Zur Person
Stefano Bartolini (55) studierte Maschinenbau an der Universität Rom und startete seine Karriere in der Verbrauchsgüterindustrie. Nach verschiedenen Managementfunktionen beim Industriekonzern Biesse Group, zuletzt als Quality Director, kam Bartolini 2014 zu Cefla. Anfangs als Director Business Process Integration tätig, ist er seit Juli 2018 Managing Director des Geschäftsbereichs Shopfitting.
Das Interview erfolgte im Dezember 2019.
Herr Bartolini, wie beurteilen Sie aktuell das Investitionsklima im Einzelhandel? Investiert der Handel in den Ausbau seiner Geschäfte, oder beobachten Sie zurzeit eher eine Zurückhaltung?
In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass die Investitionen der großen Einzelhandelsunternehmen in Märkte mit ausgedehnten Verkaufsflächen zurückgegangen sind. Sofern überhaupt investiert wird, dann in eine Verkleinerung der Flächen. Wachstumsfaktoren sind Spezialisierung und Individualisierung. Die Investitionen der Einzelhändler richten sich auf die Eroberung neuer Märkte, zum Teil auch mit Firmenübernahmen, auf eine stärkere Spezialisierung, eine Konsolidierung und Optimierung des Sortimentsmixes, die Senkung der Betriebskosten und auf Innovationen.
Cefla zählt in den südeuropäischen Absatzmärkten zu den führenden Anbietern von Ladeneinrichtungen für den Handel. Welche Perspektiven und Marktchancen sehen Sie für den Ausbau des Geschäfts in den westeuropäischen Märkten?
Cefla Shopfitting ist über die letzten Jahre gewachsen und hat sich deutlich weiterentwickelt. Das Unternehmen konnte seine Position auf den südeuropäischen Märkten ausbauen und ein stetiges Wachstum in anderen Regionen verzeichnen, beispielsweise in Osteuropa, Russland, Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Wir haben uns entschieden, in einen ebenso strategischen wie wettbewerbsorientierten Markt einzusteigen: Deutschland. Im Lauf des Jahres 2020 werden wir eine Kampagne starten mit dem Ziel, in Deutschland Marktanteile zu gewinnen. Die Kampagne basiert auf dem, was wir am besten können: die Kunden intensiv betreuen und uns mit großer Aufmerksamkeit ihren Bedürfnissen widmen.
Im Einzelhandel stehen die Zeichen auf Veränderung. Große Filialisten aller Branchen bauen ihr Online-Geschäft aus und entwickeln sich zu Omnichannel-Händlern mit Click & Collect-Stationen und digitalen Services auf der Fläche. Welche Herausforderungen erwachsen den Ladenbauunternehmen aus diesem Veränderungsprozess?
Der Einzelhandelssektor durchläuft unbestritten einen radikalen Wandel, und einer der wichtigsten Faktoren für diesen Umbruch ist der E-Commerce. Traditionelle Einzelhandelsunternehmen aller Größen haben darauf reagiert, indem sie in hohem Maße in das Online-Geschäft investiert haben, um ihren Kunden ein Multi-Channel-Kauferlebnis bieten zu können. Bei der Gestaltung dieses Wandels spielen Ladenbauunternehmen zwangsläufig eine wichtige Rolle. Zum Beispiel, indem sie den Einzelhändlern mehrgleisige Lösungen vorschlagen, die einerseits den Bedarf der Kunden an Omnichannel-Einkaufsmöglichkeiten erfüllen und gleichzeitig den Einzelhändlern die Gelegenheit bieten, stationäres und digitales Geschäft miteinander zu verbinden. Das Einkaufserlebnis wird schon bald „phygital“ sein: nahtlos über mehrere Verkaufskanäle, datengesteuert und individualisiert. Dieser Wandel ist unvermeidbar. Er wird durch zunehmend gut informierte Kunden mit immer höheren Anforderungen und einem stärkeren Bewusstsein für Nachhaltigkeit vorangetrieben wird.
Wieviel Digitalkompetenz muss ein Ladenbauunternehmen heute mitbringen?
Um auf dem schnelllebigen Markt von heute bestehen zu können, müssen Ladenbauunternehmen über umfassende und breit gefächerte Kompetenzen verfügen. Während eine solide industrielle Organisationsstruktur die Fertigung von hochwertigen modularen Produkten gewährleistet, ist es auch notwendig, innovative Lösungen für Retail-Design, Beleuchtungssysteme und digitale Produkte zu entwickeln. Der laufende digitale Wandel ist unvermeidlich, aber er bietet auch eine große Chance. Wir bei Cefla Shopfitting investieren in digitale Neuerungen, die nicht nur unsere eigenen Betriebsabläufe verändern, sondern auch für unsere Kunden interessant sind.
