Was erwarten die Kunden? – mit dieser Frage eröffnete EHI-Geschäftsführer Michael Gerling als Moderator die Diskussion und traf auf eine bestens präparierte Katrin Bunner: Die preisgekrönte Hobbyköchin, Bloggerin und Kochbuch-Autorin hatte vor der Veranstaltung zahlreiche Menschen befragt: „Was müsste passieren, damit Sie Ihr Frühstück, Ihren Lunch oder Ihr After-Work-Dinner in der Handelsgastronomie einnehmen?“
Handelsgastronomie ist die Königsdisziplin der Gastro-Branche.
Urs BischofDie Antworten waren aufschlussreich und teils unerwartet. So wurde das Speisenangebot, das natürlich schmecken und zunehmend auch gesund sein sollte, erst an zweiter Stelle genannt. Als noch bedeutsamer stellte sich das (Wohlfühl-)Ambiente heraus. Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang: die sanitären Anlagen.
„Wer im Supermarkt schon einmal die Toilette neben der Bäckerei benutzt hat weiß, dass es so eigentlich nicht geht“, so Bunner, die in der Podiumsdiskussion die Perspektive des Kunden übernahm. Von Beruf ist Bunner Papieringenieurin und Vice President des Unternehmens Metsä Tissue, das Koch- und Backpapiere herstellt.
Ein weiteres Ergebnis von Katrin Bunners Konsumentenbefragung: Die Kundinnen und Kunden wünschen sich verstärkt nachhaltiges Geschirr fernab von Plastik – einfallsreiche Mehrwegkonzepte sind gefragt. Der Faktor Zeit Food, Ambiente, Service – auch aus Sicht von Urs Bischof sind das die Treiber erfolgreicher Handelsgastronomie. Der Geschäftsführer des Karstadt-Unternehmens Le Buffet Restaurant & Café ist überzeugt: „Alle drei Säulen müssen dasselbe Niveau aufweisen. Wenn ein Aspekt, wie die erwähnten sanitären Anlagen, diesem Anspruch nicht genügt, funktioniert das Konzept nicht, selbst wenn die Küche noch so gut ist.“
Die Anforderungen an das Food-Angebot jedenfalls steigen. „Heute geht es nicht mehr allein um Nahrungsaufnahme. Gefordert sind ein gleichermaßen sinnlicher wie auch gesunder Genuss“, sagte Bischof, der selbst gelernter Koch ist.
Derzeit gibt es im Markt der Handelsgastronomie noch viel Luft nach oben.
Katrin BunnerRogee Wildung, Leiter der Gastronomie im Modehaus Lengermann + Trieschmann in Osnabrück, geht noch einen Schritt weiter. Er ist der Meinung: „Wir müssen ein Erlebnis bieten, das wirklich in Erinnerung bleibt.“ Jörg Dornseifer, Geschäftsführer der Dornseifer Frischemärkte mit Stammsitz in Wenden, berichtete dazu aus seiner Erfahrung: „Vor zehn Jahren reichten noch Wurst-, Fleisch- und Käsebrötchen sowie einfache Tische und Stühle vor der heißen Metzgertheke – die Zeiten ändernsich.“ Und: „Mittags spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle“, so Dornseifer.
Daraus ergibt sich die Frage: Wie systematisiert muss Handelsgastronomie sein? „In den Hintergrundprozessen maximal systematisiert, was hohe Flexibilität und Kreativität aber nicht ausschließt“, sagt Urs Bischof. Bei Le Buffet werden die Konzepte beispielsweise zunehmend auf die individuellen lokalen Vorlieben abgestimmt, dafür werden detailliert die jeweiligen Kundenstrukturen analysiert, teils auf Basis von GfK-Studien, teils auf der Basis eigener Kundenkartendaten.
Es kommt darauf an, Konzepte authentisch umzusetzen.
Jörg DornseiferLohnendes Potenzial Das Credo von Jörg Dornseifer: „Die Freude am Genuss steht über allem, auf dieser Basis entscheiden wir, wie wir die Prozesse aufbauen“. Dornseifer bemerkte, er habe zuerst lernen müssen, „dass Köche mehr Selbstverwirklichung betreiben als Floristinnen“ und sprach damit das Thema einer standardisierten Qualität an. Dazu sagte auch Rogee Wildung von Lengermann + Trischmann, der laut eigener Aussage selbst nicht kochen kann: „Die Kunden erwarten gleichbleibende Qualität. Das Lieblingsgericht soll nicht einen Tag so und den nächsten Tag anders schmecken. Bei uns basiert daher alles auf systematisierten Prozessen. Auf diese Weise halten wir gleichzeitig das Wissen im Unternehmen und fallen in kein Loch, wenn ein künstlerisch veranlagter Koch kündigt. Weiterer Vorteil: Neue Mitarbeiter lassen sich bei uns innerhalb eines halben Tages in das Team integrieren, das ist meines Erachtens auch die einzige Chance, mit dem künftigen Fachkräftemangel klarzukommen.“
Urs Bischof von Karstadt Le Buffet veranschaulichte humorvoll: „Wenn meine 17-jährige Tochter ein Rezept kochen kann, dann ist es genau das richtige für uns.“ Einfachheit und Unkompliziertheit ist also auch ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Bischof betrachtet Handelsgastronomie angesichts schwieriger Rahmenbedingungen wie zum Beispiel auch den eingeschränkten Öffnungszeiten als „Königsdisziplin“ der Gastro-Branche. Ohne Zweifel: Die spezifischen Herausforderungen gibt es. Doch alle Diskutanten waren sich einig, dass sie für die Zukunft viel Potenzial sehen. „Mit Gastronomie kann die Händlermarke gestärkt, das Einzugsgebiet vergrößert sowie generell die Frequenz gesteigert werden“, lautet die Erfahrung von Jörg Dornseifer.
Dank Systematisierung fallen wir in kein Loch, wenn ein künstlerisch veranlagter Koch kündigt.
Rogee WildungUnd Geld verdienen kann man damit auch, wie Rogee Wildung am Beispiel Lengermann + Trieschmann betonte: „Unsere Gastronomie ist kein Zuschussgeschäft.“ Urs Bischof erwartet sogar, dass künftig „die Post abgeht“.
Ein Grund: Die Verkaufsflächen werden voraussichtlich weiter reduziert, und Gastronomie ist eine Möglichkeit, diese mit Leben zu füllen. „Die Menschen haben immer weniger Zeit und suchen zügig und schnell gutes Essen“, führte Katrin Bunner als weiteres Argument an. Bunner: „Es gibt bereits viele Vorzeige-Konzepte, darunter das Mannheimer Unternehmen Engelhorn, in dem ich selbst regelmäßig Gast bin. Was heute allerdings in der Breite an Handelsgastronomie geboten wird, erfüllt die Ansprüche noch nicht. Im Mainstream gibt es noch sehr viel Luft nach oben“, meint Bunner.
Lohnenswert sei immer ein Blick ins Ausland, wo man mitunter schon weiter sei. Rogee Wildung lässt sich in den Niederlanden, zum Beispiel in der Markthalle Rotterdam oder auch in London inspirieren. Jörg Dornseifer sieht in den Markthallen in Madrid und Barcelona Vorzeigebeispiele. Dornseifer: „Wir schauen uns an vielen Orten um, aber wir kupfern nichts ab. Unseres Erachtens kommt es darauf an, Konzepte authentisch umzusetzen.“