Von einer „getrübten Großwetterlage“ im stationären Handel sprach Christiane Hager, Vorstandsmitglied im German Council of Shopping-Centers (GCSC), in ihrem Grußwort zur Eröffnung des Kongresses. Leerstand und Abbau von Einzelhandelsflächen vor allem an Problemstandorten in Klein- und Mittelstädten seien Ausdruck des vom Online-Handel ausgelösten Strukturwandels im Einzelhandel. Der GCSC sieht eine seiner Aufgaben darin, die Rahmenbedingungen für den stationären Handel positiv zu gestalten. Eine wichtige Forderung betrifft die weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten: Zehn verkaufsoffene Sonntage brauche der stationäre Handel bundesweit pro Jahr, um seiner Rolle im Omnichannel-Zeitalter gerecht zu werden, betonte Christiane Hager.
Zum derzeit von Verdi befeuerten Streit um die Sonntagsöffnung im Einzelhandel äußerten sich Vertreter aus der NRW-Politik in einer Podiumsdiskussion. Michael Hübner von der SPD versicherte, dass die Politik den Städten helfen und die Rahmenbedingungen verbessern wolle, um dem stationären Handel einen Wettbewerb mit dem E-Commerce auf Augenhöhe zu ermöglichen. Florian Braun von der Jungen Union appellierte an den Händler, seine ureigenen Stärken wie Beratung und Servicequalität stärker herauszuarbeiten. Gegen eine Regulierung der Ladenöffnungszeiten sprach sich Henning Höne von der FDP aus. Es sei ein Fehler, bestehende Strukturen auf Dauer zu schützen. „Wir brauchen mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort, keine politische Regulierung“, betonte Höne. Alle drei Politiker befürworteten, den Händlern verkaufsoffene Sonntage bürokratiefrei und rechtssicher zu ermöglichen.
Die Shopping-Center-Branche bekommt die Auswirkungen des Strukturwandels deutlich zu spüren. Die Neueröffnungs-Euphorie der letzten Jahre ist verflogen, 2016 verzeichnete das EHI nur noch drei Zugänge von großflächigen Shopping-Centern. Wenn es bei dem jetzigen Informationsstand bleibt, dürfte bis zu einem Jahresende kein weiteres Center entstehen. Die Investoren treten derzeit auf die Bremse und das hat seine Gründe. Jörg Krechky von der Savills Immobilien Beratungs-GmbH aus Hamburg geht davon aus, das die Kapitalwerte von Shopping-Centern-Immobilien in den nächsten 10 Jahren um 10-12 Prozent sinken werden. „2025 werden 20 Prozent der Gesamtfläche von Shopping-Centern in Regionen sein, die nicht zukunftsmäßig aufgestellt sind“. Trotz dieser wenig erbaulichen Prognose kommt Krechky insgesamt zu dem positiven Fazit, dass Shopping-Center in Zukunft marktfähig bleiben. Der stationäre Handel wird seine Position als Hauptumsatzträger verteidigen, aber ihm steht in den nächsten Jahren noch eine große Bereinigung vor.
Wichtig sei es, die notwendigen Veränderungen in Angriff zu nehmen, damit die Ertragskraft der Immobilie wiederhergestellt und nachhaltig erhalten bleibt, so der Tenor aus den Vorträgen. Mittlerweile reagieren die Entwickler und Investoren mit veränderten Angeboten. Mieter von Shopping-Centern sind nicht mehr nur klassische Einzelhändler, sondern zunehmend auch Unternehmen anderer Branchen. Die Transformation in Mixed-Used-Center mit Büroflächen, erweiterten Gastronomieeinrichtungen, Arztpraxen oder Fitness- und anderen Freizeiteinrichtungen bestimmt derzeit viele Revitalisierungsprojekte.
Shopping-Center als Marke
Der Druck auf den stationären Handel und die Immobilien steigt, die Marktmacht liegt bei den Verbrauchern. Deshalb sollte die Devise für Betreiber von Einkaufszentren lauten, noch stärker nachfrageorientiert zu handeln. Auch das Shopping-Center selbst sei eine Marke, so der Tenor in den Vorträgen des Marketing-Forums. Es gelte, das Einkaufszentrum als eigenständiges Produkt zu betrachten, dessen Aufgabe es ist, Markenversprechen zielgruppenrelevant einzulösen.
