Otto gehört als größte Einzelgesellschaft zur Otto Group, die mit über rund 120 Einzelfirmen in mehr als 30 Ländern aktiv ist. Mit rund 12,5 Milliarden Euro Umsatz – davon 7 Milliarden Euro über das Internet erwirtschaftet – zählt die Gruppe zu den weltweit größten Onlinehändlern. Entsprechend hohe Bedeutung kommt der Funktionalität und Aktualität ihrer Online-Services zu. Im Webshop des Händlers werden mehr als 2,2 Millionen Artikel angeboten, die Seiten werden rund 1,5 Millionen Mal pro Tag aufgerufen.
In der IT-Zentrale der Otto Group in Hamburg sind mehrere hundert Systeme installiert. Darunter befinden sich auch unterschiedliche Standard-Softwarelösungen für Shop-Anwendungen. Diese wurden im Laufe der Zeit ständig individualisiert, damit immer komplexer und schwerer zu beherrschen. „Wir haben eine IT-Landschaft mit langer Tradition“, sagt Peter Wolter, Bereichsleiter E-Commerce Solutions & Technology bei Otto.
Für Otto.de wurde früher alle zwei bis drei Monate ein umfangreiches Software-Update durchgeführt. „Das hat meist funktioniert, die Systemstabilität blieb erhalten, und alle waren zufrieden“, erinnert sich Wolter. Bis zum Jahr 2011, als sich hausintern die Erkenntnis durchsetzte, dass solche IT-Strukturen perspektivisch nicht mehr tragen, dass neue Funktionalitäten nicht oder nicht ohne hohen Aufwand integrierbar sind, dass sie insbesondere die Abbildung von Prozessen in Echtzeit nicht zulassen.
Im Jahr 2012 entschied sich der Otto-Vorstand daher zur kompletten Reorganisation, zur Ablösung der Standardlösungen durch eine selbstgebaute Webshop-Plattform. Diese Plattform sollte dauerhaft auf Change, Veränderung, Flexibilität und Agilität ausgerichtet sein, um so auch heute noch nicht vorhersehbare Aufgaben bewältigen zu können. „Wir wollten nicht erneut eine Struktur installieren, die in erster Linie auf Prozessstabilität getrimmt ist und die sich früher oder später wieder zu einem unverrückbaren Monolithen entwickelt“, so Wolter.
Zum Aufbau der neuen Plattform bediente sich Wolter der Unterstützung von Thought Works Inc., einem weltweit agierenden Technologie-Beratungsunternehmen mit Zentrale in Chicago und Büros in 15 Ländern, darunter auch in Deutschland. Gemeinsam entwickelten die Partner ein Organisationsdesign, das nicht dem traditionellen, horizontal aufgebauten Drei-Schichten-Modell folgt, sondern das vertikal ausgerichtet ist. Das bedeutet: Die Otto-Websites wurden vertikal nach einzelnen Leistungsfeldern fragmentiert, etwa nach den Bereichen Navigation, Bestellung, Bezahlung, Merkzettel etc. „Wir wollen Aufgaben so klein schneiden, dass sie beherrschbar sind“, begründet Wolter. Zudem sollte sichergestellt werden, dass diese Fragmente einzeln und lose gekoppelt verändert werden können. Für jedes der Fragmente ist ein Entwicklungsteam zuständig.
Die Teams, in die auch Berater und Programmierer von Thought Works eingebunden sind, teilen die gemeinsame Betriebs- und Prozessplattform und tauschen sich bei Bedarf aus. Ansonsten jedoch arbeiten sie selbständig, eigenverantwortlich und unabhängig voneinander an ihren speziellen Aufgaben. „Für die Otto Group zu dieser Zeit eine eher ungewohnte Organisationskultur“, so Wolter. Die aus seiner Sicht jedoch unabdingbar ist, um jungen kreativen IT-Professionals ein adäquates Arbeitsumfeld bieten zu können.
Mit ihren Veränderungen, Verbesserungen und neuen Funktionen gehen die Teams ständig und in kleinen Schritten in den Live-Betrieb. „So können auch Fehler gemacht werden, ohne dass dies gleich zu gravierenden Auswirkungen führt“, erklärt Wolter. Inzwischen werden von den Teams rund 800 Updates pro Woche eigenverantwortlich in das System eingespeist. „Wir sind schneller und flexibler, wir können sehr kundenzentriert arbeiten und Innovationen ohne Verzögerungen und technische Restriktionen umsetzen“, bilanziert Peter Wolter.
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Weitere Informationen: www.otto.de