Auch 2017 hat das EHI wieder in über 90 Handelsunternehmen IT-Verantwortliche im Rahmen von persönlichen Interviews zu Trends, Strategien und Investitionen für die kommenden Jahre befragt. Dabei wurden die Teilnehmer zunächst gebeten, die grundlegenden technologischen Trends zu nennen, die ihre kurz- und mittelfristigen Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. An erster Stelle steht dabei wie schon in der vorigen Erhebung das Thema Omnichannel. 52 Prozent der Entscheider räumen diesem Thema höchste Priorität ein. Weitere Investitionstreiber sind die digitale Transformation des Unternehmens, insbesondere der Filialen sowie die Themen mobile Kommunikation und Analytics. Stark an Bedeutung gewonnen hat die Personalisierung der Kundenansprache, die bereits von 18 Prozent der Teilnehmer als in hohem Maße investitionsrelevant betrachtet wird.
Wie wirken sich diese Trends nun auf konkrete Investitionen aus? Diese Frage beantwortet ein Blick auf die wichtigsten IT-Projekte, die in den Unternehmen für die kommenden Jahre geplant sind. 54 Prozent der Entscheider nennen Projekte, die in engem Zusammenhang mit der Umsetzung der Omnichannel-Strategie des Unternehmens stehen. Vor diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, dass rund die Hälfte aller Firmen in die Optimierung bzw. Erneuerung der Warenwirtschaft und der Kassenhard- und/oder -Software investieren will. Derzeit implementierte Lösungen sind oftmals hinsichtlich Performance, Flexibilität und Modularität nicht in der Lage, eine durchgängige Omnichannel-Strategie in erforderlichem Maße zu unterstützen. Die im Vergleich zu 2015 deutlich gestiegenen Investitionsabsichten in POS-Systeme sind zum Teil durch die Kündigung von Altverträgen und damit verbundene Dienstleisterwechsel zu erklären.
Einen signifikanten Anstieg verzeichnen auch geplante Investitionen in CRM-Lösungen und Analytics. Die angestrebte zunehmende Personalisierung von Kundenbeziehungen, meist über Kommunikation mit dem Kunden-Smartphone, erfordert neue Tools, die in vorhandene Systeme oft nur schwer integrierbar sind. Informationen über den Kunden müssen in Echtzeit und auf unterschiedlichen Devices verfügbar sein, was eine performante und schnelle CRM-Lösung voraussetzt. Omnichannel und Personalisierung erzeugen wiederum große Datenmengen, deren sinnvolle Analyse oft noch viel Potenzial bietet.
Geschwindigkeit und Flexibilität
Um die notwendige Geschwindigkeit und Flexibilität der Systeme zu erreichen und gleichzeitig die Komplexität der Systemlandschaft zu reduzieren, setzt auch der Handel zunehmend auf cloudbasierte Anwendungen.
Früher oft als „Cloud-skeptische“ Branche bezeichnet, hat sich die Einstellung der Handels-Entscheider in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Man hat erkannt, dass es von Vorteil sein kann, nicht jede IT-Anwendung selber zu betreuen, weiterzuentwickeln und zu hosten.
39 Prozent der an der Studie beteiligten Unternehmen geben an, dass die Bedeutung von Lösungen aus der Cloud in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird, für 16 Prozent haben diese bereits heute eine hohe Bedeutung. Das Einsatzspektrum ist dabei inzwischen breit gestreut. Von CRM-Systemen über ERP-Lösungen bis hin zu Web-Plattform und Kasse gibt es kaum einen Bereich, der sich noch in keiner Firma in der Cloud befindet. Viele Unternehmen folgen allerdings der Devise: „Cloud ja, aber nur, wo es Sinn macht“ und gehen entsprechend selektiv bei der Auswahl von Cloud-Diensten vor. Am weitesten verbreitet sind heute noch Office- und HR-Anwendungen, dies dürfte sich aber in den kommenden Jahren erweitern.
