig. An diese Auflage muss sich auch Rewe-Händler Jörg Dornseifer halten. Das Familienunternehmen aus dem Sauerland südlich des Ruhrgebiets betreibt 17 Supermärkte, 7 davon mit Bistros. Diese sind seit Anfang dieser Woche wieder geöffnet. Dornseifer hat sich mit Tischreduzierungen, Zutrittskontrollen und namentlicher Erfassung der Gäste mit Aufenthaltsdauer auf die neue Situation eingestellt. Durch die explodierenden Umsätze im Lebensmittelhandel zu Beginn der Corona-Krise habe man den Umsatzausfall in der Gastronomie kompensieren können. Ein wenig geholfen habe auch der Take-away-Verkauf aus den Küchen, der während des Lockdowns an einigen Standorten ausgeweitet wurde. Zurzeit laufen auch Planungen für einen Lieferdienst.
Gute Erfahrungen mit einem vor drei Wochen eingerichteten Lieferdienst macht derzeit Dieter Hieber, Geschäftsführer von Hieber’s Frische-Center, der im südlichen Baden-Württemberg 14 Supermärkte betreibt. Vom Supermarkt in Lörrach aus werden Privathaushalte und Betriebe im Umkreis mit eigenen Fahrzeugen beliefert. Seitdem dieser Service aktiv beworben wird, nehmen die Tagesumsätze kontinuierlich zu und liegen mittlerweile bei 1.200 bis 1.500 Euro. Hieber, dem zurzeit die Kunden aus der benachbarten Schweiz fehlen, plant den Lieferservice auch nach Corona-Zeiten weiterzuführen.
Rentabilität: Fragezeichen
Dieter Hieber geht davon aus, dass die Speisewirtschaften in Baden-Württemberg in der Woche ab dem 18. Mai wieder eröffnen dürfen. Die Umsetzung der zu erwartenden hohen Abstands- und Hygienevorgaben will er pragmatisch angehen: „Das Einfachste wird sein, die Stühle und Tische auszuräumen.“ Kundenandrang oder Warteschlangen befürchtet er nicht: „Wenn die Tische belegt sind, sind sie belegt.” Mit der Begrenzung der Personenzahl und den verschärften Reinigungsregelungen werde man sich arrangieren können. Hieber: „Ein wichtiger Punkt wird sein, wie rentabel sich die Restaurants führen lassen. Setze ich Mitarbeiter für die volle Auslastung ein oder gebe ich Halbgas bei gleicher Anzahl der Mitarbeiter?“ Hieber bedauert, dass „alles, was wir an Nachhaltigkeitsinitiativen aufgebaut haben, durch Corona nahezu zum Erliegen gekommen ist.“ Als Beispiel nennt er die Einführung umweltgerechter Verpackungen aus Naturstoffen und die Zulassung von Mehrwegbehältnissen beim Kauf an der Fleischtheke. „Plastik hat zurzeit leider wieder Konjunktur.“
Plastik hat zurzeit leider wieder Konjunktur.
Dieter HieberSeit dem 11. Mai darf auch das Modehaus L & T in Osnabrück wieder die kompletten Flächen für den Verkauf öffnen, nachdem drei Wochen lang nur ein reduzierter Betrieb möglich war. Das betrifft auch die anderen Geschäfte des Unternehmens wie das L & T-Sporthaus, die beiden Läden für „große Größen“, den Young Fashion Store Sygn und das Outlet. L & T betreibt im Modehaus ein großes Restaurant im zweiten Obergeschoss, 3 kleine Bars, ein Eiscafé und eine Tapas-Bar. In die angrenzende Markthalle haben sich 12 Gastronomiebetriebe und Food-Händler eingemietet. Rechnet man diese dazu, dann summiert sich der Umsatzanteil der Gastronomie auf 10 Prozent am Gesamtumsatz von L & T.
Von diesem Ergebnis ist man derzeit ein gutes Stück entfernt. Wochenlang herrschte Stillstand in der L & T-Gastronomie, Ende April erst haben einige Mieter der Markthalle mit Take-away-Angeboten den Betrieb wieder aufnehmen können. Obwohl ein Neustart ab dem 11. Mai in NRW möglich ist, „werden wir unsere hausinterne Gastronomie erst nach und nach öffnen“, sagt L & T-Geschäftsführer Mark Rauschen und begründet diese Entscheidung: „Wir bieten in unseren Häusern eine hohe Aufenthaltsqualität mit einem schönen Einkaufserlebnis an. Mit Bummeln, Shoppen, einem Glas Wein im Bistro oder mit Speisen in unserem Restaurant.“ Diese Art von Shopping-Tourismus, wie Rauschen es nennt, sei derzeit politisch nicht gewollt. „Mit unserem halben Freizeitpark sind wir hier genau die Falschen“. An den jüngst beschlossenen Lockerungen würde die L & T-Gastronomiebetriebe nicht partizipieren können, die hohen Auflagen (u. a. Reservierungspflicht und Kontaktdatenerfassung) ständen im Widerspruch zu einem zwanglosen Aufenthalt ohne atmosphärische Einschränkungen, schätzt Mark Rauschen die Situation für sein Unternehmen ein.