Das Markenerlebnis und -versprechen entscheidet über den Erfolg eines Shopping-Centers, erklärte Harald Steiner, CEO des European Real Estate Brand Institutes (EUREB). Das EUREB befasst sich mit der finanz- und verhaltenswissenschaftlichen Evaluierung von Unternehmensmarken der europäischen Immobilienwirtschaft. Es ermittelt jährlich die Positionierung und den Markenwert von rund 1.200 Unternehmen der Immobilienwirtschaft in Europa, um daraus strategische Handlungsempfehlungen für Händler abzuleiten. Die Messung eines Markenwerts ermöglicht es, Aussagen über die Effizienz von Marketingmaßnahmen und den ROI des dafür eingesetzten Kapitals treffen zu können, so Steiner.
Um Shopping-Center als Marke zu positionieren, ein Erlebnis zu bieten und den Einkauf anzuregen, sei es wichtig, Kunden mit Marketingmaßnahmen emotional anzusprechen. Dass Einkaufen über die Sinne erfolgt, sei in Vergangenheit aus dem Fokus gerückt. Oliver Jäger, Geschäftsführer bei Solidaudio, ist der Meinung, dass Audioreize eine hohe Bedeutung für den stationären Handel haben. Er begründete dies damit, dass der Gehörsinn dauerhaft aktiv ist und Musik die Wahrnehmung der Menschen beeinflusse bzw. Konsumenten stimulieren könne. Der Klang einer Marke könne Vertrauen schaffen und Orientierung geben. Zudem ermöglichten Audioreize, sich als Marke unterscheidbar zu machen.
Beziehungsgeflechte Mieter und Centermanagement
Im Zuge der veränderten Anforderungen an die Marketingstrategien von Shopping-Centern wurde am ersten Kongresstag auch über die Zukunft der Werbegemeinschaft diskutiert. Setzten Eigentümer bisher noch vornehmlich auf Werbegemeinschaften, haben sich einige Shopping-Center-Betreiber für die Einführung von alternativen Marketinginstrumenten ausgesprochen. Ein Beispiel für die Einbindung der Mieter des Shopping-Centers in Marketingentscheidungen und eine Alternative zur klassischen Werbegemeinschaft sei die Mietervereinigung.
Jens Horeis, General Manager Property Management bei der Sierra Germany GmbH aus Düsseldorf, betonte die Vor- und Nachteile einer zentral durch den Eigentümer gesteuerten Marketingstrategie. Während bei einer Werbegemeinschaft zumeist eine Vielzahl von Akteuren – darunter Mieter, Eigentümer der Immobilie und das Center-Management – Entscheidungen mehrheitlich fällt, werden die Marketingstrategien und die Budgetverteilung bei einer Mietervereinigung zentral gesteuert. Die Budgethoheit liege in dem Fall bei den Eigentümern. Für die Mieter würden sich laut Aussage der Diskussionsteilnehmer Vorteile ergeben, da die Haftung beim Eigentümer liege und somit die Risiken für die Mieter gesenkt werden könnten. Auf der anderen Seite würden Mieter weniger Einfluss haben, da sie nicht mehr aktiv in die Entwicklung der Werbemaßnahmen eingebunden werden. Sowohl Jens Horeis von der Sierra Germany Gmbh als auch Götz Hassmann, Geschäftsführer und Head of Leasing bei der Mfi Shopping Center Management GmbH, sind sich einig, dass ein Gesamtmarketing aller Center auch einzelne Center stärken könnte. Hierbei sollte jedoch jedes Center individuell betrachtet und klassifiziert werden, damit die Budgets an den Standort angepasst verteilt werden können.
Auch das Berufsbild des Center-Managers wurde diskutiert. Gleichsam mit neuen Beziehungsgeflechten zwischen Mietern und Centermanagement ließe sich auch hinsichtlich des Berufsbildes ein Wandel in den letzten Jahren beobachten. Während der Center-Manager vor einigen Jahren noch verstärkt Marketingaufgaben übernahm, seien inzwischen auch Marketingassistenz-Positionen geschaffen worden, die den Center-Manager unterstützen. Der Manager selbst übernimmt künftig verstärkt Asset-Aufgaben.
Das fünfte Deutsche Shopping-Center Forum findet am 15. und 16. Mai 2018 in Bonn statt.
Fotos (6): EHI/Axel Schulten
Weitere Informationen: www.dscf.de