Innovationstreiber
Die weiter steigende Bedeutung des Einsatzes von Technologie in sämtlichen Bereichen einer Handelsorganisation führt zunehmend auch dazu, dass sich die Rolle der IT-Abteilung wandelt.
War die IT in früheren Jahren in erster Linie Dienstleister für das Business, so nimmt sie heute in hohem Ausmaß die Funktion eines Enablers und Innovationstreibers wahr. Dies spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur wider. Früher oft dem Finanz- oder Controllingbereich untergeordnet, berichten heute 59 Prozent der IT-Verantwortlichen direkt an die oberste Führungsspitze. 41 Prozent der Entscheider sind sogar selber Mitglied der Geschäftsführung. Die Rolle des „echten“ CIO, im angelsächsischen Raum schon länger üblich, beginnt sich auch hierzulande immer mehr durchzusetzen. Treffend ist an dieser Stelle das Zitat eines Panelisten: „Die Rolle der IT wandelt sich vom Betreiber zum Treiber“.
Die veränderte Rolle der IT hat auch zur Folge, dass ein immer engerer und systematischerer Austausch mit dem Business erforderlich ist. Insbesondere ist der Bereich Marketing zu nennen, da dort kaum mehr Projekte durchgeführt werden, die nicht technologiegetrieben sind. In den Interviews des EHI war deutlich zu spüren, dass die Firmen dieses Thema ernst nehmen und auch konsequent umsetzen. Vielfach sind Mitarbeiter der IT direkt im Business angesiedelt – oder umgekehrt. Für die IT wird zunehmend Personal mit hoher Kompetenz in der Projektsteuerung gesucht, das „die Sprache des Business“ spricht. Fest installierte Teams, die sich aus Business und IT zusammensetzen, sind vielfach bereits Standard.
Bis auf wenige Ausnahmen bezeichnen praktisch alle Unternehmen es als proble-matisch, qualifiziertes Personal für die IT zu gewinnen. Oft steht der Handel entweder in Konkurrenz zu anderen Branchen, oder der Standort der Firma übt auf das gesuchte Mitarbeiterprofil nicht die notwendige Anziehungskraft aus. Um dennoch am Arbeitsmarkt Erfolg zu haben, setzen die Firmen neben einem angemessenen Gehalt vor allem auf „weiche“ Faktoren wie eine positive Unternehmenskultur (genannt von 59 %der Teilnehmer), das Schaffen eines spannenden Aufgabenbereichs, Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Der Ausbildung im eigenen Hause kommt in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung zu – viele Firmen versuchen auf diese Weise, frühzeitig gute Mitarbeiter an sich zu binden.
Als Konsequenz aus diesen Trends und Entwicklungen sind die IT-Budgets der Studienteilnehmer im Vergleich zu den Vorjahren weiter angestiegen. Im Durchschnitt über alle Branchen liegt das IT-Budget in 2017 bei 1,35 Prozent vom Nettoumsatz – und damit deutlich über den Werten aus 2015 (1,24 %) und 2013 (1,14 %). In den kommenden Jahren rechnen die Entscheider mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung. Die Definition des IT-Budgets wird jedoch zunehmend problematischer. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass es vermehrt zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommt – etwa bei der Frage, wie ein technologiegetriebenes Marketingprojekt budgetiert wird. Auch werden die Budgets flexibler und volatiler, da neue Technologien und Anwendungen in kürzeren Abständen auf den Markt kommen und Budgets teilweise zwischendurch angepasst werden müssen. Ein weiterer Effekt ist, dass die IT-Abteilungen zunehmend nicht nur für die stationäre IT, sondern auch für den (technischen) E-Commerce zuständig sind, was zu einer Erhöhung der Budgets führt. Daher ist es zumindest fraglich, ob die Kennzahl „IT-Budget vom Nettoumsatz“ auch in Zukunft noch als aussagefähige Kennzahl dienen kann.
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