Wir fahren zurzeit auf Sicht.
Mark RauschenWie lange es dauern wird, bis die gastronomischen Einrichtungen wieder den Umsatz vor der Krise erreichen werden, darauf möchte sich niemand so richtig festlegen. „Für September/Oktober habe ich die Hoffnung, dass wir wieder ansatzweise an die Situation vor Corona herankommen“, lautet die Prognose von Edeka-Händler Klein.
Hinweise: Über die im Zusammenhang mit Covid-19 erlassenen Rechtsverordnungen für Gastronomen informieren die Websites der einzelnen Bundesländer. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA und deren Landesverbände veröffentlichen detaillierte Merkblätter mit dem Titel „Maßnahmen bei Wiedereröffnung“. Eine übersichtliche Zusammenfassung der Corona-Auflagen nach Bundesländern liefert der Gastronomie-Kassensystem-Anbieter Orderbird.
„Werden uns mit den Auflagen arrangieren“
Für das Bundesland Baden Württemberg ist die Wiedereröffnung der Gastronomie für den 18. Mai geplant. Wir sprachen mit Tristan Brandt, Geschäftsführer Gastronomie beim Modeunternehmen Engelhorn, das in Mannheim und Umgebung acht Verkaufshäuser betreibt. Alleine im Haupthaus „engelhorn Mode im Quadrat“ haben die Kunden die Wahl zwischen fünf verschiedenen Restaurants, darunter das Zwei-Sterne-Restaurant „OPUS V “ und das Sterne-Restaurant „Le Corange“.
Herr Brandt, ab kommenden Montag dürfen Gastronomiebetriebe in Mannheim wieder öffnen. Wie laufen die Vorbereitungen?
Wir arbeiten aktuell an einem Sicherheitskonzept, das den Mindestabstand und die hygienischen Vorschriften gewährleistet. Fest steht, dass wir die Zahl der Sitzplätze reduzieren werden. Zudem werden wir mit Reservierungen arbeiten, um die Belegung der Tische besser kontrollieren zu können. Wir werden alles tun, damit sich die Gäste trotz der Auflagen wohl fühlen.
Welche Maßnahmen sind speziell für die beiden Sterne-Restaurants geplant?
Die fehlenden Plätze werden wir im „OPUS V“durch ein Doppel-Seating-System kompensieren. Das heißt, die Tische werden dann in zwei zeitlichen Wellen vergeben, um 17.00 Uhr und um 19.30 Uhr.
Werden Sie das Speiseangebot reduzieren?
Anfangs ja.
Kalkulieren Sie mit einem erhöhten Personalaufwand?
Wir gehen zunächst einmal von keinem erhöhten Personalaufwand aus. Falls nötig, werden wir unser Servicepersonal auch für Einlasskontrollen einsetzen. In unseren Sterne-Restaurants kümmert sich spezielles Personal um die Reservierung und Platzierung der Gäste.
Was sind die größten Herausforderungen für Servicepersonal und Köche?
In der Gastronomie müssen grundsätzlich höchste Hygienestandards eingehalten werden. Neu wird sein, dass wir mit Schutzmasken arbeiten müssen und im Service zusätzlich noch mit Handschuhen, was in der Küche bereits normal ist. Ich gehe davon aus, dass wir uns damit arrangieren werden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Take away für den Außer-Haus-Verzehr gemacht?
Damit unsere Auszubildenden die Möglichkeit haben, trotz Krise und geschlossenen Restaurants etwas zu lernen, haben wir ein zeitlich begrenztes Azubiprojekt entwickelt und einen Außer-Haus-Service umgesetzt. Diesen Bereich hatten wir in der Engelhorn Gastronomie bislang noch nicht angeboten. In der Sterneküche kommt es allerdings auf Kleinigkeiten an wie die Tellerpräsentation oder die Konsistenz der Speisen, die auf den Punkt sein muss. Unseren Qualitätsanspruch hätten wir daher nicht auf das Take-Away-Geschäft transferieren können und haben uns letztendlich deshalb dagegen entschieden.
Bildquelle Tristan Brandt: Axel Heiter