Die Veränderungen im Einkaufsverhalten der Verbraucher und die Verschmelzung von Online- und Offline-Handel werden die Entwicklung in Richtung unbarer Zahlverfahren weiter vorantreiben, so die Einschätzung von HDE-Zahlungsexperte Ulrich Binnebößel auf dem EHI-Kongress. Wenn die Verbraucher verschiedene Kanäle im Einkaufsprozess nutzen, hat das Konsequenzen für die Bereitstellung von Zahlungssystemen: „Payment muss multikanal können und die Verschmelzung der Kanäle und Prozesse bedienerfreundlich und unter Wahrung des Wettbewerbs nachvollziehen,“ sagte Binnebößel vor den 725 Kongressteilnehmern in Bonn.
Der Handel steht bedingungslos hinter der NFC-Technologie und hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass kontaktlose Bezahlungen am POS heute in breitem Umfang möglich sind: Rund 460.000 Terminals, das sind deutlich mehr als die Hälfte aller derzeit aktiven 816.000 Bezahlterminals, sind heute für das kontaktlose Bezahlen ausgerüstet. Schätzungsweise 10 Prozent aller kontaktlosmöglichen Zahlungen werden heute kontaktlos ausgelöst. Der Nutzeranteil wird deutlich höher liegen, wenn die Ausstattung der rd. 100 Mio. deutschen Girocards mit NFC-Chip einmal abgeschlossen ist. Derzeit sind erst gut ein Drittel NFC-fähig.
Von der Kreditwirtschaft fordert Ulrich Binnebößel „überzeugende Angebote, die an die geschaffenen Schnittstellen andocken können.“ Zum Beispiel eine mobile Girocard-Variante, die laut Dr. Joachim Schmalzl vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband Mitte 2018 eingeführt werden soll. Die „girocard digital“ funktioniere an den Kassen nach dem gleichen Prinzip wie die Kontaktlose Karte: bei Beträgen bis 25 Euro in der Regel ohne PIN.
Das Potenzial von Instant Payment wird von Handel und Kreditwirtschaft gleichermaßen positiv eingeschätzt. Joachim Schmalzl sieht Instant Payment als „natürliche Weiterentwicklung des klassischen Zahlverfahrens“. Am Girokonto wollen die Banken in Zukunft festhalten, „als omnichannelfähige Finanzplattform in allen Finanzangelegenheiten“, betonte Schmalzl.
Im Online-Payment gewachsen: Kauf auf Rechnung
Mit Blick auf die Entwicklungen im Online-Payment geht der Trend zu einem breiten Zahlungsmix, so ein Ergebnis der vom EHI Retail Institute durchgeführten Strukturerhebung zum Bezahlverfahren im deutschen E-Commerce-Markt. Die Verbreitung der Zahlungsverfahren in den Top-1.000-Onlineshops betreffend ist 2017 besonders der „Kauf auf Rechnung“ im Angebot gewachsen. Auch die Verbreitung von E-Wallets wie Paypal und Amazon Pay ist leicht gestiegen. Stark vertreten sind ebenfalls Kreditkarten, die Verbreitung klassischer Zahlungsarten wie z. B. die Lastschrift und Online-Überweisung hingegen ist leicht gesunken. Kryptowährungen als alternative Zahlungsart für Onlineshops spielen für drei Viertel der an der Erhebung beteiligten Teilnehmer derzeit keine Rolle.
Obwohl der Kauf auf Rechnung weiterhin den höchsten Anteil am Umsatz des deutschen E-Commerce ausmacht, liegt der Anteil 2018 mit 28 Prozent erstmals unter der 30 Prozent-Marke. Platz 2 der umsatzstärksten Zahlungsarten belegt das Lastschriftverfahren, allerdings bedingt durch Amazon, so die Ergebnisse der EHI-Strukturerhebung.
82 Prozent der Händler sichern Kreditkarten-Zahlungen mit dem 3D-Secure (3DS)-Verfahren ab. Nur noch 18 Prozent der Händler der befragten Händler verzichten auf 3DS, vor zwei Jahren waren es noch mehr als doppelt so viel. Als Trend lässt sich im Online-Payment der Wunsch nach mobilen, kanalübergreifenden und sicheren Lösungen erkennen.
Otto-Konsumenten bevorzugen Kauf auf Rechnung
Einen individuellen Einblick in seine Zahlungsprozesse lieferte der Onlinehändler Otto. Deutschlands größter B2C-Onlineshop für Fashion & Lifestyle macht 2,7 Mrd. € Umsatz im Jahr, mehr als 90 Prozent davon online. Ein Großteil der Otto-Kunden nutzt vor allem den Kauf auf Rechnung und die Ratenzahlung (insgesamt 94 %). Hans Georg Splieterhoff, Bereichsleiter Kreditmanagement bei Otto, erläuterte, dass der Kauf auf Rechnung besonders Verbraucherfreundlich sei, für den Händler jedoch das größte Risiko aller Zahlungsarten darstelle, da ein hohes Betrugsrisiko bestehe. Zur Diebstahl-Prävention setzt Otto deshalb auf die Tools „Device Ident“ und „FRIDA“ (Fraud Ident). Seit zwei Jahren können Käufer bei Otto auch Paypal zur Zahlung nutzen, Ende 2017 führte der Händler Paydirekt ein. 3D-Secure sei derzeit kein Thema.
Omnichannel bei s.Oliver
Komplex sind die Prozesse beim Modelabel s.Oliver. Die s.Oliver Group mit Sitz in Rottendorf bei Würzburg umfasst 12 Marken und insgesamt mehr als 9.300 Verkaufsstellen in 30 Ländern. Wunsch und zugleich Herausforderung waren es, das Kundenwissen aus verschiedenen Kanälen zusammenzuführen und die Wahrnehmung der Marke auf allen Kanälen anzugleichen. Verschiedene Omnichannel-Maßnahmen wie u. a. Click & Collect oder Click & Reserve sollen zugleich die Frequenzen im Store und den dortigen Umsatz erhöhen. Um die Instore Order für Mitarbeiter und Kunden angenehmer zu gestalten, implementierte der Händler eine „Digital Store Solution“. Diese ermöglicht, Zahlungen mit der Karte direkt am iPad vorzunehmen. Mitarbeiter können am POS zum Beispiel via integriertem Barcode-Scanner einen Artikel aufrufen und ihn dem Kunden in der passenden Größe direkt vor Ort verkaufen. Am POS können Konsumenten auch kontaktlos bezahlen. Akzeptiert werden Maestro, V Pay, Visa- und Masterkarten. Zahlungsdienstleister Computop wirbt derzeit Deka-Netzbetreiber für das Girocard-Verfahren.
Ausblick
Die Referenten wagten auf dem Kongress einen Blick auf zukünftig relevante Bezahlungstechnologien: Salvatore Pennino von Google beispielsweise sieht die Möglichkeit, dass Sprachassistenten eines Tages im Payment Einzug halten. Als Begründung nennt er die einfache Abwicklung durch eine simple Spracheingabe. Frank-Christian Pauli von der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sieht noch Schwierigkeiten: „Ich stelle mir eine Zwei-Stufen-Authentifizierung per Lautsprecher schwer vor.“
Der EHI Kartenkongress 2019 findet am 7. und 8. Mai 2019 in Bonn statt.
Fotos (9): EHI/Steffen Hauser
Weitere Informationen: www.kartenkongress.de