Welche Lösungen bietet Ihr Unternehmen rund um digitale Technologien im Bereich Shopfitting an?
Seit einigen Jahren schon entwickeln wir intelligente Displaysysteme. Das Warenregal der Zukunft ist ein vernetztes System, das eine Reihe von Services für Verbraucher und Einzelhändler ermöglicht. Sogenannte Drive-to-Store-Systeme können Verbraucher außerhalb des Geschäfts ansprechen und sie an das Produkt heranführen. Touchpoints versorgen die Kunden mit Produktinformationen. So wird der Einkauf nicht nur zu einem praktischen, sondern auch zu einem emotionalen Erlebnis. Den Filialleitern und Mitarbeitern liefert das intelligente Regalsystem wichtige Informationen über Kundenverhalten, Kaufgewohnheiten, Bestandsmanagement und gegebenenfalls erforderliche Regalauffüllungen. Die heute verfügbaren digitalen Technologien ermöglichen ein „phygitales“ Einkaufserlebnis, bei dem die Vorteile des stationären und digitalen Handels miteinander verknüpft werden.
Cefla ist seit jeher auf die Serienproduktion von Lager- und Ladeneinrichtungen ausgerichtet. Ist diese Strategie noch zeitgemäß, wenn die Kriterien Individualität und Flexibilität im Store-Design immer wichtiger werden?
Unbestritten haben die gewaltigen Veränderungen im Einzelhandel eine noch nicht abgeschlossene Revolution ausgelöst, die Produkte, Prozesse, Organisation und Mitarbeiter betrifft. Die Investitionen in neue Technologien wie flexible Fertigungssysteme, 3D-Verkaufshilfen und Filiallösungen übersteigen mittlerweile die Investitionen in konventionelle Technologien. Cefla ist in der Lage, hohe Produktionskapazitäten mit individuellen Lösungen für Retail-Design, Beleuchtungssysteme und den digitalen Wandel zu verbinden.
Mit modernen Fertigungsverfahren lässt sich ein maßgeschneiderter Ladenbau auch in Kleinserien produzieren. Aber wieweit kann die Prozessoptimierung wirtschaftlich gehen? Müssen Ladenbauunternehmen künftig die Losgröße 1 bedienen können, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Aus unserer Sicht ist es keine leichte Aufgabe, Individualisierung und Kosteneffizienz miteinander zu verbinden. Wenn die für die Massenproduktion typischen Skaleneffekte entfallen, steigen in der Regel die Produktionskosten, und die Preisgestaltung der Produkte wird zu einem kritischen Faktor. Dennoch glauben wir, dass wir durch das Angebot von innovativen und hochwertigen Lösungen, Produkten und Leistungen einen höheren Wert generieren und uns damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen verschaffen, die ihr Angebot ausschließlich vom Preis abhängig machen.
Ab kommendem Sonntag findet in Düsseldorf die Fachmesse EuroShop statt. Wie wird sich Cefla dort präsentieren?
Wir haben hohe Erwartungen an die EuroShop 2020. Neben Retail- Design-Lösungen für expandierende Marktsegmente wie Backwaren und Obst und Gemüse setzen wir den Fokus auf innovative Lösungen wie beispielsweise intelligente Warenregale, Click & Collect und „Farm City“: das Ergebnis unserer Erfahrungen und Kompetenz im Bereich des Indoor- und Vertical Farming.
Cefla: Mischkonzern
Die italienische Cefla-Gruppe mit Stammsitz in Imola/Italien ist nicht nur im Bereich Ladenbau aktiv, sondern betreibt vier weitere Geschäftsfelder mit den Segmenten Beleuchtung, Veredelung, Medizingeräte und Technik (Bauindustrie, Energie- und Dienstleistungssektor). Das 1932 gegründete Unternehmen beschäftigt an weltweit 26 Standorten rund 2.000 Mitarbeiter und erzielte 2018 einen Gruppenumsatz von 560 Mio. Euro (2015: 437 Mio. Euro). Im Geschäftsbereich Ladenbau operiert Cefla als Lieferant von Einrichtungen und auch als Berater, der seine Kunden aus dem Handel von der Konzeptentwicklung bis zur Geschäftseröffnung begleitet.